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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

May 29, 2015

Hilfe, unser Sex ist langweilig!

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Ehe, Ehesex, falsche Scham, männliche Sexualität, Sünde, weibliche Sexualität, sexuelle Komponenten, 2015


illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

Hoi Veronika

Ich weiss, das tönt voll blöd. Ich liebe meine Frau wirklich und sie ist attraktiv. Aber ich finde unseren Sex langweilig. Wir sind jetzt doch ein paar Jahre verheiratet und anfangs dachte ich, dass sie einfach ein wenig unsicher ist. Aber ich darf nichts ausprobieren, sie findet es sofort eklig und unnatürlich und denkt, das dürften wir nicht tun. Dabei wünsche ich mir nichts wahnsinnig Extremes. Ich würde sie einfach gerne auch mal oral verwöhnen, aber sie lässt es nicht zu. Auch mit verschiedenen Stellungen ausprobieren hat sie Mühe. Ist es wirklich so, dass man das alles „nicht darf"? Oder weshalb ist meine Frau so prüde? 
Hast du mir ein paar Tipps? 

Liebe Grüsse Thomas, 32 Jahre


Lieber Thomas

Zugegeben – ein bisschen gemein tönt Deine Frage schon. Vor allem, weil der Eindruck entstehen könnte, dass nur Deine Frau das Problem ist, dass Ihr keinen aufregenden Sex habt. Aber offenbar ist es Dir in den vergangenen Jahren auch nicht gelungen, Deine Frau dazu zu verführen. Das wiederum bringt mich zu der Vermutung, dass es Euch beiden ein wenig an Wissen und Lernerfahrungen diesbezüglich mangelt.

Du willst wissen, weshalb Deine Frau prüde ist? Ich frage zusätzlich: weshalb weisst Du nicht, wie Du sie aus der Prüderie befreien kannst? Sexualität ist von Kindsbeinen angelernt. Wenn es Euch zwei nun an Inspiration für Euer Liebesleben fehlt, gehe ich davon aus, dass ihr praktisch keine entsprechenden inspirierenden Vorbilder und Informationen während Eurer Jungendzeit hattet, um eine unverkrampfte Einstellung zum Sex zu entwickeln. Vermutlich bekommt Ihr auch heute keine Anregung, Euch mit Eurer Paarsexualität auseinander zu setzen. Deshalb finde ich es super, dass Du Dich aufgemacht hast, diese Situation zu ändern und mir schreibst. Ihr braucht Aufklärung und Wissen, viel Wissen.

Die Art, wie wir gelernt haben, über sexuelle Erlebnisse zu denken und ob wir fähig sind, ihnen eine positive Bedeutung zu geben, ist ein Schlüssel zu unserem Lusterleben. Wie wir über Sex denken, kann uns sowohl beflügeln als auch behindern. Darin sind wir geprägt von Aussagen und Verhaltensweisen der Eltern und später auch von anderen wichtigen Bezugspersonen.  Wie ein gutes Gericht setzt sich die menschliche Sexualität aus verschiedenen Komponenten zusammen. Aus der je eigenen Erotik der Frau und des Mannes und ihren erotischen Fähigkeiten, die sie sich allein und zusammen mit dem Liebespartner erwerben. Dann aus ihren Liebesgefühlen und ihrem sexuellen Begehren. Und zuletzt auch aus ihren Fähigkeiten der Verführung und der erotischen Kommunikation. Diese verschiedensten Zutaten zusammen werden zu einem erfüllenden Erlebnis.  Je besser es uns als Mann und Frau gelingt, unseren Körper und die Funktion unseres Geschlechts zu kennen und damit unsere ganz eigene Erotik zu entwickeln, desto genussvolleren Sex werden wir erleben.

Deine Frage, was Ihr dürft oder nicht, ist schnell beantwortet. Wenn Ihr zwei es wollt, schön findet, Euch nicht gegenseitig unter Druck setzt, dann ist alles erlaubt im Bett. Das Hohelied der Bibel kennt keine Prüderie. Diese Texte sind voller Worte, die unverkrampfte Leiblichkeit ausdrücken. Und zwar von Mann und Frau. Was wir im Sex tun, wie wir dabei empfinden, was wir uns dabei erlauben, wie wir darüber denken, all das ist erlernt und abgeschaut. Und all das kann daher auch umgelernt oder dazugelernt werden. Erst das wiederholte Erleben genussvoller sexueller Erregung stellt negative Botschaften außer Kraft. Dann erst können Seele, Geist und Körper zulassen und empfinden, dass gut ist, was sich gut anfühlt. Die Frage ist nun natürlich, wie Ihr dazu kommt, Euer Repertoire zu erweitern, das offenbar nicht viel Abwechslung bietet.

Wenn Deine Frau sich in der Sexualität unsicher fühlt, hat es direkten Einfluss darauf, wieviel körperliche Bewegung Sie zur Erregungssteigerung einsetzt und welche Berührungen Sie zulässt. Die Freiheit, uns im Geschlechtsakt bewegen zu können, ist ein entscheidender Faktor, Sex lustvoll zu erleben. Erregung braucht ein wechselseitiges An- und Entspannen bestimmter Muskelgruppen, einen bewegten Körper und emotionales und genitales Loslassen. Menschen, die ein gutes Selbstgefühl und sogar Stolz auf das eigene Geschlecht haben, bewegen sich viel unbefangener und spüren dementsprechend auch ihre Erregung besser. Vor allem aber ist es ihnen möglich, Kontrolle abzugeben und die Kontrolle zu verlieren, was sie zum Genuss und Orgasmus bringt.

Als ersten Schritt empfehle ich Dir, sprich mit Deiner Frau über Sex. Mehrmals, immer wieder, ausserhalb des Schlafzimmers. Besorgt Euch Informationen, lest oder schaut sie Euch gemeinsam an und redet darüber. Zum Beispiel den Video-Blog doch-noch.de von Ann-Marlene Henning oder ihre MAKE LOVE Bücher. Oder das Buch Licht an, Socken aus!. Am liebsten würde Ich Dir natürlich mein eigenes Buch LIEBESLUST empfehlen, aber das erscheint leider erst im September. Das Wichtigste ist, dass Ihr Euer Denken, Wissen und in der Folge Eure Praxis erweitert. Sprich - etwas Neues lernt. Guter Sex in der Ehe setzt voraus, seinen Körper zu kennen und zu lieben, seine Persönlichkeit zu kennen und zu lieben und den Liebespartner zu kennen und zu lieben. Das bedingt einen Entwicklungsprozess. Ob Deine Frau da mitmacht? Ich würde schwer davon ausgehen. Allein, dass Du Dir diese Zeit nimmst, auf sie eingehst, Dich auf ein Abenteuer mit ihr einlässt, initiativ wirst, wird sie vermutlich überzeugen. Sofern Du das mit ein bisschen Einfühlungsvermögen anstellst.

Seid Ihr noch zärtlich und küsst Ihr Euch noch ausgiebig ausserhalb des Betts, oder geht es immer gleich zur Sache? Sind die emotionalen Bedürfnisse Deiner Frau befriedigt? Frag Sie danach! Entwickelt eine Kultur, über Sex zu sprechen und Sex zu haben, regelmässig! Verabredet Euch dazu! Verführe Sie dazu!

Herzliche Grüsse und viel erotischen Spass! - Veronika

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April 24, 2015

Der grösste "Aufreger" in der Kirche Teil 2

by Veronika Schmidt in Aufklärung, falsche Scham, Aufreger, Selbstbefriedigung, Sexualität allgemein, Solosex, Singles, 2015


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Es ist ganz klar. Wir sollen und wollen es nicht in der Öffentlichkeit tun. Wir wollen dabei nicht überrascht werden. Es soll uns nicht beherrschen. Es ist etwas, das nur mir gehört. Es ist etwas sehr Intimes. Aber ist es deshalb falsch? „Kann denn Liebe Sünde sein?“ heisst ein berühmtes Lied von Zarah Leander. Kann denn Selbstliebe Sünde sein? Könnte es sein, dass Selbstliebe sogar eine wichtige Funktion im Leben von Menschen hat? Vielleicht sogar ein Leben lang? Diese Fragen stelle ich mir hier selbst, weil viele Menschen mich das fragen. Und weil es neben der „Sex vor der Ehe“-Frage in christlichen Gemeinschaften die am meisten polarisierende Frage ist.


Die einen sind froh, dass man dieses Tabu bricht, die anderen sind aufgebracht, dass man zu Selbsterfahrung ermutigt. Der Theologie-Professor Stefan Leimgruber sagt in seinem Buch Christliche Sexualpädagogik: Diese „Liebesbeziehung mit sich selbst“ gehört zur sexuellen Entwicklung heute unbestritten dazu. Doch liegt über diesem Tabuthema in der Kirche nach wie vor ein „Schleier des Schweigens“, weit entfernt davon, anzuerkennen, dass diese Selbstliebe ein ganzes Leben andauern könnte und für Menschen jeden Alters ein bedeutungsvolles Thema ist.“ 

Und auch die amerikanische Ordensschwester und Professorin Margaret Farley äussert sich in ihrem Buch über Sexualethik mit dem Titel „Just Love" oder Deutsch "Verdammter Sex" zu diesem Thema. Darin schreibt sie, dass Frauen in der Selbstbefriedigung grosse Erfüllung und eigene Möglichkeiten bei der Entdeckung der Lust fänden. Selbstbefriedigung könne Beziehungen durchaus mehr fördern als behindern. Für dieses Buch und ihre „radikalfeministischen Positionen“ zu Scheidung und Homosexualität erhielt sie vom Vatikan eine fünfseitige offizielle Rüge, die festhält, dass Masturbation eine „schwer ungeordnete Handlung“ darstelle. Margaret Farley ist erst die zweite Frau, die „die Ehre“ hat, vom Vatikan mit einer Erklärung abgestraft zu werden. Sanktionen bekam sie nur nicht, weil die mutige und gescheite Yale-Professorin der christlichen Ethik schon im Ruhestand war.

Selbstbefriedigung ist Selbsterfahrung und ein Teil der Selbstliebe. Sie ist ein „Sich-Ausprobieren“. Die Welt meiner eigenen Sexualität öffnet sich mir. Sie ist Teil der Beziehung zu mir selbst und hat zunächst einmal nur mit mir zu tun. Ich lerne meine Sexualität wertschätzen, und nur was ich selbst schätze und begehre, kann zum wertvollen Geschenk für jemand anderes werden. Sie ist auch schlicht und einfach die Hinführung zu einer zukünftigen sexuellen Beziehung. Durch Berührungen lerne ich meinen Körper kennen und entwickle ein Bewusstsein dafür, dass der Körper zu mir gehört. Ich finde heraus, welche Berührungen ich mag, was mir gefällt und was nicht. Interessant ist - seit ich darüber spreche, sagt man mir, dass das ja vielleicht für Frauen ganz gut sei, aber sicher nicht für den Mann. Weil Männer sich zwingend konkrete Frauen aus ihrem Umfeld vorstellen müssten, in Abhängigkeit von Pornografie gerieten und Suchtverhalten entwickelten. Doch genau das hat damit zu tun, dass Männer eben auch wenig Zugang zu ihrem Körper haben. Dass sie nicht geübt sind, sich der Wahrnehmung ihres Körpers hinzugeben und Gedanken, Bilder und Fantasien von sich selbst in ihrer eigenen Erregung genussvoll zu pflegen. Sprich, nicht geübt sind, bei sich selbst zu bleiben. 

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April 17, 2015

Der grösste "Aufreger" in der Kirche - Teil 1

by Veronika Schmidt in Aufklärung, falsche Scham, Sexualität allgemein, Solosex, Selbstbefriedigung, Aufreger, Singles, 2015


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Liebe Veronika

Ich habe zufälligerweise oder unglücklicherweise, wie auch immer, herausgefunden, dass meine Tochter (12 Jahre) sich selber befriedigt. Wir haben auch schon miteinander darüber gesprochen. Ich möchte ihr kein schlechtes Gewissen machen, weiss aber auch nicht, wie ich damit umgehen sollte. Irgendwie befremdet es mich. Schon als kleines Mädchen war sie viel mehr an ihrem Geschlecht interessiert, als ihre Schwester und der Bruder. Was denkst du über Selbstbefriedigung bei Kindern? Wie sollte man damit umgehen? Kann das mit dem familiären Hintergrund zu tun haben? Mit Dämonen oder Flüchen? Danke für Deinen Rat.

Olivia, 45 Jahre


Liebe Olivia

Bei Deiner letzten Frage bin ich grad etwas zusammengezuckt. So im Sinn, das darf doch nicht wahr sein! Das ist nicht gegen Dich gerichtet, sondern gegen die mangelnde Aufklärung in unseren christlichen Kreisen. Ein bisschen (untertrieben!) macht es mich wütend, dass dieses Unwissen eine Dämonisierung ganz normaler und natürlicher Vorgänge zur Folge hat. Dieses Denken sollten wir eigentlich längst hinter uns gelassen haben. Selbstbefriedigung hat rein gar nichts mit Dämonen, Flüchen, familiären Belastungen oder sonst was „Schrecklichem“ zu tun. Dass Menschen eigentlich erst im 18. Jahrhundert anfingen, so über Selbstbefriedigung zu denken, hat mit einer "Antimasturbationskampagne" John Martens von 1712 zu tun. Er behauptete, exzessive Masturbation verursache Krankheiten wie Pocken oder Tuberkulose. Dieser Masturbationswahn dauerte die nächsten 150 Jahre an und brachte noch andere abenteuerliche Krankheitsmythen hervor, welche weit bis ins 20. Jahrhundert wucherten, vielfach religiös motiviert und bei Kindern oft übel sanktioniert.

Es gehört zur körperlichen und sexuellen Entwicklung dazu, dass wir unseren eigenen Körper entdecken. Dabei ist dieser Entwicklungsprozess ganz unterschiedlich von Kind zu Kind. Schon Babys können entdecken, dass z.B. Schaukeln auf dem Bauch und rhythmisches Muskelanspannen schöne Gefühle im Geschlecht auslösen kann. Können sich Kinder gezielt anfassen, finden sie bald heraus, dass Berührungen am Geschlecht angenehm sind. Es gibt Kinder, die das tun und solche, die es nicht tun. Wie wir darauf reagieren, wird entscheiden, welche Gefühle die Kinder damit verbinden. Auf dieses Weise suchen Kinder vor allem Hautkontakt und üben Zärtlichkeit. Dass diese Befriedigung später eine sexuelle Komponente bekommt, steuern die Hormone. Im Bedürfnis, sich selber zu stimulieren, bestehen, wie auch im Bedürfnis nach Sex, grosse Unterschiede zwischen den Menschen. Da gibt es grundsätzlich mal nichts, was falsch ist, sondern einfach anders. Die meisten Knaben beginnen zu masturbieren, wenn in ihrem Körper das Testosteron steigt. Mädchen beginnen irgendwann zu masturbieren, in ganz unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Man hat herausgefunden, dass Kinder, die viel Zärtlichkeit und Nähe erfahren haben und einen guten Bezug zu ihrem Körper entwickelten, eher masturbieren als andere. Kinder mit Missbrauchserfahrung masturbieren früher. Mehr Männer masturbieren als Frauen. Frauen sprechen ungern darüber, Männer schon. Sie kennen auch entsprechende Wettspiele. Das sind einfach mal ein paar Facts.

Ich würde dir sehr empfehlen, deine Tochter zu ermutigen, ohne Schuldgefühle ihren Körper kennen zu lernen. Doch dabei solltest du ihre Privatsphäre achten und sie weder konfrontieren noch viel Aufhebens darum machen.  Mich fragen immer wieder Menschen, wie man den Kindern Wissen zu Sexualität vermittelt. Der allerwichtigste Schritt ist, dass Eltern sich erst mal selber mit sich und ihrem Körper auseinander setzen und sich irgendwoher Wissen dazu beschaffen. Erst das wird einen kompetent machen, die Kinder kompetent zu machen. Eltern müssen erst selber die Scheu vor der Sexualität verlieren, bevor sie ohne Scheu mit den Kindern und Jugendlichen darüber sprechen können. Ein tolles Buch für Frauen, um sich Wissen über ihren eigenen Körper anzueignen, das sie dann ihren Töchtern weitergeben können, ist: Weiblich, Sinnlich, Lustvoll von Elia Bragagna und Rainer Prohaska. Weitere empfehlenswerte Bücher sind: Körper und Sexualität von Esther Elisabeth Schütz und MAKE LOVE von Ann-Marlene Henning.

Liebe Olivia, soviel für heute. Ich habe noch andere Fragen zum grössten „Aufreger“  in der Kirche erhalten, die erwachsene Sexualität betreffend.  Nächste Woche mehr davon.

Herzlich - Veronika

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© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.