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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

September 16, 2016

Sind die Bibelstellen über die "Unterordnung der Frau" unwichtig?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Gleichberechtigung, Gott, Zusammenleben, Bibel, Ehe, 2016


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Liebe Veronika

Ich habe Deinen letzten BLOG gelesen und hätte da eine Frage. Sagst Du damit, dass diese Bibelstellen von der Unterordnung der Frau unwichtig sind? Ehrlich gesagt sind da ganz viele Stellen in der Bibel, die mich verunsichern und von denen ich keine Ahnung habe, wie sie zu verstehen sind. Gibt es da Grundsätze, wie man diese lesen und interpretieren kann?

Bin sehr interessiert an Deiner Antwort.
Grüsse – Celina, 24 Jahre


Liebe Celina

Keine einzige Stelle in der Bibel ist für mich unwichtig, auch wenn nicht jede denselben Stellenwert hat oder ich sie nicht verstehe. Sogar Gott macht offenbar Unterschiede. Er sagt im AT zum Gesetz (10 Gebote), wie im NT zur Offenbarung, dass wir davon weder etwas wegnehmen noch dazutun dürfen. Gott kann und darf zu mir durch alle Worte der Bibel sprechen. Mir sind zum Beispiel die Worte von Jesus wichtig. Diese habe ich mir in meiner Bibel mit Leuchtstift angemalt. Als Beraterin in Familien- und Beziehungsdingen liebe ich zudem die Lebensgeschichten in der Bibel. David's Generationengeschichte und in diesem Kontext die Sprüche und Psalmen sind aus systemtherapeutischer und geistlicher Sicht hochinteressant.

Ich für mich lese die Bibel mit der Brille der Lebenswelt. Das heisst, ich frage, was bedeuteten diese Worte in der damaligen Lebenswelt, in der sie geschrieben wurden? Was war das für eine Zeit? Wie hat sich Gott damals offenbart? In welcher Situation befand sich der Mensch, von dem gerade erzählt wird? Ich frage nach Zusammenhängen und nach der Heilsgeschichte, die Gott mit dem einzelnen Menschen oder der Menschheit verfolgt. Dann lese ich mit der Brille der heutigen Lebenswelt, unter Einbezug meiner eigenen Geschichte und Erfahrungen mit Gott. Und ich lese ganz bewusst im Vertrauen auf Offenbarungen durch den Heiligen Geist. Ich versuche, aus der damaligen Situation heraus, das zu finden, was in meine jetzige Situation spricht.

Es gab mal eine Zeit, da hatten die Kirchenväter eine Übereinkunft, die Bibel zu lesen, indem sie sich fragten: „Was lese ich - was liest du.“ Es gab nicht nur die eine, richtige Sichtweise. Diese Art Bibelstudium würde auch möglich machen, sich Bibelworte vorzunehmen, die wir nicht verstehen. Denn es gibt massenhaft rätselhafte, nicht eindeutige Worte in der Bibel. Wer die Bibel sehr wörtlich nimmt, muss zwangsläufig einen Bogen um diese Stellen machen. Doch so wird das Evangelium immer kleiner und verkürzter. Ich bin nun 55 Jahre alt und seit Kindesbeinen „unter dem Wort“  :-). Manchmal kommen mir Predigten vor wie eine CD in Endlosschlaufe. Dieselben Predigten. Dieselben Aussagen. Das darf auch so sein, weil ja jede Generation wieder aufs Neue das Evangelium hören soll. Doch gelegentlich denke ich ketzerisch: "Da steht doch noch mehr in der Bibel", "Das könnte man auch anders verstehen" oder „Nur weil wir es immer wieder wiederholen, wird es nicht wahrer.“ Mein Geist ist dagegen hochentzückt, wenn ich mal was Unkonventionelles, Vielschichtiges, etwas „out of the box“ höre.

Doch zurück zur „Unterordnung der Frau“. Nehmen wir als Beispiel Sklaverei. In Galater 3, 28 sagt Paulus: „Nun gibt es nicht mehr Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen. Denn ihr seid alle gleich - ihr seid eins in Jesus Christus.“ Trotzdem sagt Paulus zum Sklaven Onesimus, er solle zurück zu seinem Herrn Philemon - und nicht, er sei jetzt frei. Wohl deshalb, weil es damals keine andere Möglichkeit für Onesimus gab, in der Gesellschaft zu überleben. Und nicht deshalb, weil Sklaverei Gottes Absicht ist. Das ist sie auch heute noch nicht. Genauso wenig wie die Ungleichstellung der Frau.

Jesus und Paulus haben die Frauen in einen für die damalige Zeit aussergewöhnlichen, ja spektakulären Stand versetzt. Ausserhalb des Judentums waren Frauen und Kinder dem Vieh gleichgestellt. Männer konnten über deren Leben eigenmächtig und willkürlich entscheiden. Nun also bekamen die Frauen durch das Evangelium einen Platz in der Gemeinde, zusammen mit den Männern. Gott macht keinerlei Unterschied zwischen Mann und Frau, doch diese Tatsache entwickelte sich gesellschaftlich nicht wahnsinnig schnell . Auch heute sind wir noch nicht am Ziel, aber entschieden weiter als zu Beginn unserer Zeitrechnung. Was aber sollen nun diese umstrittenen Stellen, gelesen aus der Lebenswelt?

Diese Stellen könnte man verstehen, dass sie etwas über das Wesen der Frau aussagen, genauso, wie andere Stellen über das Wesen des Mannes. Man könnte z.B. das Wort „Unterordnung“ auch als „Einordnung“ interpretieren. Weshalb werden Frauen an mehreren Stellen ermahnt, sich einzuordnen in die gegebenen gesellschaftlichen Strukturen? Ich werde jetzt ein wenig gemein, doch steckt ein Kern Wahrheit drin (das nimmt Männer deswegen nicht aus der Verantwortung gegenüber ihren eigenen Schwächen). Frauen haben die Tendenz, „übers Ziel hinaus zu schiessen“ und das haben diese Frauen in ihrer neuen Freiheit bestimmt getan. Sie sind in Gefahr, sich zu überheben, wenn sie nicht mehr unterdrückt werden. In Gefahr zu „labbern“, wenn sie nicht mehr schweigen müssen, auch wenn sie von einer Sache vielleicht gar nichts verstehen. In Gefahr zu manipulieren, wenn sie nicht ans Ziel kommen. In Gefahr auszuteilen, aber nicht einstecken zu können. Die Liste könnte man beliebig fortsetzen.

Paulus wollte den Pendelschlag aus dem neuen Extrem zurück in die Mitte holen (denke ich). Er bringt Gott nach seiner Erkenntnis und natürlich auch durch göttliche Inspiration ins Spiel. Paulus kennt die Ordnungen Gottes aus der Thora genauso gut wie das neue Evangelium. Er sucht nach Bildern und Metaphern, die die Menschen verstehen können. Er bemüht sich darum, was aus Sicht der damaligen Lebenswelt für Frauen trotz der neuen Freiheit gesellschaftlich vorstellbar ist. Er kennt vermutlich die Eigenheiten von Frau und Mann und ist besorgt um ein hilfreiches Zusammenleben in der Gemeinde, Familie und Ehe seiner Zeit.

Beziehung ist heute sehr gut erforscht, wie übrigens auch Erziehung. Das spielt für mich eine Rolle, wenn ich die Bibel lese. Man kann heute wissen, was in der Beziehung gut tut und was nicht. Ein Machtgefälle tut definitiv nicht gut, und ich finde es gottgewollt nicht im Kontext der ganzen Bibel.

Liebe Celina. Wenn ich auf diese Weise die Bibel lesen darf, dann wird sie total spannend. Und diese Erfahrung wünsche ich auch Dir. Herzliche Grüsse - Veronika


BÜCHER ZUM THEMA

VERDAMMTER SEX von Margaret A. Farley

EHE, LIEBE UND SEXUALITÄT IM CHRISTENTUM von Arnold Angenendt

EVA von Helen Schüngel-Straumann

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

September 9, 2016

Nur damit das klar ist – Frauen haben sich unterzuordnen!

by Veronika Schmidt in Aufreger, Ehe, Gleichberechtigung, Gott, Zusammenleben, 2016


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Guten Tag Veronika

Zuerst, danke für alles Gute und Hilfreiche in LIEBESLUST.

Frau und Mann:
So viel Leid würde vermieden werden, wenn Frauen nichts Falsches gelehrt würde über ihr Frau-sein als Kinder Gottes, sondern Richtiges. Und natürlich auch Männer über ihr Mann-sein. Männer sollen nicht unterdrücken, Frauen sollen sich freiwillig unterordnen, dabei aber die Wahrheit (auch Kritisches) aussprechen.

In Genesis steht wirklich Hilfe, nicht Gegenüber.

bezieht sich in LIEBESLUST auf die Kapitel
"Sich gegenseitig erkennen im Sex"und "Dreamteam Mann und Männin" (VS) 

NT sehr kurz:

  • Apg. 7:39: Aber unsere Väter wollten sich ihm nicht unterordnen; sie wiesen ihn ab und wandten ihr Herz nach Ägypten zurück.

  • 1. Kor.14,34: sollen die Frauen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert.

  • Eph.5,24: Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen.

  • 1. Tim. 2,11: Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen.

  • 1. Petrus 3,1: Ebenso sollt ihr Frauen euch euren Männern unterordnen, damit auch sie, falls sie dem Wort (des Evangeliums) nicht gehorchen, durch das Leben ihrer Frauen ohne Worte gewonnen werden.

Freundlich grüsst - Peter


Seit 2000 Jahren massen Männer sich an, eine "Unterordnung der Frau" zu definieren und zu sagen, ob und wie diese zu leben ist. Oft ungeachtet des jeweiligen Lebenskontextes. Besser gesagt, die Überordnung des Mannes bestimmt ganz eigentlich den entsprechenden Lebenskontext. Mein Mann hasst es, wenn ich von „den Männern“ rede. Kann ich verstehen. Nicht alle Männer sind gleich, auch nicht alle Frauen. Doch wie soll ich denn anders ausdrücken, was ich mit „den Männern“ meine? Die männerdominierte, patriarchale Lebenswelt. Oder in diesem Fall: Die männerdominierte, patriarchale, christliche, eindimensional bibelwörtliche Lebenswelt. Ist vielleicht besser, denn damit sind die entsprechenden Frauen mitgemeint.

Ab und zu bekomme ich schräge, beunruhigende Mails. Bringt es so mit sich, wenn man über Sex schreibt. Diese lösche ich unbeantwortet. Das wollte ich zuerst mit diesem Mail auch tun. Denn was ist das für eine Art, ein Mail zu schreiben? Weil, ich habe also nichts weggelassen, imfall. Ist Originalton. Aber dann habe ich gezögert, weil der Schreiber sich ja artig für mein Buch bedankt. Obwohl, das war vielleicht nur ein Vorwand… Ich habe dem Schreiber also anständig geantwortet. … Ich gebe es zu: fast anständig, nicht ganz. Ich habe geantwortet, dass seine Art die Bibel zu lesen und meine, wohl sehr weit auseinanderliegen würden. Ich habe es auch begründet. Und ich konnte es mir nicht verkneifen, zu bemerken, dass es schlechte Kommunikation ist, ohne Frage oder Erklärung mir einfach ein paar Bibelstellen vor die Füsse zu knallen. Also ich meine, ein paar doch recht provokative Bibelstellen: „So, nun interpretiere mal, was ich damit sagen möchte! Ich meine, du weisst genau, was ich sagen möchte! Ist doch klar, was diese Bibelstellen meinen!“

Diese Stellen zu lesen, macht mich heute nur noch müde. Nicht, weil ich etwas gegen Petrus und Paulus hätte. Gegen Paulus schon gar nicht. Paulus ist wohl einer der missverstandensten Apostel. Er ist es, der sagt, dass es vor Gott keinen Unterschied gibt zwischen Mann und Frau. Er sagt, dass zuallererst sich Mann und Frau gegenseitig unterordnen sollen. Er sagt, dass zuerst und vor allem wir uns lieben sollen. Petrus und Paulus waren Männer ihrer Zeit. Ja, Paulus seiner Zeit sogar meilenweit voraus, wie übrigens Jesus. Diese Männer haben den christlichen Glauben nach bestem Wissen und Gewissen und unter Lebensgefahr verbreitet. Ihre Worte ermutigen Menschen und bezeugen Gott bis heute. Doch mich macht müde, dass es immer noch Christen gibt, die ernsthaft glauben, dass Gott will, dass wir Frauen schweigen sollen, uns einseitig belehren lassen müssen, nicht lehren dürfen, unser Haupt verhüllen sollen. Uns unterordnen müssen - was immer damit gemeint ist. Steht doch alles schwarz auf weiss. Wird zitiert, als gäbe es keinen kulturellen und zeitgeschichtlichen Kontext. Und hätte Gott keinerlei Interesse daran, dass wir uns mit ihm weiterentwickeln. 

Diese Art der Bibelauslegung ist die geistliche und geistige Burka für die christliche Frau - oder das "Leichentuch der Frau"*
Ich weigere mich schlicht und einfach, so die Bibel zu lesen!!!

*so nennt Alice Schwarzer die Frauen-Verhüllung.

Ich meine, da hält der Schreiber fest: „Da steht im Fall „Hilfe“, da in der Genesis, nicht Gegenüber (imfall!)! Na und - und jetzt? Was sollen wir denn unter diesem Wort „Hilfe“ zu verstehen haben? Haushaltshilfe vielleicht? Erste Hilfe? Lebenshilfe? Liebeshilfe? Hilfe zur Selbsthilfe? Gehhilfe? Oder vielleicht eben doch GEGENÜBER, ZUGEWANDTE, ERGÄNZUNG, PARTNERIN, WOHLTUENDE, LIEBESLEBEN, UNTERSTÜTZERIN, EINSAMKEITVERTREIBERIN, RUHEPOOL, KLAGEMAUER, GESPRÄCHSPARTNERIN – und ja, auch Hilfe und Mithilfe.

Und ich wiederhole gerne nochmals aus DU HEBELST GRUNDLEGENDE ORDNUNGEN GOTTES AUS: Man kann noch so viel forschen, Bibel lesen, beten, in die Kirche gehen – am Ende bestimmt auch unser Umfeld und unsere Geschichte, was wir glauben. Unfromm und psychologisch ausgedrückt bedeutet das, dass unser Glaube von einem ganz bestimmten Mindset bestimmt ist: Unsere christliche Gemeinde, unser christliches Elternhaus prägt meine Denkweise und Mentalität. Dies prägt meine Art zu denken, wie ich Dinge sehe, wie ich sie lese und interpretiere. Jeder Mensch interpretiert mit seinen angelernten Fähigkeiten und Möglichkeiten.

So, nun habe ich mich wieder abgeregt.
Herzliche feministische Liebesgrüsse - Veronika


ZUM NACHLESEN UND BIBELSTUDIUM

IST DER MANN DAS HAUPT DER FRAU? von Andrea G. Xandry


Ich zitiere auch gerne wieder einmal Felix Ruther: „Wer aus der Vollkommenheit Gottes einen vollkommenen Bibeltext ableitet, formuliert ein logisches Prinzip, das es in der Bibel so nicht gibt. Widersprüche sieht der Mensch, der glaubt, dass alle Worte der Bibel gleich gewertet werden müssen. Die Texte der Bibel sind aber in ganz verschiedenen historischen Situationen entstanden, und man kann, ausgehend von den ältesten Texten bis zu den Evangelien, eine pädagogische Absicht Gottes entdecken. Wenn Lamech (1. Mose 4) sich noch brüstet, für eine zugefügte Wunde einen Mann zu erschlagen, dann steht im „Auge um Auge-Prinzip“ die Strafe schon in einem massvollen Verhältnis zur Tat. Das grosse Ziel auf das Gott mit den Menschen zugehen möchte ist „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

Ich habe zu diesem Thema schon einiges auf dem BLOG geschrieben. Wer es nochmals nachlesen will, kann das hier:

WIE MEINST DU DAS???

WIR KÄMPFEN UM DIE VORHERRSCHAFT

AN MIR FESTHALTEN, UM ALS PAAR GLÜCKLICH ZU WERDEN  (Fortsetzung von oben)

SEXUALITÄT UND GLEICHBERECHTIGUNG

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September 2, 2016

Sexueller Missbrauch - das (nicht nur) christliche Tabu

by Veronika Schmidt in Sexueller Missbrauch, Fragen, Gott, Grenzen setzen, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sünde, Zusammenleben, 2016


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Liebe Veronika

Ich beschäftige mich aktuell beruflich stark mit dem Thema "sexueller Missbrauch". Dabei stelle ich mir immer mehr die Frage, was Sexualität denn so bedeutsam macht, dass die Menschen sie benutzen, um andere Menschen zu erniedrigen, und warum ein sexueller Missbrauch Menschen so umfassend zerstören kann.

Klar, auch körperliche und seelische Gewalt zerstören. Aber warum benutzen Menschen überhaupt die Sexualität dazu? Oder warum benutzt Satan die Sexualität/sexuelle Identität um zu zerstören?

Warum ist Sexualität so wichtig für den Menschen? Warum hat Gott dem so eine Bedeutung beigemessen und was hat er sich dabei gedacht?

Schliesslich noch die Frage, warum hat Gott Sexualität überhaupt für nötig befunden? Bitte nicht die Antwort "weil‘s schön ist", sondern was wiederspiegelt sie und wie steht Sexualität in Verbindung mit der geistlichen Dimension?

Bin mega gespannt auf Deine Antwort.
Herzlich, Isabella, 34 Jahre

 


Phuu, liebe Isabella, Du bringst mich echt ins Schwitzen!

Deine Fragen beschäftigen alle, die mit sexuellen Verletzungen, Missbrauch und Ausbeutung konfrontiert oder davon betroffen sind. Mich machen viele Geschichten, die ich höre, ziemlich sprachlos. Vor allem, wenn die Täter Christen sind. Dazu noch Christen in Leitungsverantwortung. Wie können Menschen – oft, aber nicht immer Männer -  solche Dinge tun? Weshalb werden diese Dinge in der christlichen Gemeinde verschwiegen und unter den Teppich gekehrt? Weshalb werden Opfer zu Tätern gemacht? Die Betroffene ILLE OCHS hat sich diesen schmerzhaften Fragen in ihrem neuen Buch IM KÄFIG DER ANGST gestellt.

Als Therapeutin bemühe ich mich sehr, das Gute, das Potenzial im Menschen zu sehen. Doch angesichts aller Gräuel in dieser Welt – schon immer, nicht erst heute – fühle ich mich oft ohnmächtig gegenüber der Bösartigkeit des Menschen. Ist der Mensch eine Bestie? Was macht den Menschen zur Bestie? Oft auch zu einer Bestie im Nadelstreifenanzug? Die gefallene Schöpfung, der sündige gottferne Mensch, die Mächte der Finsternis sind als Erklärung für Dich sicher nicht zufriedenstellend. Und Du fragst ja nach Gründen für die sexuelle Gewalt.

Die Welt wird regiert mittels Macht, Geld und Sex. Heute bin ich überzeugt, alle drei bedingen einander. Wo das eine ist, sind auch die anderen. Aber weder mit Macht noch mit Geld lassen sich Menschen so nachhaltig zerstören wie mit Sex. Und weil der Mensch das offenbar weiss, gibt es keine Kriege ohne systematische sexuelle Gewalt. Weltweit wird mehr Geld verdient mit sexueller Gewalt als mit Drogen – und entsprechend natürlich auch konsumiert. Menschenhandel und Sklaverei sind weiter verbreitet als je zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte und immer gepaart mit sexueller Gewalt.

Sexuelle Übergriffe, egal welcher Intensität, verletzen oder zerstören unsere persönliche Integrität und Identität. Und weshalb mehr als alle andere Gewalt? Weil es keine krassere Grenzüberschreitung gibt. Weil sie eine eindringende Gewalt ist. Sie dringt buchstäblich und real in den Körper ein. Und sie lässt nicht nur seelische und körperliche Verletzungen zurück, sondern auch die innere Verschmutzung vom Peiniger und im schlimmsten Fall ein Kind. Sämtliche Wahlmöglichkeiten und die Würde werden einem genommen. Und genau das zerstört unsere Person, welche, wenn intakt, angelegt ist auf menschliches Zusammensein, welches nur gesund stattfinden kann, wenn die gegenseitigen „Grenzen“ (Integrität) und das „Wer-ich- bin“ (Identität) gewahrt werden und ich diese verteidigen kann (mit Grenzen setzen und Kommunikation*). Täter achten und respektieren keinerlei persönliche Grenzen.

Du fragst, weshalb gibt es Sexualität überhaupt? Was hat sich Gott dabei gedacht? Ich möchte mir nicht anmassen, das zu wissen. Aber ich finde für mich ein paar Gedanken, die mir gefallen. Es gibt Bibelausleger, die aufgrund der verschiedenen Schöpfungsberichte davon ausgehen, dass der Mann und die Männin im Paradies noch nicht den irdischen Körper und keinen Sex hatten. Auch in der Ewigkeit werden wir nicht mehr im irdischen Körper und in sexueller Weise Mann und Frau sein. Wie dem auch sei - es gab im Paradies also engste ganzheitliche Beziehung und Gemeinschaft untereinander und zu Gott. Für Gott hätte das so bleiben können. Es war ja noch nichts vergänglich. Doch dann haben die zwei Paradiesmenschen das einzige bestehende Stopp-Signal übertreten (Grenzüberschreitung) und mussten in der Folge die Gemeinschaft mit Gott verlassen. Angst, Scham, Einsamkeit, alle die uns so vertrauten Gefühle bestimmten nun ihr Leben. Sie bekamen einen irdischen, verwesenden Körper und die Sexualität, damit sie sich wenigsten auf diese menschliche Art ähnlich nahe sein konnten, wie zuvor in der Nähe mit Gott. Sie sollten sich auch vermehren können, weil ja nun alles endlich sein würde, vom Tod bedroht.

Es hätte schon Sinn gemacht und würde immer noch Sinn machen, wenn wir verantwortungsvoll damit umgehen würden. Nichts bringt uns dem Partner näher, als wenn wir uns geistig, seelisch und körperlich unverschämt zeigen und auf ihn einlassen können. Mehr Nähe geht nicht. Das ist für mich die geistliche Dimension. Auch nichtgläubige Paare bestätigen, dass es diese tiefen spirituellen Momente im Geschlechtsakt gibt. Und umgekehrt erleben gläubige Paare nicht unbedingt diese Intimität, wenn sie sich einander nicht in dieser Dimension öffnen. Immer wieder drückt Gott in der Bibel seine Sehnsucht nach tiefer Gemeinschaft mit dem Menschen aus und vergleicht sie mit der Paarbeziehung. Er wünscht sich, dass es für alle, für ihn mit den Menschen, für die Paare miteinander, so wäre, wie von Anfang an gedacht. Aber wir haben alles pervertiert, um damit unsere Macht auszuspielen, den anderen zu erniedrigen und zu quälen. Selbst Christen sind nicht davor gefeit, gequält zu werden, noch wohnt in ihnen automatisch das Gute.

Und so sind wir nun beim freien Willen des Menschen. Jedem Menschen. Wir haben eine Wahl. Wir haben einen freien Willen, Gott hat sich so entschieden. Wir Christen sagen oft so schnell, Satan habe alles Gute von Gott pervertiert. Siehe auch den Beitrag DIE DÄMONISIERUNG DES SEXUALTRIEBS. Doch wer ist Satan? Wer sind die Dämonen? Sitzt nicht in uns drin unser grösster Feind, unsere dämonischste Finsternis, unsere schrecklichste Bedrohung? Die Gier nach Macht, Einfluss, Geld, Ausschweifungen, Lustbefriedigung um jeden Preis, Bequemlichkeit um jeden Preis? Immer mal wieder sitzt ein von einer Affäre betroffenes Paar vor mir und sagt übereinstimmend: „Das ist ein dämonischer Angriff auf unsere Ehe.“ „Die andere Frau, der andere Mann ist in unsere Ehe eingedrungen.“ – Entschuldigung, so einfach ist es nie. Selbst wenn ich verführt werden sollte, habe ich die Wahl, mich darauf einzulassen. Oft habe ich bis zur letzten Wahl schon ein paar andere Entscheidungen getroffen. Oder Nicht-Entscheidungen, was auch eine Wahl ist.

Unser Leben ist ein uns von Gott anvertrautes Pfund. Nicht jeder hat dieselben Voraussetzungen, dasselbe Mass. Aber wir sollen nach bestem Wissen und Gewissen daraus was Gutes machen. Doch wenn was schief läuft, ruft der Mensch in seinem Entsetzen aus: „Wo war da Gott?“. Ich frage: „Wo ist da Gott in Dir, in Deinem Nächsten, in der Weltgemeinschaft? Kümmert es jemanden, wie Gott es meinen würde, damit es ein gutes Leben für alle gibt?“ Ich kann Gott nur in mir selbst finden, in meiner Beziehung zu ihm oder in anderen Menschen, die Gott lieben und in der Gemeinschaft mit ihnen. Es gibt im Moment nur den Beziehungsgott, der sich in unserem Leben zeigt. Der Weltengott zeigt sich noch nicht, aber die ganze Schöpfung wartet darauf, dass er es tut. (Römer 8, 18-39). Indem wir uns für missbrauchte Menschen einsetzen und dafür, dass (sexuelle) Ausbeutung in allen Formen aufhört, können wir die Freiheit und Erlösung im Kleinen schon wahrmachen.

Du fragst auch: „Was macht Sexualität zentral?“ Sexualität, Geschlechtlichkeit und die entsprechenden körperlichen, hormonellen und hirnorganischen Vorgänge sind hoch komplex und machen uns erst zu einer Frau oder einem Mann und stiften die entsprechende Identität. Sexualität beschert uns über diese Vorgänge hinaus auch einen inneren Motor, einen Antrieb. Sexualität ist Energie in uns. Dieser Motor ist nicht zwingend die sexuelle Betätigung, aber auch. Die sexuelle Anlage an sich ist es. Dass ich bewusst damit lebe und mich als sexuelles Wesen anerkenne mit sexuellen Sehnsüchten. Dass das gut so ist und ich meinen Körper und seine Empfindungen lieben darf. Diese sexuelle Energie und Sehnsüchte kann ich auch auf nicht sexuelle Dinge und Beziehungen übertragen und ausleben. In Kreativität, Nächstenliebe, Projekte, Freundschaft, eigenem Wohlbefinden usw. Das können wir vielleicht erst verstehen, wenn wir an Menschen die schrecklichen Folgen  zerstörter Sexualität sehen. Die Persönlichkeit ist gebrochen. Energie und Kreativität sind weg. Alles im Leben fällt schwer. Das Lebhafte ist weg. Der Missbrauch ist vielleicht verdrängt, abgespalten und verborgen, aber das Empfinden von Geborgenheit, Freude, Lebendigkeit und Beständigkeit kann sich nicht mehr einstellen.

Liebe Isabella, unsere Geschlechtlichkeit, unsere Sexualität ist viel umfassender und ganzheitlicher, als nur der sexuelle Akt. Gott hat es so eingerichtet, damit für ein Paar tiefste, umfassendste Intimität. Vertrautheit und Gemeinschaft möglich ist, dass wir ineinander uns selbst finden können und unsere Persönlichkeit entwickeln. Davon schreib ich auch im zweiten Teil in meinem Buch. Pervertierte Sexualität wird genau das Gegenteil bewirken. Wir verlieren uns als Paar, verlieren uns selbst, werden distanziert, hart und kalt und entwickeln uns im schlimmsten Fall zur egoistischen Bestie, die den anderen quält, erniedrigt und ihm den Lebensmotor abwürgt.

Herzliche Grüsse – Veronika

* Buchempfehlung
  GRENZEN SETZEN - GRENZEN ACHTEN
von Anselm Grün und Ramona Robben
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June 17, 2016

Der Mythos Sexualtrieb - oder die naive Dämonisierung durch religiöse Eiferer

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Gott, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, Sünde, Meistgelesen!, 2016


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verdammtersex.ipg

Moral kommt aus dem Vorbild, der Übung und der Verlässlichkeit, nicht aus der Predigt.

Thomas Widmer


Sex gleich Trieb? Kein Trieb – echt nicht!

Wir können verhungern, an Flüssigkeitsmangel sterben, sogar an Schlafentzug. Aber niemand ist je daran gestorben, dass er nicht flachgelegt wurde. Es entsteht kein körperlicher Schaden, wenn wir sexuelles Verlangen nicht „füttern“. Sex funktioniert nach dem Prinzip der „Anreizmotivation“. Wenn sich Sex trotzdem wie ein Trieb anfühlt, dann deshalb, weil gewisse Menschen ein sehr empfindliches Gaspedal haben, für die die ganze Welt ein ständiger Anturner sein kann. Nicht das Verlangen selbst macht uns das Unbehagen, sondern dass wir meinen, den sexuellen Anreiz, den verlockenden Partner unbedingt bekommen zu müssen. Wenn dem nicht so ist, wir aber meinen, das müsse jetzt so sein, werden wir innerlich zum trotzenden Kleinkind, zuerst frustriert, dann wütend und irgendwann verzweifelt. Und dieses „Scheissgefühl“ nennen wir gerne Sextrieb.


Der Begriff Sexualtrieb ist tief in unseren Köpfen und unserem Wortschatz verankert. Selbst Sexualwissenschaftler und Sexualtherapeuten verwenden ihn, obwohl eigentlich überholt. Wir verdanken die Trieblehre Sigmund Freud. Er ging davon aus, dass der Mensch von einer mehr oder weniger grossen Anzahl von Trieben gesteuert wird, vor allem in der Sexualität.

Der Sexualwissenschaftler Gunther Schmidt sagt dazu: „Der Trieb war die leitende Metapher für das Verständnis der Sexualität im 19. bis weit in das 20. Jahrhundert. Diesem Modell zufolge bauen sich sexuelle Spannungen ständig auf, als stünde ein Kessel Wasser unter Dampf, und dieser müsse abgelassen werden, um Schaden zu verhindern. Diese Triebtheorie entstand um 1900. Damals wurde die Sexualität verachtet und streng geregelt. So wurde durch Freud die Sexualität zu einer Kraft, die impulshaft jederzeit Macht über uns gewinnen kann, ein wildes Tier, eingeschlossen in uns, gefährlich und immer ausbruchsbereit.“

Zum Mythos Sexualtrieb ergänzt der Sexualwissenschaftler Erwin Hämmerle: „Die Triebtheorie hat man mittlerweile fallen gelassen. Das sexuelle Potential ist allen anderen menschlichen Potentialen wie Singen, Tanzen, Sprechen usw. gleichgestellt. Punkto Sexualität sind wir zudem gar nicht so triebgesteuert, wie oft behauptet. Sexuelle Lust ist bei jedem anders ausgeprägt und hat viel mit den gesellschaftlichen Umständen zu tun.“

Begierde ist eher Unwissen

Was drängt uns dann, wenn kein Trieb? Wenn uns nicht der böse Trieb und kein Dämon und nicht der Teufel drängt? Moment mal! - Nicht der Teufel ist schuld? Das wäre doch so schön gewesen. Nach dem Motto: „Das war nicht ich – das war der böse Trieb.“

Die Bibel gibt uns keinerlei Schützenhilfe, diese Verantwortung abzuschieben. Sie ist in ihren Aussagen ganz klar. Es sind unsere eigenen Begierden, die wir aufsteigen lassen, nähren und denen wir im schlechtesten Fall erlauben, uns zu verschlingen. Wir sind also einmal mehr bei der Selbststeuerung gelandet:

„Jeder Mensch wird durch seine eigenen Begierden (seinem eigenen Willen, seinen eigenen Wünschen und der eigenen Vorstellungskraft) dazu verleitet, Böses zu tun.“ (Jak 1,14 NL)

Es gibt sogar diese ganz interessante Bibelstelle, aus der man herauslesen kann, dass getriebenes Begehren, und in der Konsequenz auch die vehemente Bekämpfung der Sexualität, eher die Folge von Unwissen sind:

 „Als Kinder des Gehorsams passt euch nicht den Begierden an, die früher in eurer Unwissenheit herrschten.“ (1Petr 1,14 ELB) … oder: „Damals wusstet ihr es nicht besser.“ (NL)

Sexualkriminologen gehen heute davon aus, dass hinter sexuellen Straftaten oft gar keine sexuellen Motive stehen, sondern aggressive Bedürfnisse und Machtdemonstrationen. Und hinter ausschweifender Sexualität steht erwiesenermassen oft mangelnde Selbstkontrolle, mangelnde Selbststeuerung und mangelndes Selbst(wert)gefühl. Oft auch enthemmt aufgrund von Alkohol, Drogen oder Pornokonsum.

Dass die christliche Lebenswelt jahrhundertelang die sexuelle Lust, die sexuellen Bedürfnisse, das sexuelle Begehren dämonisiert hat, ist schlicht Unwissen aber auch Machterhalt von patriarchalen Strukturen.

Sexualität hat eine Geschichte

Im 20. und 21. Jahrhundert hat nicht nur die Biologie für neue Erkenntnisse gesorgt, sondern auch die Psychologie, Ethnologie und Soziologie. Dazu kam die neue Disziplin der Sexualwissenschaft. Zum Beispiel fand die Forschung heraus, dass es Masturbation bei beiden Geschlechtern in fast jeder Gesellschaft überall auf der Welt gibt. Dass sich keine einheitlichen Normen für vorehelichen oder ausserehelichen Sex finden liessen. Viele dieser Informationen relativierten die absoluten allgemeingültigen traditionellen westlichen Normen und veränderten die Rollen von Mann und Frau nachhaltig.

„Besonders die Stärkung des weiblichen Selbstbewusstseins, vor allem in den letzten 50 Jahren, brachte eine signifikante Lockerung traditioneller Sexualnormen. Viele Jahrhunderte, in denen eine von Grund auf falsche Weltwahrnehmung dem Sexismus zur Blüte verhalf, liessen viele Frauen an der Gültigkeit fast aller früherer Lehren zu den Grundsätzen der Sexualmoral zweifeln. Frauen haben die Irrationalität sexueller Tabus unmittelbar erfahren.“(aus VERDAMMTER SEX von der Nonne Margaret A. Farley)

Auch die Theologie hat wichtige Erkenntnisse in Bezug auf die menschliche Sexualität und das Sexualverhalten geliefert. Publikationen aus römisch-katholischer (nicht von den hohen Würdenträgern) und protestantischer Tradition läuteten eine ganz neue Ära für eine christliche Sexualethik ein. Bibelforscher haben sich mit Fragen der Sexualethik befasst und jüdische Theologen haben zu diesen Fragen wichtige Untersuchungen beigetragen. Alle diese Bemühungen lassen einfach nicht mehr zu, sich einer naiven Betrachtungsweise der Sexualität hinzugeben, schon gar nicht der Sichtweise, ein Trieb überfalle uns, wenn möglich noch vom Teufel geschickt.

Die naive Betrachtungsweise hat über Jahrhunderte die sexuellen Bedürfnisse und damit einhergehend vor allem auch die Frau dämonisiert. Aus biblisch-jüdischer Tradition ist dies überhaupt nicht begründbar, sondern, geschichtlich belegbar, anderen Strömungen zuzuordnen. Wer sich dafür interessiert, sollte unbedingt die unten angeführten Bücher lesen.

Vor allem die Freikirchen tun sich manchmal je nach Thema immer noch schwer damit, dass Glauben und Wissenschaftlichkeit, Geisteswirken und Management,  Theologie und Naturwissenschaft unter der gleichen Sonne Platz haben. Doch am allerschwersten tun sie sich mit der Sexual- und Ehe-Ethik. Dies ist die letzte umkämpfte Bastion, begründet mit den immer gleichen Bibelstellen. Doch der Systemfehler könnte in deren Interpretation liegen.

Der Apologet und Naturwissenschaftler Felix Ruther meint dazu: „Wer aus der Vollkommenheit Gottes einen vollkommenen Bibeltext ableitet, formuliert ein logisches Prinzip, das es in der Bibel so nicht gibt. Widersprüche sieht der Mensch, der glaubt, dass alle Worte der Bibel gleich gewertet werden müssen. Die Texte der Bibel sind aber in ganz verschiedenen historischen Situationen entstanden, und man kann, ausgehend von den ältesten Texten bis zu den Evangelien, eine pädagogische Absicht Gottes entdecken. Wenn Lamech (1. Mose 4) sich noch brüstet, für eine zugefügte Wunde einen Mann zu erschlagen, dann steht im „Auge um Auge-Prinzip“ die Strafe schon in einem massvollen Verhältnis zur Tat. Das grosse Ziel auf das Gott mit den Menschen zugehen möchte ist „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

Dämonisierte Sexualität

Dämonisches und auch magisches Denken wird durch eine Entweder-oder-Logik geprägt, in der alles, was einem begegnet, unterschieden wird in „gut oder böse“, „krank oder gesund“, „ Freund oder Feind“, „wir oder sie“. Das Zulassen von Vielseitigkeit und Komplexität hingegen gilt als Zeichen von Schwäche.

Mit diesem Denken geht die Vorstellung einher, es gebe endgültige Lösungen für die eigenen Probleme und wir könnten uns anstrengen, einen andauernden Glückszustand zu erreichen. Dämonisierendes Denken und die Vorstellung erreichbaren absoluten Glücks ist für das Wohlergehen des Menschen höchst ungesund. Denn wer sich auf die Suche nach absoluten Lösungen für ein Problem macht, ist gelinde ausgedrückt, wenig geduldig mit sich und anderen. Vor allem, wenn diese Anderen die Suche zu behindern scheinen. Und deshalb steckt hinter der Fassade eines eifrigen Moralapostels oft dessen immer noch andauernde Kampf mit der eigenen sexuellen Unzulänglichkeit.

Die dämonische und magische Sicht sagt:

  • Alle Sünde und alles Leiden kommt vom Bösen
  • Die Ursachen des Leidens und der Sünde sind tief verborgen
  • Das Aufdecken der verborgenen Kräfte bedarf einer besonderen Form des Wissens
  • Heilung besteht in der Ausrottung des verborgenen Übels
  • Der Andere ist ein fremdartiges und unaufrichtiges Wesen

Doch es gibt eine andere Sichtweise, die uns eine gewisse Gelassenheit, Gottergebenheit und Trost erlaubt. Wir sind zwar vielleicht damit konfrontiert, dass unsere Versuche, uns oder die Welt zu verbessern, begrenzt sind. Aber neben einer gewissen Enttäuschung hat es auch etwas Tröstliches: Wenn es keinen absoluten Sieg gibt, dann gibt es auch keine absolute Niederlage. Der David der Bibel ist ein Meister dieser „ergebenden Sichtweise“.

Die ergebende Sicht sagt:

  • Sünde und Leiden ist ein wesentlicher und unausweichlicher Teil des Lebens
  • Schlechte Handlungen können positiven Eigenschaften entstammen
  • Radikale Lösungen vergrössern oft das Leiden
  • Die Allgegenwärtigkeit des Leidens und der Sünde erfordert Akzeptanz, Mitleiden und Trösten
  • Der Andere ist uns ähnlich

Woher kommen dann die sexuellen Bedürfnisse?

Die biologische Fähigkeit des Menschen, auf äußere Reize mit einer sexuellen Erregung bis hin zum Orgasmus zu reagieren, ist angeboren und beruht auf Nerven und Muskeln. Die rein biologische Fähigkeit ist nur einer der Bausteine der Sexualität. Vieles wird erst im Laufe des Lebens erworben und ausgestaltet.

Die heutige Sexualforschung besagt, dass Menschen in ihrem Verhalten inneren Drehbüchern folgen. Diese Drehbücher kommen aus der Familie, der Erziehung, der Schule, den Medien, dem Freundeskreis, der Religion. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist natürlich, dass in unserer Kultur verschiedenste widersprüchliche Drehbücher kursieren. Eltern, Kirche, Lehrer, Freunde, das Kino geben bestimmte Sexualverhalten vor. Jungen Menschen in der Pubertät erscheinen diese Wiedersprüche ganz besonders konfus und sie müssen darin ihr ganz eigenes Drehbuch entwickeln. Und heute weiss man, dass der Einfluss der Freunde in dieser Zeit viel prägender ist als der elterliche. Wir verhalten uns im Alltagsleben nach diesen vorgelebten und verinnerlichten Drehbüchern. Genauso ist es mit dem Sexualverhalten, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht.

Viele Fremdgänger hatten schon fremdgehende Väter. Wenn junge Männer in Horden ins Puff gehen oder ständig Frauen abschleppen, steuert sie nicht ihr Trieb, sondern sie gehorchen schlicht dem Gruppendruck oder einer angeeigneten Vorstellung ihrer Männlichkeit. Wenn christliche junge Männer oder Frauen kein Sexabenteuer auslassen, überwältigt sie nicht ihr Trieb, sondern sie geben ihren Wünschen und ihrem Verlangen oder der Vorstellung der Gleichaltrigen mehr nach als dem Drehbuch der sexuellen Enthaltsamkeit. Diese Entscheidung treffen sie ganz allein.

Für die Liebe zwischen Mann und Frau, und um dieser Liebe Ausdruck zu geben in der Sexualität, haben wir also vor allem viel Potential, dass es zu entdecken gibt. Dabei unterscheidet die Hirnforscherin Helen Fisher keinesfalls zwischen dem Sexuellen Begehren und dem Liebesbegehren oder der Verliebtheit. Sie sagt, Verliebtheit ist kein Gefühl, sondern ebenso ein Trieb. Oder wie wir jetzt wissen – ein Potential!


BÜCHER ZUR GESCHICHTE DER SEXUALITÄT IM CHRISTENTUM:

VERDAMMTER SEX von Margaret A. Farley

EVA von Helen Schüngel-Straumann

EHE, LIEBE & SEXUALITÄT IM CHRISTENTUM von Arnold Angenendt

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April 29, 2016

Darf ich wieder heiraten?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Ehe, Fragen, Gleichberechtigung, Gott, Konflikte, Liebe, Midlife-Crisis, Partnerwahl, Selbstverantwortung, Sünde, Zusammenleben, Scheidung + Wiederheirat, 2016


foto: liebesbegehren

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Liebe Veronika

Mit Kopfnicken habe ich den Artikel über Dich in der Pro 2/16 gelesen. Du sprichst mir aus der Seele.

Meine eigene christliche Ehe ist leider nach 18 Jahren jetzt zu Ende. Meine Frau hat einen anderen Mann kennengelernt – übers Internet... Mittlerweile ist sie ausgezogen. Unsere 3 Kinder (15, 12, 10) sind über die Woche bei ihr und am Wochenende bei mir. Tausend Gedanken und Fragen gehen durch meinen Kopf, ich wollte mit dieser Frau alt werden. Aber ich habe nun beschlossen, dass mein Leben weitergeht. Schon wegen meiner Kinder.

Die Frage, die mir mit Blick in die Zukunft unter den Nägeln brennt, ist, ob und unter welchen Umständen ich irgendwann wieder eine Frau haben darf. Laut biblischer Aussage ist so ziemlich alles Ehebruch, was sich aus dieser Situation heraus ergeben könnte - oder? Ich würde mich sehr freuen, Deine Meinung dazu zu hören!

Mit freundlichen Grüßen
Jonas


Lieber Jonas

Selbstverständlich darfst Du wieder eine Frau haben. Je nach Umgebung, in der Du Dich bewegst, musst Du Dich vielleicht etwas warm anziehen deswegen. Immer wieder sitzen in meiner Beratung geschiedene Menschen, denen von geistlichen Gesetzeshütern gesagt wird, sie dürften das nicht, und vor Gott wären sie immer noch verheiratet. Oder sie sagen Singlemenschen, sie dürften Geschiedene nicht heiraten und man würde sie auch nicht trauen. Sie nehmen ihre Rechtfertigung dazu aus der Bibel. Gerade in Bezug auf Scheidung, Wiederheirat und Sexualität allgemein macht der Mensch mit den biblischen Worten etwas nach seinem Gutdünken. Dazu zitiere ich Felix Ruther bereits im BLOG-Beitrag "Wie meinst du das?". Er sagt dazu: „Und er kann mit ihnen machen, was er will. Die Bibel kann sich nicht wehren. Ob der Mensch damit auch den Willen Gottes trifft, steht auf einem anderen Blatt. (…) Wir können uns also aus der Bibel den Tod holen oder das Leben. (…) Die Frage ist, wenden wir die Worte aus der Schrift an wie Gerichtsparteien, um Recht zu behalten? Oder reichen wir uns die Schriftworte wie ein Stück Brot, um einander zu nähren? (…) Das moralische Ideal der Christen findet sich nicht in einem geschriebenen Text, sondern in Jesus, der das „lebendige Wort Gottes“ ist.“ (Magazin INSIST, April 2012, Stolpersteine in der Bibel)

Damit will ich auf keinen Fall sagen, Gott habe Scheidung vorgesehen. Nein, im Gegenteil. Jesus betont ganz klar, „du sollst nicht“. Aber er sagt nicht, „wenn du es tust, gilt meine Liebe Dir nicht mehr“. Vielmehr schützt er die Ehebrecherin davor, dass sie von den Selbstgerechten gesteinigt wird. Er setzt die Strafe ausser Gefecht, nach Jes 53,5: „Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“

Für mich gibt es keine Zweifel, dass Gott sich eine tiefe Einheit von Mann und Frau als gegenseitige gleichwertige Partner vorstellt, für immer, in aller Treue, ohne Treuebruch. Doch der Faktor Mensch hat diesem Wunsch von Gott einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Darum hat Gott durch Mose die Scheidung erlaubt und Jesus bestätigt, dass es sie gibt, „wegen der harten Herzen der Menschen“. (Mth 19, 4-9/Mk 10, 2-11) Er stellt aber auch unmissverständlich klar, dass das von Gott so nicht gedacht war.

Damals wie heute wollen Menschen ganz genau wissen, was man denn jetzt darf und was nicht. Jesus lässt sich darauf ein und sagt, „Ihr könnt es drehen und wenden, wie Ihr wollt, es ist einfach ein Treuebruch, sprich Ehebruch. Weil es so nicht vorgesehen ist. Punkt.“ Und er malt in diesem Zusammenhang vor Augen, wie wenig es braucht, um die Gemeinschaft der Ehe zu zerstören. (Mth 5, 28) Jesus sagt nicht, dass es nun keine Scheidung mehr geben würde und geschiedene Partner nicht mehr heiraten dürften, zum Beispiel in einer Lebenswelt wie der heutigen, die dafür auch ganz klare gesetzliche Grundlagen geschaffen hat.

Jesus und auch Paulus waren in ihrer Haltung zur Ehe und zum Ehebruch sogar sehr revolutionär und plädierten für eine ethisch höhere Eheform als zur Zeit des Alten Testaments. Bis dahin waren Entlassungen der Frau aus der Ehe, mehrere Ehefrauen, Nebenfrauen und sexuelle Ausschweifungen an der Tagesordnung. Indem Jesus die Ehescheidung bzw. Entlassungen für Mann und Frau verbot (wie vorausschauend von Jesus!), führte er wesentliche Veränderungen herbei, nämlich die Gleichheit der Geschlechter. Schade nur, dass Jesus in diesem Punkt dann jahrhundertelang ignoriert wurde. Doch zurück zum Thema. Damals bedeutete die höhere Eheform Schutz für die Frau. Frauen war es bis vor wenige Jahrzehnte nicht möglich, selbstbestimmt wie heute zu leben. Einen Mann zu verlassen oder von ihm verlassen zu werden, war ein grosser Makel oder gar der gesellschaftliche Tod. Zu biblischen Zeiten, wir reden von einer Zeitspanne von ein paar tausend Jahren, konnten Frauen sich nicht wehren, wenn Männer ihrer überdrüssig wurden. Deshalb zeigte Jesus den Männern auf, dass sie an ihren Frauen und an sich selbst schuldig würden, wenn sie leichtfertig entliessen und heirateten, wie es ihnen grad gefiel. So klar wie heute war weder die Ehe institutionalisiert und geschützt, noch waren im Fall von Scheidung Unterhalt und Kinderrechte so geregelt, dass ein wirtschaftliches Auskommen ausserhalb der Ehe möglich war.

Interessant an den Worten von Jesus ist, dass sie sich ganz klar auf eine partnerschaftliche und sexuelle Einheit des Ehepaares, also auf eine Beziehung der Ehepartner zueinander beziehen. Auch das ist revolutionär. Im Gegensatz zu bisher sollte sich das Eheverständnis nicht mehr an Kindern oder dem sozialen Wert (wirtschaftliche Versorgung) orientieren. Bei Jesus finden wir keinen einzigen Hinweis, der den Besitz von Frau, Kindern oder die biologische Fruchtbarkeit preist. Jesus hat also quasi die Liebesheirat erfunden! Wie modern! Daneben sind die wechselnden Lebensabschnittspartner unserer Zeit geradezu rückständig. Jesus will nicht, dass unsere Ehen scheitern. Er hat eine gottgewollte Paradiesehe vor Augen, wie von Anfang an gedacht. Aber trotzdem vergibt er Beziehungsschuld und nimmt sie auf sich. Übrigens auch die bereute Schuld aller anderer Bösartigkeiten des Herzens wie Unzucht, Diebstahl, Mord, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Vergnügungssucht, Neid, Verleumdung, Stolz und Unvernunft. (Mk 7,22)

Jede Ehegeschichte ist individuell. Wer will richten darüber, welche Gründe zum Scheitern führten, noch über denen für eine Wiederheirat? Darf man oder darf man nicht? Das ist meiner Meinung nach die völlig falsche Frage. Das Kriterium für eine Wiederheirat sollte sein, tut es mir gut oder tut es mir nicht gut. Habe ich meine Geschichte verarbeitet oder zerstört sie unbemerkt die neue Beziehung. Statistisch gesehen sinkt mit jeder weiteren Ehe die Chance, dass sie hält. Mit grosser Wahrscheinlichkeit scheitert sie am Unverarbeiteten. Ich rate Dir aus meiner Beratungserfahrung heraus, dass Du Dich mit Deiner Person, Deiner persönlichen Lebensgeschichte und Deiner Ehegeschichte auseinandersetzt. Das vor allem macht Dich fähig für eine neue Beziehung und hilft Dir, das Alte hinter Dir zu lassen, vorwärts zu schauen und nicht Deine alten Fehler zu wiederholen. Suche Dir eine Person Deines Vertrauens, die nicht moralisiert, sondern Dir zu verstehen hilft, was passiert ist. Denn meistens geschehen Affären nicht aus heiterhellem Himmel. Da könnte Eurer Ehe oder auch Deiner Frau aus Ihrer ganz eigenen Geschichte heraus, schon länger etwas Entscheidendes gefehlt haben.

Lieber Jonas, meine Meinung ist, wenn Du im Frieden damit leben kannst, dass etwas in Deinem Leben geschehen ist, dass so von Gott nicht vorgesehen war, dann darfst Du wieder heiraten.

Herzliche Grüsse - Veronika

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