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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

June 22, 2017

Gehen oder Fremdgehen?

by Veronika Schmidt in Ehe, Gott, Konflikte, Partnerwahl, Scheidung + Wiederheirat, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Stress, Sünde, Zusammenleben, 2017


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Hallo liebe Veronika

Ich habe Dir schon mal vor längerer Zeit geschrieben, da ging es darum, dass ich praktisch allein die Initiative beim Sex ergriffen habe, was mich sehr oft frustriert hat. Das Schlimme daran war, dass ich trotz meiner Initiative hin und wieder abgewiesen wurde. Ich will nicht eingebildet klingen aber ich weiss, ich bin attraktiv, am Aussehen kann es nicht liegen. Mein Mann zeigte hin und wieder Verbessrungstendenzen (die ich auch gelobt habe), aber trotzdem verläuft alles etwas schleppend und träge. Seit ich aus meinem strengen Elternhaus ausgezogen bin, entdecke ich mich mehr und mehr, als Persönlichkeit und auch als Frau. Ich weiß mehr was ich will.

Nun bin ich manchmal am Überlegen, ob wir uns einfach im Frieden trennen sollen. Nicht nur wegen dem Sex, es sind auch viele andere Sachen. Er pflegt keine Freundschaften, er sitzt nur alleine vor dem Fernseher. Ich reisse momentan mehr und mehr aus. Er merkt das. Wir sprechen auch darüber. Ich habe ihm schon meinen Vorschlag wegen der friedlichen Trennung mitgeteilt. Doch für ihn steht das absolut nicht zur Debatte. Aber ich will nicht so lange rumexperimentieren und im Endeffekt dann doch gehen. Vor allem habe ich Angst, irgendwann fremdzugehen. Paartherapie kommt für ihn nicht unbedingt in Frage. Und wenn, dann meint er, müsste ich mit jemandem sprechen, der meine Gedanken wieder in die richtige Bahn lenkt.

Veronika, ich weiß Gott hasst Trennungen und ich habe mich selbst davor sehr gesträubt, und ich mag es nicht, Menschen weh zu tun. Ich will ihm einfach in die Augen schauen können, wenn wir uns trennen. Ich will nicht, dass es soweit kommt, dass ich fremdgehe.

Ich würde mich sehr über Deinen Rat freuen.
Liebe Grüße, Meredith - 28 Jahre


Liebe Meredith

Niemand wird Dich von einer Trennung abhalten oder Dich dazu ermutigen, ich auch nicht. Schon gar nicht mit der Begründung „lieber Trennen als Fremdgehen“. Was ist denn das für eine Argumentation? Das eine hat mit dem anderen doch überhaupt nichts zu tun. Wenn Du gehen willst, dann gehe, wenn nicht, bleibe. Und Fremdgehen ist eine Entscheidung, das passiert einem nicht einfach. Bevor Du gehst, und auch falls Du gehst, stelle Dich der unbequemen Frage, aus welchen Motiven Du Dich für diese Ehe entschieden hast, obwohl dieser Mann offensichtlich so gar nicht Deinen Vorstellungen entspricht.

Ich sehe Dein Leid, dass Dein Mann offenbar keinerlei Initiative ergreift. Doch forderst Du ihn auch wirklich genügend heraus? Könnte es sein, dass Eure Beziehung genau deshalb nicht vom Fleck kommt, weil Du ihm nicht wehtun willst? Weil Du grundsätzlich Angst davor hast, Menschen zu konfrontieren? Weil Du Angst vor Konflikten hast? Weil Du nicht Deine Frau stehen und auch nicht unangenehm werden willst? Du schreibst, Paartherapie komme für ihn „nicht unbedingt“ in Frage. Weshalb forderst Du sie nicht „unbedingt“ ein? Weshalb setzt Du ihn nicht unter Druck? Weshalb sagst Du ihm nicht, entweder wir gehen in eine Paar-Beratung oder ich gehe? Könnte es sein, dass Du innerlich bereits gegangen bist und gar nicht mehr zurückkehren möchtest? Dass auch DU keine Paarberatung mehr willst, weil Du vielleicht sonst bleiben musst?

Ich möchte Dir sehr ans Herz legen, mindestens für Dich selbst eine professionelle Beratung zu suchen. Denn wenn Du Dir über Deine Motive zu dieser Beziehung keine Rechenschaft gibst, wirst Du grösste Gefahr laufen, die gleichen Fehler wieder zu begehen. Setze Dich mit Deiner Familiengeschichte auseinander. Mit Dir selbst. Mit dem, was Du Dir in einer Partnerschaft wünscht. Mit dem, was für eine Partnerin Du sein willst. Und ob Du auch allein sein könntest, wenn ein Mann diesen Kriterien nicht entspricht. Oder ob Du Dich „unvollständig“ fühlst ohne Mann an Deiner Seite. Ob Du Deinen Mann nur geheiratet hast, um „einen zu haben“. Oder um aus dem Elternhaus abzuhauen. Denn es hat ganz bestimmt mit Dir selbst etwas zu tun, dass Du den in Deinen Augen falschen Mann geheiratet hast.

Ich werde Dir in meiner Antwort keine theologische Abhandlung liefern, ob Scheidung in den Augen Gottes geht oder nicht. Tatsache ist, auch viele gläubige Paare trennen sich wieder. Doch gedacht war das so von Gott ganz bestimmt nicht. Doch die Frage ist nicht „verboten“ oder „erlaubt“, sondern was Gott sich in der Beziehung zwischen zwei Menschen gedacht hat. Nämlich ein ganzheitliches sich Kennenlernen, aufeinander einlassen, miteinander an Tiefe gewinnen in einem stetigen Prozess  – im biblischen Wort „sich erkennen“. Ohne Engagement von beiden Seiten geht das natürlich nicht. Frage Dich, weshalb das bei Euch nicht möglich war oder möglich ist.

Ich weiss, das sind alles harte Fragen. Aber Du solltest Dich denen stellen, und zwar am besten mit Hilfe von einem guten Coach. Dazu wünsche ich Dir Mut.

Herzliche Grüsse - Veronika

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June 8, 2017

Selbstbefriedigung wird zum Problem

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Erregung, falsche Scham, Gott, Lust, Selbstbefriedigung, Selbsterfahrung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Solosex, Sünde, 2017


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Liebe Veronika

In meiner Teeniezeit habe ich begonnen, meinen Körper zu erforschen. Ich habe in einem Heft gesehen, wie man sich selbst befriedigt. Dies hat mein Interesse geweckt. Über mehrere Jahre steigerte sich die Selbstbefriedigung, und ich konnte nicht mehr unter die Dusche, ohne es zu tun. Und dann, aus dem Nichts, überrollte mich ein schlechtes Gewissen. Ich bekam das Gefühl, Gott habe nicht Freude an meinem Tun. Immer wieder betete ich dafür, dass er mich von diesem Zwang befreit. Das hat er tatsächlich getan. Von einem Tag auf den anderen bin ich davon losgekommen.

Zwei Jahre herrschte dann Ruhe, bis ich mit meinen ersten Freund zusammenkam. Damit erwachte auch das Gefühl der Lust wieder in mir. Wir haben nicht zusammen geschlafen, aber uns einige Male gegenseitig stimuliert. Nach jeder Erregung überkam mich das altbekannte schlechte Gewissen von früher. Wir haben dann häufig zusammen gebetet und uns wieder klar gemacht, wo unsere Grenzen sind. Die Beziehung ist mittlerweile auseinander, aber meine Lust hat sich verstärkt.

Jedes Mal, wenn  ich mich selbst befriedige, kommt danach dieses komische Gefühl der Leerheit, obwohl ich es höchstens dreimal im Monat mache. Das nervt mich. Ich weiss unterdessen, dass meine Lust gut und normal ist, aber die Leerheit danach und das schlechte Gewissen vor Gott machen mich manchmal fertig. Wie komme ich davon los?

Mireille, 25 Jahre


Liebe Mireille

Jeder Form der Lustbefriedigung, sei es Alkohol, Süssigkeiten, Essen, Sport, Faulenzen, Fernsehen, Social Media und eben auch Sex oder Selbstbefriedigung, kann zum Problem werden. Das heisst, zum Problem wird sie dann, wenn sie masslos und zu einem unkontrollierbaren Drang wird, der mich andere Pflichten vernachlässigen lässt, mir schadet oder ich den Konsum immer mehr steigern muss, um noch Befriedigung zu spüren. Dass es dazu kommt, hängt zum einen damit zusammen, dass alle diese Dinge uns, beziehungsweise das Hirn und den Körper, glücklich machen. Verliebtheit, Liebe und Orgasmen aktivieren denselben Hirnmechanismus des Wünschens (Belohnungssystem im Hirn) wie Alkohol, Nikotin, Kokain und Heroin. Egal aus welcher Lustquelle, auf dem Gipfel der Lust schüttet der Körper eine Menge Dopamin aus, welches uns in einen Rausch der Euphorie versetzt. Und dieser Rausch kann uns abhängig machen.

Ein Mensch wird dabei nicht von der „Droge“ oder Handlung abhängig, sondern von dem Gefühls-, Erlebnis- oder Bewusstseinszustand, der Euphorie, die dadurch hervorgerufen wird. Die Entstehung einer Abhängigkeit ist eine schleichende, individuell verlaufende Entwicklung, die bestimmte Voraussetzungen braucht, und die Gründe dafür sind vielschichtig. Lange nicht jeder Mensch wird „süchtig“ nach dieser Euphorie, sondern der in sich ruhende Mensch geniesst und wird dadurch in seinen Bedürfnissen gestillt.

Einige persönliche Faktoren begünstigen eine dranghafte Entwicklung. Einsamkeit, unerfüllte Sehnsüchte, Selbstzweifel, Ablehnungserfahrungen, soziale oder moralische Konflikte fördern die Abhängigkeit, aber auch mangelnde Konfliktfähigkeit, instabiles Selbstwertgefühl, Störungen in der Beziehungsfähigkeit, geringe Frustrationstoleranz. Alles Einflussfaktoren, die besonders in der Pubertät die Gefühlswelt in Aufruhr versetzen und nach einer möglichen Beruhigungsquelle suchen lassen.

Dass Dich Deine Selbstbefriedigung in der Pubertät zu beunruhigen begann, könnte einfach darauf hinweisen, dass Dir die Häufigkeit der Selbstbefriedigung nicht mehr behagte. Denn eine Situation sollten wir dann ändern, wenn uns nicht mehr wohl ist damit. Wir beispielsweise das Gefühl haben, dass unser Verhalten uns nicht gut tut und es uns kein erfülltes Leben ermöglicht. Dir einen Weg mit Gott zu suchen, davon wieder loszukommen, war eine sinnvolle Problemlösungsstrategie. Daraus zu schliessen, Selbstbefriedigung an sich sei nicht gottgewollt, ist eine Frage der Interpretation. Und diese wiederum eine Frage des Wissens und der Kenntnisse, welche Dir wohl gefehlt haben.

Genauso ist die Frage nach der Leere eine der Interpretation. Die Nach-Orgasmus-Phase ist ein sehr sensibler Moment. Die Franzosen nennen den Orgasmus „la petite mort“ – der kleine Tod. Und einige Menschen beschreiben die damit verbundenen Gefühle als „komische innere Leere“. Menschen, die Selbstbefriedigung ablehnen, werden sagen, die Leere kommt von der Selbstbefriedigung. Ich würde Dir sagen, durch die Selbstbefriedigung kommst Du in einen hochsensiblen körperlichen und geistigen Zustand, in dem Dir Deine tiefsten Sehnsüchte ganz besonders bewusst werden und auch der Wunsch nach einem liebenden Gegenüber. Denn Sexualität bedeutet immer auch ein Stück weit, loszulassen, die Kontrolle zu verlieren, ungeschützt zu sein.

Das schlechte Gewissen in Bezug auf Gott ist eine Frage der Kondition, geprägt durch das, was man Dir zu Sexualität vermittelt oder eben auch nicht vermittelt hat und Deiner eigenen Schlussfolgerungen daraus. Wenn Du Dir erlauben kannst, die Selbststimulation zu geniessen, wird sich Dein Denken dazu verändern. Dann werden Du und Dein Körper lernen, dass gut ist, was sich gut anfühlt. Und somit sind wir wieder beim Drang angelangt. Dranghaftes Verhalten entwickelt sich vor allem dort, wo Menschen wenig Zugang zu ihrem Körper haben. Weil sie dadurch nicht lernen, den eigenen Körper zu genießen und auf diese Weise ihre sexuellen Sehnsüchte zu stillen.

Ich habe in der Beratung Menschen kennengelernt, deren Selbstbefriedigung eine unkontrollierbare Dimension angenommen hatte, weshalb sie erst einmal komplett damit aufhören wollten. Einige müssen vielleicht erst einmal ganz damit aufhören, andere aber gerade nicht, weil sie es dann besser schaffen, in einen Genussmodus hinein zu kommen. Ein sexueller Drang ist immer bestimmt durch einen Automatismus. Aus diesem müssen Menschen herauskommen in eine bewusste Handlung. Dafür müssen sie lernen, bewusst zu spüren und in die Langsamkeit hineinzukommen. Sie müssen lernen, ihr Genital zu explorieren, das heißt zu erkunden, statt es mechanisch und dranghaft zu stimulieren. Selbststimulation bewusst zu genießen, bringt viel eher einen selbstbestimmten Genuss und hilft besser, von einem unkontrollierbaren Drang wegzukommen. Erst wenn ich die Freiheit habe, etwas zu tun, habe ich auch die Freiheit, es zu lassen.

Liebe Mireille, ich hoffe, diese „Abhandlung“ hilft Dir, für Dich einen selbstbestimmten Weg mit dem ganzen Thema Selbstbefriedigung zu finden.

Herzliche - Veronika

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March 3, 2017

Martin Luther befreit den Sex und die Frau

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Ehesex, Ehe, Gleichberechtigung, Gott, keusch, Scheidung + Wiederheirat, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, Zusammenleben, 2017


bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

Die Reformation hat die kirchliche Sexualethik verändert. Wenn auch sofort nur unmittelbar für die Frauen der Reformation und anhaltend erst mit den Jahrhunderten. Ohne die Reformation wären die Aufklärung, die Religionskritik und die veränderte Stellung von Frau und Sexualität nicht möglich geworden. Indem die "reformierten" Priester, angeregt durch Martin Luther, und schliesslich auch er selbst, Frauen ehelichten, war die reine Männerherrschaft der Kirche gebrochen. Noch konnte niemand ahnen, was das verändern würde. In Zürich heiratete Zwingli seine Anna Reinhart erstmal heimlich: "Wohl auch, weil er eine zentrale Figur der Reformation war und in Zürich nicht allzu schnell alles auf den Kopf stellen wollte." (Rebecca A. Giselbrecht - Buch "Hör nicht auf zu singen") Eine heimliche Heirat war eine Abmachung zwischen einem Mann und einer Frau und brauchte keine Zeugen und Rituale. Zwingli und Reinhart zogen zusammen. Zwei Jahre später, bei der offiziellen kirchlichen Trauung, war Anna hochschwanger.


Luther, der sexuelle Rebell, lernt aus der Natur und der Wissenschaft

Luther stellt sich gegen die Verleugnung und Unterdrückung der Sexualität durch die Kirche. Befriedigende Sexualität zwischen den Eheleuten ist für Luther ein wesentliches Fundament der Beziehung. Liebe und Lust gehören für ihn zusammen. Ein wichtiger Umstand spricht Luther zufolge dafür, dass die eheliche Sexualität gottgefällig ist: wegen der Unvermeidbarkeit und Unausweichlichkeit sexueller Erregung (Erregungsreflex) und dem Wunsch nach ihrer Befriedigung. Er erklärt „Fleisch und Blut“ vollumfänglich zum guten Teil der Schöpfung. Damit stellt er sich gegen die Lehren der Kirchenväter, die behaupteten, Sexualität oder zumindest die sexuelle Lust seien erst nach dem Fall Adams und Evas in die Welt gekommen. Doch Luther betont im „Grossen Katechismus“, die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche seien bereits vor dem Sündenfall von Gott „eingepflanzt“ worden.

Deshalb bedeutet das Zölibat für Luther Zwang und Knechtschaft. Er nennt das Gelöbnis der Ehelosigkeit „Teufelswerk“. Das Zölibat sei mit der geforderten Freiheit des Christenmenschen unvereinbar. Er sieht es als vermessen, gottlos und unsinnig an, Keuschheit durch Gelübde zu versprechen. Bei all seinen Begründungen zieht Luther Kenntnisse der zeitgenössischen Naturwissenschaften bei, um seine exegetischen Aussagen anthropologisch zu erhärten. Luther liest im „Buch der Natur“, um die Richtigkeit seiner persönlichen Auslegung des Buches der Bücher plausibler zu machen. Luther hält es für seine Pflicht, mit jungen Menschen offen über sexuelle Dinge zu sprechen und auch heikle Ehefragen zu erörtern. Er will nicht durch Schweigen einer ungesunden Geschlechtsauffassung und falscher Schamhaftigkeit Vorschub leisten. Auch will Luther den Sex unter denen, die sich einander versprochen haben, nicht als Hurerei bezeichnet wissen. Denn er erhalte damit einen gewissen Grad an Legitimität. Dass die protestantischen Sittengerichte später eine besonders nachhaltige Verfolgung vorehelichen Beischlafs propagierten, kann demnach mit Sicherheit nicht auf Martin Luther zurückgeführt werden.

Luther erkennt gewisse physiologische Gesetzmässigkeiten, nämlich, dass die Kraft der Triebe in den Geschlechtern wirksam sei und sie zueinander treibe. „Wenn dies Gottes Ordnung ist, und wenn etwa ein Mädchen des Mannes ebenso wenig entbehren kann wie des Essens, Trinkens oder Schlafens, so ist es doch frevelhaft, sich dieser göttlichen Ordnung zu wiedersetzen.“ Durch ehelichen Verkehr könne Gott auch nicht dann beleidigt werden, wenn er an einem Sonntag stattfinde. Solche heute „humorvoll" anmutende Nebenbemerkungen haben ihren Ursprung natürlich darin, dass er anders lautende Auffassungen damit an den Pranger stellt. Er geisselt jene Vertreter, indem er ihnen entgegenwirft, dass sie gottlose Heuchler und Werkheilige seien, die glaubten, Gottes Gnade durch unreine und stinkende Werke erkaufen zu können. Zum Beispiel durch Wallfahren, Fasten, nächtliches Wachbleiben und zeitlich beschränkte sexuelle Enthaltsamkeit.

Lust ist ein Recht - Unlust ein Scheidungsgrund

Für Luther war die Sexualität in der Ehe auch nicht einfach an die Vermehrung geknüpft. Sie sollte aus wechselseitiger Lustverschaffung der Ehepartner bestehen. Luther hat durchaus nicht nur die Lust des Mannes in Blick sondern vor allem auch die Befriedigung der Frau. Für ihn ist die Lust der Frau dermassen entscheidend, dass er im Falle von Impotenz argumentiert,  falls der betroffene Mann keinerlei andere Praktiken der Lustverschaffung anwende, könne die Frau sich scheiden lassen. Vor allem, wenn der Frau dieser Zustand zuvor verschwiegen worden war. Wenn der Ehemann hingegen trotz Impotenz der Frau Lust verschaffen könne, sei er „ein rechter Ehemann“. Hingegen könne ein Mann seine Frau sexuell nicht befriedigen, solle er ihr die Erlaubnis geben, „in der Fremde“ einen Liebhaber zu nehmen, oder sie könne eine heimliche Ehe führen.

Neben der verunmöglichten Zeugung und Lustbefriedigung, der sexuellen Unlust eines Ehepartners oder Verweigerung der  (materiellen) Versorgung der eigenen Familien, ist für Luther vor allem Fremdgehen ein möglicher Grund für eine Scheidung. Wobei er zuerst rät, Versöhnung anzustreben. Luther geht mit einmaligem Fremdgehen moderat ins Gericht und hält in diesem Fall Vergebung für gerechtfertigt, weil es „mit uns allen gar leicht geschehen kann, dass wir fallen.“ Doch dürfe keiner der Ehepartner zur Vergebung gezwungen werden, wenn er es nicht will oder er es aus Ekel nicht tun könne. Oder Vergebung missbraucht würde, um erneut zu betrügen.

Auch in heftigen Streitfällen rät er zur Versöhnung. Doch sei die Differenz zwischen den Eheleuten zu gross, seien Eheleute derart in Streit geraten, dass sie ihr Zusammensein nicht länger ertragen könnten und jegliche Versöhnung ausgeschlossen sei, sollten „sie besser von einander den bey einander“ sein, solle die Ehe geschieden werden. Dabei spricht er auch davon, dass Bosheit und Streit zwischen den Ehepartnern nicht nur physisch, sondern auch seelisch brutal zu verletzen vermag.

Ehe hat ein Gütesiegel

Nach Luther sollte eine Ehe nach ihrer Qualität betrachtet und beurteilt werden. Nämlich, ob die Eheleute einander in „wahrer“ Liebe zugetan seien oder nicht. Dazu gehöre „Lust, Liebe und Freude“. Er formuliert auch einen Anspruch an den Durchhaltewillen: Derjenige, der darum wisse, dass Gott wolle, dass Menschen im Ehestand leben, Kinder hervorbringen und aufziehen, der habe selbst ein Wohlgefallen an diesem Stand trotz seiner Mühen.

Denn auch Luther bemerkte, dass nach einigen Ehejahren die Liebe und Sexualität an Kraft verliert: „Die Welt spricht von der Ehe: Eine kurze Freud und lange Unlust. Aber lass sie sprechen.“ Luther gibt zu bedenken, wer Gottes Wirken in der Ehe erkenne, der habe Lust, Liebe und Freude in der Ehe ohne Unterlass. Und zitiert Salomo: „Wer ein Weib findet, der findet was Gutes.“ Und plädiert für ein regelmässiges Sexleben: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Die „Luther-Regel“ entspricht laut Umfragen bis heute einer weltweiten durchschnittlichen Gewohnheit.

Wer also an der Liebe zweifelt, zweifelt nach Luther auch an der Macht Gottes.  Der Mensch habe selbst schuld, wenn er keine Liebe zu seinem Partner spüre. Dann sei sein Glaube zu schwach, weshalb er die Liebe nicht erkenne. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten (Gemeinschaft, Kinder und Ehefrau) ist nach Luther die „wahre“ Liebe. Luther betont den hohen Wert eines harmonischen Zusammenlebens und einer liebevollen Gattenbeziehung vor Gott. Diese Liebe denke gegenüber dem anderen nur das Beste und sei nicht argwöhnisch.

Ehe, Scheidung, Wiederheirat, sexuelle Verantwortung

An Luthers Ausführungen über Ehe, Scheidung und Wiederheirat ist vor allem bemerkenswert, dass Luther darauf verweist, „die Ordnung der Ehe als eines 'Weltlichen Dings' sei allein eine staatliche Aufgabe. Grundsätzlich obliege die Angelegenheit der Ehe wie der Ehescheidung der weltlichen Obrigkeit, ihrer Gesetzgebung und Rechtsprechung. Luther macht deutlich, dass die Regelung des Ehestandes nicht in den Bereich der Kirchenordnung fällt und schon gar nicht „zur Seligkeit“ nötig sei. Die Kirche hätte dagegen die Aufgabe, die Eheschliessung und die Ehe zu segnen.

Luther betont, es existiere kein kirchliches Lehrgebäude mehr, das dem Gläubigen die Entscheidungen um die richtigen Vorgehensweisen beim Sex abnehmen könne. Er trage nunmehr auch in Fragen der Sexualität die Verantwortung vor Gott allein. Der richtige Umgang mit dem Sex wird damit zu einer individuellen Gewissensentscheidung. Luther formuliert keine konkrete Verhaltensanweisungen zum Sex und spart Aussagen zum vorehelichen Sex aus. Das Wesentliche ist die Liebe zu Gott, das rechte Verhalten wird sich aus ihr ergeben. Damit wird es auch überflüssig, der Gemeinde die genaue Gestalt der Sünden zu erläutern. Das Sprechen von intimen Vorgängen im Ehebett ist für Luther überflüssig geworden, weil jede sexuelle Handlung in der Ehe unter dem besonderen Schutz steht, den Gott dieser Lebensform angedeihen lässt.

Luthers Schriftauslegung sieht keine wortwörtliche Wahrheitsaussagen und Handlungsanleitungen der Bibeltexte vor. Nach Luther dient der biblische Wortlaut vielmehr dazu, die „Sache“ des Evangeliums zu vermitteln. „Sache“ des Evangeliums ist nach Luther die Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist.  Diese Liebe Gottes ist Grund des Glaubens.

So ging es weiter in der Geschichte der Sexualität

Luthers Gedankengänge auf den Punkt gebracht, wäre der eheliche Sex „göttlich“, „selig“ und „heilig“. Selbst hat er das nie so gesagt, doch diese Haltung wurde zum Repertoire der protestantischen Kanzelrhetorik. Der eheliche Sex selbst wird zum Dienst an Gott. In der Folge nimmt danach das „Loblied“ auf den Sex zuweilen hymnische Züge an…

Daneben hat sich die „problemorientierte“ Sprache der „alten“ Kirche zu Sexualität auch in der protestantischen Seelsorge und der Predigtliteratur fortgeführt. Aufklärende Schriften werden für Heranwachsende als untauglich abgelehnt. Das Seelenheil sollte nicht mit üppigem Schmuck und modischer Kleidung aufs Spiel gesetzt werden. Böse Gesellschaften, unzüchtige „Örter“, Hurengelage, Vollsaufen, Nachtgetanze und böses Geschwätz sollten nach Möglichkeit gemieden werden.

Bei allem Fortschritt durch Luther bleiben bis in die Neuzeit die überkommenen Anschauungen über die Sexualität weitgehend bestehen. Auch gilt alle Aufmerksamkeit nach wie vor mehr den vorehelichen Verfehlungen als den ehelichen. Dass „Lust & Liebe“ zu einer Ehe dazugehören, hat die christliche Sexual- und Ehelehre lange nicht vertreten, finden sich keine Ausführungen, die eine emotionale Bindung mittels der Lust für Eheleute als wünschenswert darstellen. Im Gegenteil sieht man darin schon gefährliche Vorstufen der tödlichen Fallstricke des Fleisches. Die Sprache und die inhaltlichen Botschaften der moralischen Eiferer haben sich hüben und drüben und durch die Zeiten hindurch letztlich nicht verändert.


Quellen:

Zweiter Sammelband über Zinzendorf,  von Erich Beyreuther, Gerhard Meyer, Georg Olms Verlag Hildesheim . New York, Internetauszug

Unkeuschheit und Werk der Liebe: Diskurse über Sexualität am Beginn der Neuzeit in Deutschland, von Tilmann Walter de Gruyter, Kapitel "Die Theologie und die Sexualität", Internetauszug

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January 20, 2017

Starke Frauen - starke Männer

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, Gleichberechtigung, Gott, Liebe, Partnerwahl, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Zusammenleben, 2017


luthers.ipg
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Martin Luthers Frau als Vorbild für eine starke Frau

«Neben jeder starken unabhängigen christlichen Frau steht ein starker unabhängiger Mann, der diese Tatsache aushält und begrüsst. Das hat ganz eigentlich mit befreiter Sexualität zu tun. Katharina von Bora und Martin Luther lassen grüssen.»

Vor 500 Jahren hatten Luther, Zwingli und Co. den Mut, Glaubenssätze und Traditionen, die von der Kirche als einzige Wahrheit verkauft wurden, zu hinterfragen. Nach wie vor sind die Kirchen reformbedürftig. Livenet bringt daher Thesen zur Inspiration. Heute meldet sich die Sexologin, Beraterin und Autorin Veronika Schmidt zu Wort.

Sex, Rollenbilder und Gleichstellung haben einen direkten Zusammenhang. Vor allem für die Frau ist befreite Sexualität entscheidend für ihre ganzheitliche Entwicklung. Wer's nicht glaubt, schaue über den Tellerrand in andere Teile der Welt um festzustellen, wie das Leben von Frauen ohne sexuelle Selbstbestimmung aussieht. Sie haben weder Bildung noch Entwicklungschancen. Eine sexuell freie Frau hingegen ist in ihrer Persönlichkeit, ihrer Partnerschaft und Gesellschaft frei.

Katharina – selbstbewusst und unkonventionell

Solche Paarvorbilder brauchen wir. Eines davon finden wir 500 Jahre zurück in Katharina von Bora und Martin Luther. Luther heiratet Katharina, «um den Teufel zu ärgern». Sie war eine starke Persönlichkeit und das Paar Luther zwei sich liebende Hitzköpfe, die sich zeitlebens respektierten und herausforderten. Die beiden führten eine beispielhafte Ehe auf Augenhöhe und lebten eine von Gnade, Freude und Humor erfüllte Partnerschaft. Eleonore Dehnerdt* schreibt, dass dies vor allem Katharinas «unbeugsamem Selbstbewusstsein» zu verdanken war.

Martinus war nicht Katharinas erste Wahl. Aber nachdem sie ihre grosse Liebe nicht heiraten durfte, entschied sie sich für den Mann, der ihr die besten Entwicklungsmöglichkeiten bot. Das war eine kluge Wahl. Katharina war gebildet, konnte lesen, schreiben und beherrschte Latein. Sie kam aus der Klosterwelt, in der sie als Frau kein «minderwertiger» Mensch war, wie es das damalige Gesetz behauptete. Sie lebte selbstständig, zielsicher, fackelte nicht lange, bevor sie etwas tat und hielt sich auch nicht an Konventionen.

Sexualität als Grundlage von Erfolg

Wo sind heute die selbstbewussten Katharinas? Seit Jahren werden Frauen an Frauenanlässen ermutigt, sich toll, wunderbar und liebenswert zu finden. Doch wann endlich kommt die Botschaft: «So, jetzt wissen wir alle, wie wunderbar wir sind. Jetzt brechen wir auf zu grossen Taten und erobern uns die Welt.» Ich behaupte, diese Botschaft kommt nicht, weil Sex an Frauenveranstaltungen kein Thema ist. Nicht mal ein Hauch davon. Doch aus sexueller Selbstsicherheit und der daraus entspringenden Selbstbestimmung kommt weltverändernde Kraft. Das sah wohl auch Luther so. Er war ein sexueller Rebell. Betonte die ungezähmte Natur der Sexualität als ein natürliches Bedürfnis. Nicht nur in Bezug auf die Lust des Mannes, sondern vor allem auch auf die Befriedigung der Frau.

Das Ehepaar Luther definierte für sich ein unübliches Rollenbild. Katharina redete mit, brachte sich ein, praktisch und intellektuell. Sie war äusserst erfolgreich und sicherte das wirtschaftliche Überleben aller, die im Hause Luther ein- und ausgingen: Kindern, Studenten, Gelehrten, Fürsten. Luther gab sein altes Frauenbild unter Katharinas Gegenwind bald fröhlich und erleichtert auf. Das sollte uns heute Vorbild sein. Die veränderten gesellschaftlichen Beziehungen der Geschlechter bewegen einiges, auch in der christlichen Lebenswelt. Dass manchmal Männer sich nicht aktiv entwickeln in eine veränderte Gesellschaft hinein, daran ist nicht die Entwicklung der Frau schuld, sondern dass Männer sich nicht damit auseinandersetzen, wer sie sind und sein möchten. Viele Männer verabschieden sich gerne vom patriarchal-religiösen Rollenverständnis und teilen erleichtert die Verantwortung. Nicht mehr Richtig oder Falsch sollten die Rollenfrage, Familienarbeit und Erwerbstätigkeit bestimmen, sondern allein die persönliche Situation und die spezifischen Talente des Paares. 

*Eleonore Dehnerdt: «Katharina – Die starke Frau an Luthers Seite». 2015. Brunnen Verlag Giessen

These erschienen auf Livenet am 14. Januar 2017

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October 21, 2016

Warum sind manche geistlichen Leiter so körperfeindlich?

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, falsche Scham, Gott, Grenzen setzen, Konflikte, Selbstgefühl & Selbstwert, Sexueller Missbrauch, Sünde, 2016


körperfeindlich.ipg
körperfeindlich.ipg

Hoi Veronika
Eine Frage beschäftigt mich schon länger. Warum denkst Du, sind manche Christen, vor allem Leiter, so körperfeindlich?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese die „sündigen Laster des Körpers“ als ganz besonders schlimm taxieren. Für mich hatte es zur Folge, dass ich meinte, mich selbst kreuzigen zu müssen und mich unglaublich anstrengte, jede sexuelle Regung aus mir rauszureissen. Die Folge war, dass ich meinen Körper zu hassen begann. Ich erlebte Rechenschaftstreffen, in denen  Körperteile freigebetet wurden, oft mit entwürdigenden Methoden.

Was mich zudem nachdenklich macht ist, dass viele christliche Leitende/Seelsorgende schlecht mit Menschen mit Missbrauchsgeschichten, Pornographie oder Scheidung umgehen können. Sie reagieren oft hart und lieblos, und so kommt aufs körperliche Trauma des Ratsuchenden auch noch ein geistliches dazu.

Ich würde mir so wünschen, dass wir Christen mehr Mut zu Seele, Geist und Körper hätten. Liebe Grüsse - Ursina, 36 Jahre


Liebe Ursina

Das ist eine gute Frage – weshalb wir auf Sex-Sünden stärker reagieren als auf andere.  Ich denke, es hat damit zu tun, dass jeder Mensch bei einer sexuellen Fragestellung unmittelbar mit sich selbst konfrontiert ist. Konfrontiert mit seinen eigenen Regungen, Sehnsüchten und seinen Kämpfen damit. Jeder der „fällt“, spiegelt mir, dass mir das auch passieren könnte. Weil ich eben Sexualität nicht aus mir „rausreissen“ kann, wie Du es ausdrückst.

Und natürlich ahnst Du ja schon, dass das Problem die unterschiedliche Wertschätzung von Geist, Seele und Körper ist. Viele Christen  haben immer noch das Bild: Geist gut - Seele problematisch - Körper geht gar nicht. Die Seele ist zu labil, nicht konform in den Reaktionen, der Körper geht nicht, weil Sitz der Geschlechtlichkeit und nicht zu kontrollieren. Aus Sicht des Geistes gesehen, sind seelische und körperliche Bedrüfnisse viel zu banal. Dieses unterschiedlich wertende Denken sehe ich nicht in der Bibel. Und schon gar nicht in der Schöpfung des Körpers, welche eine Körper-Hirn-Einheit ist, die im besten Fall perfekt wechselseitig aufeinander einwirkt. Werten wir Körper und Seele ab, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir beginnen diese zu hassen, mit gravierenden Folgen für unser Selbstgefühl.

Das Bedürfnis nach Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Wir haben primäre Bedürfnisse wie die nach Luft, Wasser, Nahrung, Schlafen, nach körperlichem Schutz, nach Abwesenheit von Furcht und eben nach geschlechtlicher Befriedigung. Und darüber hinaus auch psychosoziale Bedürfnisse wie die nach Liebe, Geborgenheit, neuen Erfahrungen, Lob, Anerkennung und nach Verantwortung. Alle diese Bedürfnisse betreffen uns ganzheitlich, also Geist, Seele und Körper.

Der Wunsch, die menschlichen Grundbedürfnisse asketisch zu kontrollieren, finden wir in allen Kulturen. Asketen und Körperfeinde, und das sind durchaus Frauen wie Männer, versuchen mit Hilfe des Geistes diese Grundbedürfnisse möglichst klein zu halten oder gar auszurotten. Damit einher geht oft der zwanghafte Impuls, diese Regungen auch beim anderen unterdrücken zu wollen. Leiter sind vermutlich nur mehr in dieser Gefahr, weil sie sich für die Gemeinschaft verantwortlich fühlen.

Der sexuelle Sündenfall des anderen gibt uns die perfekte Gelegenheit, alle eigenen sexuellen Nöte und Frustrationen auf ihn zu projizieren. Ich fühle mich schlecht mit meiner eigenen Sexualität, nicht rein, nicht geistlich genug, vielleicht habe ich sexuell gesündigt, ich kämpfe stark mit meinen sexuellen Bedürfnissen oder habe diesen Kampf unter viel Mühen endlich geschafft. Und nun steht da eine Person, die ist gescheitert und zwar offensichtlich für alle. Ich kann problemlos meinen eigenen Frust auf ihr abladen. 

Diese Regung der Projektion entlarvt Jesus eindrücklich in der Begegnung mit den Schriftgelehrten, Pharisäern und der Ehebrecherin in Johannes 8,2-11. Hier wird eine Konfrontation mit Jesus beschrieben zu der Frage, ob eine Frau die soeben beim Ehebruch erwischt wurde, gesteinigt werden muss. Die Wendung „den ersten Stein werfen“ aus Vers 7 dieser Begebenheit ist als geflügeltes Wort zur Beschreibung selbstgerechten Verhaltens in viele Sprachen eingegangen. Jörg Zink drückt es in seinem Buch WAS BLEIBT, STIFTEN DIE LIEBENDEN unverblümt so aus: "Die Ehebrecherin ist sozusagen das Lasttier, auf das der Neid, die Geilheit, die Lüsternheit der anderen gepackt werden. Sie hat alles zu tragen, was in den Gerechten rumort, nach oben drängt und sogar dann und wann ausbricht." Jesus sagt den selbstgerechten, verurteilenden und ihre eigenen sexuellen Stolpersteine auf die Frau projizierenden Pharisäern und Schriftgelehrten: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Die Umstehenden liessen einen nach dem anderen ihre Steine (Projektionen) fallen und gingen weg. 

Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich ohne Übertreibung festhalten: Die grössten Moralapostel haben oder hatten am meisten Dreck am Stecken. Ihr Kampf gegen die sexuellen Regungen ist ihr eigener Kampf um sexuelle Reinheit. Das viele Ratgebende nicht sinnvoll mit Ratsuchenden umgehen können, ist für mich neben derer eigener Befangenheit mangelnde Kompetenz und Unwissen. Gerade wenn es um die Sexualität geht, ist die Christenheit schlicht und einfach sprachlos, sprich sprachunfähig. Dieser Mangel liesse sich aber beheben, wenn man denn wollte.

Dass Unwissen oder einseitiger Glaube im schlimmsten Fall auch zu absurden exorzistischen Ritualen führen kann, wie du antönst, ist für mich eindeutig sektiererischer und grober geistlicher Missbrauch. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns nicht von geistlichen Autoritäten abhängig machen. Wir sollten vor allem von Gott abhängig sein und selbst um unseren Glauben, unser Wissen und unsere Aufklärung bemüht sein. Paulus sagt im 1. Thess. 5, 21:  „Prüft aber alles, das Gute haltet fest!“ Halte ich mich in einer geistlichen Gemeinschaft auf, wo das was da abläuft, für mich nicht gut anfühlt, sollte ich unbedingt den Mut haben, mich zu lösen und zu gehen.

Diese Freiheit, liebe Ursina, wünsche ich uns allen zu jeder Zeit. Herzlich - Veronika


weiterer Blog zum Thema: DER MYTHOS SEXUALTRIEB UND SEINE DÄMONISIERUNG

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© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.