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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

December 19, 2019

DAS GEPRÜGELTE JESUSKIND

by Veronika Schmidt in Bibel, Christliche Lebenswelt, falsche Scham, Gott, Pädagogik, Sexualethik, Körperstrafe, Christliche Erziehung, Beschämung, 2019


max ernst - maria züchtigt das jesuskind (1926)

max ernst - maria züchtigt das jesuskind (1926)

max ernst - maria züchtigt das jesuskind (1926)

max ernst - maria züchtigt das jesuskind (1926)

Amen, ich sage euch: Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Amen, ich sage euch: Was ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.

nach Matthäus 25, 40+45 - Zürcher Bibel


Liebe Veronika

Ich schreibe Dir, weil mich interessiert, was Du über alte Erziehungsnormen denkst. Vielleicht wundert es Dich, dass ein über siebzigjähriger Mann noch nicht darüber hinweg ist.

Folgendes ist geschehen. Ich suchte diese Woche nach einem Bild vom Maler Max Hunziker. Er malte einige Kirchenfenster in der Schweiz und auch sonst eindrückliche Bilder. Nun stolperte ich rein zufällig über das Bild «Familienszene». Max Hunziker war der jüngste von 12 Kindern und hat wahrscheinlich solche Szenen öfters erlebt zu seiner Zeit.

max hunziker (1901 - 1976) - familienszene

max hunziker (1901 - 1976) - familienszene

Jedenfalls löste das Bild bei mir eine starke Gefühlswallung aus. Meine Gefühle gingen buchstäblich in die Hosen. Scham und sexuelle Erregung überfielen mich unwillkürlich. Es war ein mir zu bekanntes Bild. Ich fühlte mich wie auf Glatteis. Auf unserem Bauernhof stand eine grosse Birke welche immer wieder neue Ruten lieferte, die wir irgendwann auf dem nackten Po zu spüren bekamen. Die frommen Eltern glaubten, den Sprüchen Salomos wörtlich folgen zu müssen. Oft war es eigentlich einfach ein ungezügelter Zorn, den sie an uns ausliessen.

Der Schmerz war jeweils heftig, aber er dauerte wenigstens nicht allzu lange an. Die Scham dagegen blieb ein ganzes Leben und meldete sich, sobald irgendein Anlass die Erinnerung wachrief. Das Erlebte überlagerte sogar den Sexualverkehr mit meiner Frau. Wenn ich manchmal nicht zum Orgasmus kam, brauchte ich nur an den damaligen Schmerz auf dem Po zu denken. Ich empfand mich in der Folge dann als abartig. Man spricht über so etwas nicht gern mit seiner Frau. Man legt das schambeladene Problem auch kaum einem Seelsorger vor. Auf Papier lässt es sich besser ausdrücken.

Angesichts meiner Jugenderinnerungen verwundert es mich nicht, dass einige Staaten regulierend per Gesetz Prügeln verbieten. Eltern mit Gewaltproblemen müssten unbedingt Hilfe suchen, welche heute auch angeboten wird. Es würde mich freuen, wenn ich Deine Gedanken dazu erfahren kann.
Grüsse - William


Lieber William

Mir ist das Herz gestockt beim Lesen Deiner Zeilen. Ich weiss um das Leid vieler Menschen, die in der Kindheit geschlagen wurden und um die Auswirkungen auf deren Sexualität. Leider viel zu lange wurde die Prügelstrafe als “Erziehungsmethode” biblisch gerechtfertigt. Und wie Du richtig erkannt hast, vor allem um eigene Wut, Jähzorn, Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Ohnmacht zu legitimieren. Erziehungsversagen biblisch begründet in Familien und Heimen über Jahrhunderte. Erhellende Zeitdokumente dazu sind Filme wie DAS WEISSE BAND, DER VERDINGBUB oder auch DIE UNBARMHERZIGEN SCHWESTERN. Und nein - die Prügelstrafe ist leider noch immer nicht verbannt aus dem christlichen Erziehungswerkzeugkoffer und auch nicht die Beschämung. Da hilft es nicht, auf die schlagende Kochkelle “Jesus liebt Dich” draufzuschreiben. Denn mit Jesus können wir die Schläge definitiv nicht rechtfertigen.

Gerade Gewalt und Sexualität können sich in einer unheilvollen Kombination verbinden. In der Lust zu quälen und folglich auch in der Lust, gequält zu werden. Dass sich deshalb Schmerz und Lust in der Sexualität von Geschlagenen verbinden können, ist nur logisch. Gewaltfantasien, Machtansprüche und sexuelle Lust als Motivation zum Quälen verbinden sich in der Wortschöpfung “Machtgelüste”. Sexualverbrechen sind einerseits oft nicht durch sexuelle Bedürfnisse motiviert, sondern durch Dominanz- und Unterwerfungsfantasien. Am deutlichsten belegt durch Kriegsvergewaltigungen. Doch andererseits wird durch körperliche Gewaltanwendung ebenso sexuelle Lustbefriedigung gewonnen. Sexuelle Befriedigung, gestillt aus der Lust, zu beherrschen und Schmerz zuzufügen. Forschen wir noch weiter in den Tiefen der Seele der Menschen, kann man schliesslich sogar die steile Behauptung aufstellen, dass sich die Körperstrafen in religiösen (christlichen) Lebenswelten vor allem da hartnäckig halten, wo die eigenen sexuellen Bedürfnisse und überhaupt die Sexualität nach wie vor unterdrückt und tabuisiert werden.

Die Häufigkeit von Körperstrafen generell sowie im Zusammenhang von Religiosität belegen sowohl eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) von 2017, eine von 2019 der Universität Freiburg zum «Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz», als auch das kürzlich erschienene Buch vom deutschen Kriminologen Christian Pfeiffer mit dem Titel GEGEN DIE GEWALT: WARUM LIEBE UND GERECHTIGKEIT UNSERE BESTEN WAFFEN SIND. Betroffen sind vor allem Kinder aus prekären (unstabilen) Verhältnissen, aus Familien mit Migrationshintergrund und aus religiösen Familien. Pfeiffer sagt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu Religion und Gewaltbereitschaft: “Je gläubiger die Eltern, desto mehr schlagen sie zu.”

Der Buchtitel von Pfeiffer sollte uns Christen zu denken geben. Liebe und Gerechtigkeit sind die Säulen des Evangeliums. Wie konnten wir zulassen, dass aus Gottes Frohbotschaft eine Drohbotschaft wurde?! Speziell in der Kindererziehung und der Sexualerziehung. Weshalb lassen wir uns in diesen Bereichen nichts sagen? Gerade Pädagogik und sexuelle Entwicklung sind sehr gut erforscht. Wir können heute wissen, was guttut und was nicht. Wir können in der Erziehung von Kindern ebenso Schlechtes tun und Gutes unterlassen, wie Gutes tun und Schlechtes unterlassen. Es gibt Tatsünden und Unterlassungssünden. Die eingangs zitierten Worte von Jesus ernst genommen, bedeuten nichts weniger, als dass wir Ihn schlagen, wenn wir unsere Kinder schlagen. In seinem Urteil darüber ist Jesus ziemlich drastisch: Wer einen dieser Geringen, die glauben, zu Fall bringt, für den wäre es weit besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde. Markus 9, 42

In regelmässigen Abständen geraten Christen wegen ihrer Auffassung zur Körperstrafe in die Kritik, entweder weil sie sie anwenden oder sich nicht explizit davon distanzieren mögen. Besonders in der Kritik stehen auch entsprechende Elternratgeber. So in der Schweiz 2013, als die Infosekta eine Studie erstellte zum Erziehungsverständnis in evangelikalen Erziehungsratgebern und -kursen. Ich war damals neben meiner Beratungstätigkeit immer noch mit in der Leitungsverantwortung der Sozialpädagogischen Stiftung, die mein Mann führt. In dieser Funktion verfasste ich mehrere pädagogische Konzepte. Wir nahmen damals die Studie der Infosekta zum Anlass, die Ergebnisse auszuwerten, zusammenzufassen, in den Zusammenhang mit Aussagen zu unterschiedlichem Bibelverständnis und christlicher Erziehung zu bringen und mit der Mitarbeiterschaft zu diskutieren. Es entstand ein Essay mit losen zusammengetragenen Statements und Fakten. Dieses Dokument stelle ich hier gerne zur Verfügung:

Christliche Erziehung - ein Erklärungsversuch
von Veronika und Andreas Schmidt

Da, wo Körperstrafe per Gesetz verboten ist, nimmt körperliche Züchtigung erwiesenermassen ab. Die Schweiz hat zwar Anfang 1997 das UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert, aber bis heute keine Gesetze erlassen, welche die Körperstrafe explizit verbieten. Der Kinderschutz Schweiz schreibt deshalb unter seiner Rubrik “Gewaltfreie Erziehung”: Obwohl sich viele Eltern und Bezugspersonen von Kindern des Rechtes der Kinder auf gewaltfreie Erziehung bewusst sind, ist Gewalt an Kindern in der Schweiz noch immer ein verbreitetes gesellschaftliches Problem. In der schweizerischen Gesetzgebung ist das Recht auf gewaltfreie Erziehung nur ungenügend umgesetzt. Dies führt immer wieder dazu, dass die Schweiz von internationalen Gremien wie dem UNO-Kinderrechtsausschuss gerügt wird.

Kinderrechte kindgerecht erklärt

Ich wünsche Dir, lieber William, dass Du Menschen und Wege findest, Die Dir auf Deinem Weg des Darüber Hinwegkommens liebevoll und gerecht zur Seite stehen.

Herzlich - Veronika

Jesus sagt:
Wenn jemand der Erste sein will, dann soll er der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er nahm ein Kind, stellte es in die Mitte, schloss es in die Arme und sagte zu ihnen: Wer in meinem Namen ein Kind aufnimmt wie dieses, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.
Markus 9, 35-37 - Zürcher Bibel

Buchtipps:

  • Andreas Altmann. Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend. Piper. 2011
    Eine Geschichte aus der beschaulichen deutschen Provinz voller Misshandlungen, Demütigungen, bigotter, tätlicher Pfarrer und verkappter Nazis. Andreas Altmann erzählt von seiner Kindheit und Jugend. Und wie am Ende aus einem Opfer ein freier Mensch wird.

  • Tilmann Röhrig. Thoms Bericht. Piper. 2012
    Thom ist gerade vierzehn, als er eine weitreichende Entscheidung trifft. Ein für alle Mal will er sich lossagen von seiner Familie. Von dem tyrannischen Vater, einem autoritären Kirchenmann, der Gott liebt, aber seine eigenen Kinder straft. In seinem schonungslosen Bericht deckt Thom die Lügen und die Scheinmoral der Erwachsenen auf. Ein wertvolles und zeitloses Buch, in dem Tilman Röhrig die seelischen Nöte eines Jugendlichen kunstvoll in authentische Worte kleidet.

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June 6, 2019

CHRIST-IN MIT NICHT CHRIST-IN - GEHT DAS?

by Veronika Schmidt in Bibel, Christliche Lebenswelt, Ehe, Liebe, Partnerwahl, Selbstverantwortung, Zusammenleben, 2019


foto: elijah macleod

foto: elijah macleod

foto: elijah macleod

foto: elijah macleod

Liebe Veronika

Ich habe Dein Buch LIEBESLUST gelesen und durchstöbere ab und an Deinen Blog. Danke, dass Du diese Arbeit machst. Mir haben Deine Beiträge schon sehr geholfen in verschiedenen Fragestellungen, die mich beschäftigten. Eine persönliche Frage stellt sich mir in letzter Zeit häufiger, und ich habe dazu noch nichts gefunden auf Deinem Blog: ChristIn und nicht ChristIn, geht das?

Mein Freund und ich haben seit einem Jahr eine liebevolle und glückliche Beziehung. Als wir uns kennen lernten, war es mir zu Beginn sehr wichtig zu sagen, dass mir mein Glaube viel bedeutet. Dass ich meinen Glauben in der Beziehung teilen möchte. Ich habe meinen Freund so verstanden, dass er zwar gläubig ist, den Glauben aber nicht so sehr lebt und sich von mir anstecken lassen will. Mehr und mehr wurde in Gesprächen klar, dass er zwar an einen Gott glaubt, aber nicht an die Sündenvergebung von Jesus und auch nicht in allen Punkten mitziehen möchte (gemeinsam in die Gemeinde, gemeinsam Beten, in der Bibel lesen). Je länger wir zusammen sind, desto mehr mache ich mir Gedanken darüber, was die Bibel und vor allem was Gott dazu sagt, wenn ich in einer Beziehung mit einem Nichtchristen bin, den ich vielleicht sogar heiraten möchte. Ich möchte nach Gottes Willen leben, aber bei dieser Frage weiß ich nicht weiter ...

Ich bin gespannt auf Deine Antwort. Liebe Grüße Roberta, 27 Jahre


Liebe Roberta

Ich habe diese Frage schon ein paar Mal beantwortet, aber nicht öffentlich. In der Beratung bin ich öfters mit dieser Fragestellung konfrontiert. Es hat schon seine Tücken, sich mit einem ungläubigen Partner, einer ungläubigen Partnerin zu binden, wenn einem der Glaube viel bedeutet. Vor allem langfristig. Es geht dabei um ganz verschiedene Themen: Freunde, Gemeinschaft, Lebenshaltungen, geistlicher Austausch, geistlicher Ausdruck des Glaubens (Gebet, Musik, Worship), von Kindern vielleicht und deren Erziehung dann mal später ganz abgesehen. Ein grosses Problem ist meiner Erfahrung nach, dass der gläubige Teil irgendwann «geistlich vereinsamt» und sich in der Folge mehr und mehr auch in der Beziehung isoliert und unverstanden fühlt. Manchmal vermissen diese Menschen dann den engen Kontakte mit anderen Gläubigen und die Gemeinschaft in der Kirche, so wie sie es sich gewohnt waren und es liebten. Oder sie schliessen sich mehr und mehr anderen gläubigen Menschen an und verlieren den Kontakt und die Nähe zum Partner, zur Partnerin.

Die Bibel sagt wenig dazu. Zum Beispiel betont Paulus, man müsse/solle sich nicht von einem ungläubigen Partner scheiden lassen, dieser sei durch die Beziehung mitgesegnet, ja sogar geheiligt: “Den andern aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und es gefällt ihr, bei ihm zu wohnen, so soll er sie nicht fortschicken. Und wenn eine Frau einen ungläubigen Mann hat und es gefällt ihm, bei ihr zu wohnen, so soll sie den Mann nicht fortschicken. Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann.” (1. Kor. 7, 12-16). Paulus bezieht sich hier auf bereits geschlossene Ehen. Zum Fall einer Eheschliessung mit einem Nichtgläubigen Menschen äussert er sich nicht. Man kann davon ausgehen, dass damals die Partnerwahl nicht frei war, also Eltern unter Umständen auf den Glauben der zu verheiratenden Kinder nicht zwingend Rücksicht nahmen. Einige Christen warnen vor einer Heirat mit Ungläubigen mit der Stelle aus 2. Kor. 6, 14: “Zieht nicht unter fremdem Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat Gerechtigkeit zu schaffen mit Gesetzlosigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?” Hier ist aber die Ehe nicht explizit erwähnt, sondern gemeint sind wohl eher Geschäfte und Seilschaften und Götterkulte.

Es gibt im alten Testament einige Paar-Geschichten, die aus unterschiedlichen Glaubensvorstellungen heraus nicht gut gingen. Michal teilte Davids Glauben wohl nicht wirklich, was das Paar schliesslich auseinander brachte. Man könnte spekulieren, dass Isaak in geistlicher Hinsicht so seine Mühe hatte mit Rebekka, obwohl er sie sehr liebte. Bei Dina endete die Verbindung mit einem “Ungläubigen” in einer Katastrophe, hauptsächlich aufgrund der Engstirnigkeit ihrer Brüder. Doch diese Geschichte eignet sich auch aus anderen Gründen nicht als Beispiel, denn es war eine aufgezwungene Verbindung. Eine glückliche Beziehung über Glaubensgrenzen hinweg könnte diejenige von Moses und Zippora gewesen sein.

Ich würde Dir raten, mit Jesus persönlich im Gespräch über dieser Sache zu sein. Nimm Dir Zeit und frage ihn ganz konkret, was er dazu meint. Höre darauf, was er Dir für Gedankenanstösse gibt. Wenn sich leise Zweifel einschleichen, übergehe diese nicht. Bedenke, ob diese Person Dich in Deinem Glauben ermutigt, oder ihn mehr und mehr in Frage stellt. Betreffen Deine Zweifel aber vor allem seinen Charakter, seinen Umgang mit Dir oder anderen, sein Verhalten, dann schau genau hin. Man kann den Charakter eines Menschen an seinem Verhalten erkennen, auch wenn man verliebt ist und eine rosa Brille auf hat. Es gibt immer kleine Anzeichen von “Unverträglichkeit”, wenn man hinsehen will. Damit meine ich nicht unbedingt alltägliche Konflikte aufgrund unterschiedlicher Auffassungen, denn die gehören zum Leben dazu und müssen ausdiskutiert und ausgehandelt werden.

Frage Dich, ob Du mit dieser Person an Deiner Seite die beste Version Deiner selbst sein kannst und das Leben leben, dass Du Dir vorgestellt hast. Nach diesen Kriterien würde ich auch ganz grundsätzlich einen Partner, eine Partnerin wählen, auch gläubige. Denn Christsein ist noch lange nicht gleichzusetzen mit einem guten Charakter und überhaupt keine Garantie für eine glückliche Verbindung.

Herzlich - Veronika

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

May 8, 2019

KEINE MÖGLICHKEIT, EINEN VORTRAG ODER BERATUNG BEI MIR ZU BESUCHEN? HIER IST SIE ONLINE UND IN STANDARDSPRACHE!

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Buch, Christliche Lebenswelt, Ehe, Fragen, Gleichberechtigung, Gott, Liebe, Sexualität allgemein, Sexuelles Begehren, Zusammenleben, Vortrag, Interview, Podcast, 2019


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DAS AUSFÜHRLICHSTE INTERVIEW MIT UMFASSENDEN INFORMATIONEN IN STANDARDSPRACHE - Danke Marc Bareth und Familylife five

„In der Sexualität erhält man eine Ahnung der Ganzheitlichkeit der Schöpfung.“ – Veronika Schmidt

Sie ist zu einer Art Aufklärerin in der frommen Szene geworden: Veronika Schmidt, klinische Sexologin, systemische Paar- und Familienberaterin, Autorin. Die Sexologin aus Schaffhausen hat mit ihren Büchern «Liebeslust» und «Alltagslust» einen Nerv getroffen. Mehrere Auflagen sind inzwischen verkauft. Für ihren Blog liebesbegehren.ch gewann sie 2017 den Familylife Award. Hunderte Menschen aus der Schweiz und Deutschland lesen täglich ihre Beiträge zu Sexualität. Im Juni erscheint ihr drittes Buch «Endlich gleich! – Warum Gott schon immer mit Frauen und Männern rechnet» im SCM-Verlag. Mit ihrem Mann lebt sie in Schaffhausen und hat vier erwachsene Kinder und vier Enkelkinder.

PODCAST

Show Notes

  • Veronika Schmidt will nicht in erster Linie Tabus brechen, sondern die Bedürfnisse der Menschen aufgreifen (3:45)

  • Körperfeindlichkeit ist in der Bibel nicht zu finden (07:09)

  • Bis jetzt war Kirche nicht Vorreiter im Thema Sexualität, sondern hat gesellschaftliche Trends nachvollzogen (08:13)

  • Christen haben keine Kultur der bejahenden und fördernden Sexualität (09:10)

  • Sex ist auch eine spirituelle Erfahrung (10:31)

  • Haben Christen besseren oder schlechteren Sex als Personen mit anderem Glauben? (12:34)

  • Eine gute Beziehung zum eigenen Körper als Voraussetzung für guten Sex. Sexualität muss ein Leben lang gelernt werden (13:30)

  • Wie kann man als Kirche gut über Sex sprechen? (15:56)

  • Ein Grund, der gegen Sex vor der Ehe spricht: Die Kennenlernphase wird unterbrochen, wenn man Sex hat (19:07)

  • Je mehr junge Menschen über Sex wissen, desto später haben sie das erste Mal Sex (20:50)

  • Sex heißt Verantwortung übernehmen für den anderen und für ein potenziell entstehendes Leben (21:52)

  • Ungefähr 75 % der jungen Menschen (Christen) warten mit dem ersten Sex nicht bis zur Ehe (23:15)

  • Veronika Schmidt propagiert das Vermitteln von Wissen zu Sexualität statt des Verbots von Sex vor der Ehe (24:09)

  • Selbstbefriedigung als wichtiger Baustein für eine gelungene Sexualität (25:10)

  • Die Verbindung zwischen Selbstbefriedigung und Pornografie (28:05)

  • Wie Männer frei von Pornografie werden können (30:10)

  • Weshalb für Frauen der sexuelle Lernprozess noch schwieriger ist als für Männer (36:10)

  • Selbstbefriedigung in der Ehe (37:26)

  • Als Eltern von kleinen Kindern ganz normal über die Geschlechtsorgane sprechen (41:06)

  • Umgang mit Unlust in langjährigen Beziehungen (44:54)

  • Die Lust kommt, indem man sich auf Sex einlässt (46:10)

  • Keine Lust bedeutet eigentlich: Ich wäre jetzt spontan nicht auf die Idee gekommen, Sex zu haben (47:32)

  • Veronika Schmidt ist Fan von geplantem Sex (48:23)

  • Die ideale Häufigkeit von Sex (49:03)

  • Was man tun kann, damit man als Paar auch in einigen Jahren noch zusammen Sex hat (50:23)

  • Die Sexualität der Frau verändert sich mit der Geburt eines Kindes (52:39)

  • Monogamie bedeutet nicht automatisch guten Sex und serielle Monogamie nicht automatisch schlechten Sex (54:15)

  • Mit Sex bis zur Ehe warten bedeutet nicht automatisch guten Sex (57:22)

  • Sex in der Hochzeitsnacht ist nicht mehr als der Beginn eines Lernprozesses. Wer mehr erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden (58:12)

  • „Man braucht keine sexuellen Erfahrungen vor der Ehe, aber man muss sich bewusst sein, dass befriedigender Sex nicht vom Himmel fällt“ (1:00:08)

  • Weshalb es Veronika Schmidt fahrlässig findet, mit jeglichem Körperkontakt bis zur Ehe zu warten (1:00:30)

  • Guter Sex und eine gute Beziehung bedingen sich gegenseitig (1:03:38)

  • Weshalb Veronika Schmidt als Sexologin das Buch „Endlich gleich! Warum Gott schon immer mit Frauen und Männern rechnet“ geschrieben hat (1:04:48)

  • Auf den Sündenfall folgte der Geschlechterkampf, dann die Dämonisierung der Frau, dann die Dämonisierung der Sexualität (1:10:30)

  • Der Schlüssel zu versöhnten Geschlechtern ist die Frau (1:13:10)

  • Es geht um die Gleichwertigkeit und die Gleichstellung und nicht um die Gleichheit von Mann und Frau (1:15:40)

  • Wie die Bibel zu verstehen ist. Das Spannungsfeld zwischen wörtlichem und kulturell erklärendem Verständnis der Bibel (1:17:34)

  • „Gott ist nicht die Kirche. Oder: Die Kirche ist nicht zwingend Gott.“ (1:21:55)

  • Veronika Schmidts Tipp, wie man in 5 Minuten seine Sexualität verbessern kann. (1:23:27)

DAS BUCH “ENDLICH GLEICH!”

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Familylife five Podcast
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November 29, 2018

BIN ICH BI- ODER HETEROSEXUELL?

by Veronika Schmidt in Bibel, Christliche Lebenswelt, männliche Sexualität, Partnerwahl, Sexuelles Begehren, Homoerotik, 2018


foto: brett sayles

foto: brett sayles

foto: brett sayles

foto: brett sayles

Liebe Veronika

In Deinem Blog "erotische Gefühle der gleichgeschlechtlichen Freundin gegenüber" schreibst Du: "In jedem Menschen stecken homoerotische Anteile." Ich selbst habe seit 5 Monaten zum ersten mal eine Freundin. Ich würde mich von meiner Entwicklung her als heterosexuell bezeichnen, habe mich verschiedentlich in Mädchen verliebt und auch begehrliche Gedanken zum anderen Geschlecht hin gehabt. Eine Beziehung mit einer Frau habe ich mir wirklich gewünscht, und auch immer wieder während den zurückliegenden Singlejahren herbeigesehnt. Ich finde meine Freundin attraktiv und begehrenswert, worüber ich mich freue.

Jedoch hat mich vor einigen Monaten (kurz vor Start unserer Beziehung) die Frage „bin ich eigentlich wirklich heterosexuell oder bin ich bisexuell?" völlig verstört, einhergehend mit teils gravierenden Schlafproblemen. Weshalb ich mir diese Frage stellte? Wenn ein Mann gut aussieht, fällt mir das auf. Zudem hatte ich schon gewisse homoerotische Phantasien, wie z.B. die Vorstellung, ob es nicht auch lustvoll wäre, selbst einmal einen Penis in den Mund zu nehmen. Oder die Vorstellung, selbst penetriert zu werden. Auch stellte ich fest, emotional nicht nur von Frauen berührt zu werden, sondern auch von (feinfühligen) Männern.

Nachdem ich Rat suchte und mich etwas zum Thema "sexuelle Orientierung" informiert hatte (u.a. dass in jeder Persönlichkeit womöglich ein Stück "bi" stecken könnte), fand ich wieder einigermaßen Ruhe und den Mut für die Beziehung mit meiner Freundin. Wir fühlen uns beide bisher in unserer Partnerschaft sehr bestätigt. Mit dem Sex wollen wir bis zu einer möglichen Ehe warten, weil wir uns diesen verbindlichen Rahmen für unser Sexleben wünschen. Meine Freundin spricht mich erotisch an, doch nagt in mir immer mal wieder der Zweifel, ob ich im Grunde eigentlich bisexuell bin. Da wir eine Ehe anstreben, möchte ich einen "klaren Kurs" leben und mich prüfen.

Deshalb meine Fragen: Wie verhält es sich mit dem "Bi-Empfinden“ bei Männern? Dass Frauen manchmal gewisse Bi-Tendenzen haben, habe ich verschiedentlich gehört (auch von meiner Freundin, mit der ich mich über dieses Thema schon unterhalten habe). Welcher Grad des Bi-Empfindens fällt noch unter "Heterosexualität" und wann ist von richtiger "Bisexualität" zu reden? Und wie ist die Thematik der "Bisexualität" bzw. dem tendenziellen Empfinden von Bisexualität in den biblischen Kontext einzuordnen? Lässt sie sich mit dem biblischen Menschenbild vereinbaren? Die Bibel äußert sich zu diesem Thema ja nicht direkt, und von manchen konservativen Christen wird das "geschaffen als Mann und Frau" gleichgesetzt mit ausschliesslich heterosexuell.

Ich danke dir herzlich für deine Antwort. Mike, 25 Jahre


Lieber Mike

Wir reden in Bezug auf die Orientierung der Sexualität von Anziehungskodes. Diese können sowohl das andere Geschlecht, das eigene Geschlecht, beide Geschlechter oder auch Objekte, Szenarien, bestimmte Körperteile etc. betreffen. Vor allem wenn die sexuelle Erregbarkeit ausschliesslich letztere Dinge betreffen, spricht man von eingeschränkten Anziehungskodes (Fetischismus). Die sexuellen und emotionalen Anziehungskodes – das, was Menschen sexuell und emotional anzieht und erregt – können sich sowohl in der Realität abspielen, als auch in der Fantasie oder in Träumen. Die Anziehungskodes geben Hinweise auf die die sexuelle Orientierung. Menschen können über ein breites Spektrum und eine grosse Vielfalt und Varianten von Anziehungskodes verfügen.

Dass einen auch das eigene Geschlecht sexuell anzieht, ist nicht aussergewöhnlich, auch nicht bei Männern. Eine von gegenseitiger erotischer Anziehung geprägte Beziehung in der Bibel finden wir bei David und Jonathan.

Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids, und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben. Und Jonathan schloss mit David einen Bund, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Leben. 1. Samuel 18, 1 + 3

Oft schon wurde vermutet, diese Beziehung sei eine homosexuelle. Kann sein, doch David begehrte auch Frauen. Bei David und Jonathan sehen wir eine starke emotionale Verbindung – was ebenfalls für Männer nicht ungewöhnlich ist: “David fiel auf sein Antlitz zur Erde und beugte sich dreimal nieder, und sie küssten einander und weinten miteinander, David aber am allermeisten.” (1. Sam. 20, 41) Ich denke, entweder man ist emotional empfindsam, gegenüber beiden Geschlechtern, oder man ist eben nicht so der Gefühlsmensch. Wer einen feinfühligen, sensiblen Charakter sein eigen nennt, wird auf menschliche Reize emotional reagieren, unabhängig des Geschlechts. Herzergreifend ist denn auch Davids Klagelied, als er von Jonathans Tod erfährt und stellt diese Liebe über die der Frauen:

Weh ist es mir um dich, mein Bruder Jonathan, ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt. Du warst mir sehr lieb. Wunderbarer war deine Liebe für mich, als die Liebe der Frauen. Ach, die Helden sind gefallen, die Waffen des Kampfes verloren." 2. Samuel, 1, 26 - 27

Grundsätzlich können Menschen sexuelle Fantasien in verschiedenste Richtungen haben. Von einer gewissen Bi-Tendenz kann womöglich bei bis zu 50 % aller Männer ausgegangen werden [vgl. Kinsey-Report 1948]. Wenn laut dieser Studie rund die Hälfte aller Männer (und Frauen) einen gewisse Bisexualität innerhalb der Heterosexualität mindestens in der Fantasie nicht ausschliessen, zeigt das die Wandelbarkeit der sexuellen Anziehung. Sexualität ist formbar. Was ich damit aber nicht sagen will, ist, dass gleichgeschlechtliche Sexualität „umgeformt“ werden kann, wenn diese als eindeutig erlebt wird. Ein Hinweis, worauf man „steht“, gibt die Verliebtheit. Obwohl man sich Sexualität mit beiden Geschlechtern vorstellen kann, verliebt man sich meist nur in das eine Geschlecht. Bi-Sexualität würde nach dieser Logik bedeuten, man verliebt sich seit der Pubertät wechselnd in Männer und Frauen und gibt beiden Geschlechtern gleiche Präferenz.

Da Du Dich in Frauen verliebst und Frauen sexuell erregend findest, ist Deine Geschlechter-Anziehung vermutlich heterosexuell, auch wenn Du Dir vorstellen könntest, Männer zu erotisieren. Die verschiedenen Körper mögen Dich sexuell anziehen, doch das bedeutet noch nicht, in den Menschen, der in diesem Körper steckt, verliebt zu sein, ganzheitlich, sexuell-körperlich und auf emotionaler Ebene. Wenn Du Dich in Deiner Anziehung verunsichert fühlst, kannst Du die Erotisierung des anderen Geschlechts (und Deines eigenen) verstärken über das sexuelle Begehren:

Damit ist die Vorwegnahme erotischer Erfahrungen oder Fantasien gemeint, die den Erregungsreflex auslösen und begleiten. Richte diese Fantasien darauf, den weiblichen Körper zu erotisieren, aber auch Dich in der Vorstellung als Liebhaber zu sehen, der die Frau begehrt und lustvoll in sie eindringt. Wenn Dich sexuelle Fantasien von Oralsex mit einem Mann erregen, dann dürfen sie als Erregungsquelle sein. Sexuelle Fantasien erfüllen ihren eigenen Zweck und müssen nicht in die Realität umgesetzt werden. Penetriert zu werden oder Oralsex kann aber auch alternativ gelebt werden mit der Frau (Oralsex, Analmassage, Toys etc.), sofern die Partnerin damit einverstanden ist. Du kannst diesen Bildern aber auch entgegenwirken, indem Du Deine eigene Intrusivität (das Eindringen des Penis) mehr erotisierst und in Deine männliche Kraft gehst.

Da Ihr keinen Sex möchtet, bleibt es vorerst bei der Vorstellung und vielleicht auch bei entsprechenden Erfahrungen in der Selbstbefriedigung. Lest doch miteinander mein Buch LIEBESLUST, das könnte Euch Denkanstösse geben. Denn auch für Deine Freundin wäre eine Vorbereitung auf Eure gemeinsame Sexualität wünschenswert, indem sie ihre Vaginalität entwickelt. Was bedeutet, ihren vaginalen Innenraum zu entdecken und sich die Vagina anzueignen als Raum weiblicher Erotik, um damit irgendwann lustvolle Begegnungen mit Dir und Deinem eindringenden Penis, Finger zu erleben. Indem Ihr Euch selbst als lustvolle Frau oder lustvollen Mann erlebt, entwickelt sich das Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit und der sexuellen Selbstsicherheit, aber auch die Anziehungskodes bezüglich der anderen Person.

Aus christlicher Sicht ist eine Beziehung monogam. Solltest Du Dich im Laufe einer zukünftigen Ehe auswärts verlieben, was passieren kann, dann bleibt für Dich die Herausforderung dieselbe, egal ob Du Dich in eine andere Frau oder einen anderen Mann verliebst. Nämlich mit dieser Verliebtheit so umzugehen, dass Du Dich auf allen Ebenen Deiner Frau (wieder) zuwendest, falls Du davon wegzudriften drohst. Wenn wir wissen, wie Anziehung funktioniert, können wir das. Auch ist es ganz klar eine Frage der Entscheidung. Verliebtheit darf sein (oder wird passieren), doch dieser Verliebtheit nachgeben, kann man entgegensteuern.

Sexualität beinhaltet nicht einfach nur die körperliche Anziehung, sondern für viele Menschen ist damit der Wunsch verbunden, eine ganzheitliche Hingabe an einen anderen Menschen zu leben, auf geistiger, seelischer und körperlicher Ebene. Die Bibel nennt dies, den anderen Menschen „erkennen“. Diese ganzheitliche Erfahrung wünsche ich Euch als Paar von ganzem Herzen. - Veronika


June 14, 2018

EINE NEUE SEXUALMORAL - UND DIE AUFWERTUNG DER VERLOBUNG

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Ehe, Partnerwahl, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Zusammenleben, Sexualethik, 2018


foto: rawpixel

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Die vergangenen vier Jahre habe ich mir gemeinsam mit Freunden viele Gedanken darüber gemacht, wie Menschen durch eine ermutigende, fördernde und Identität stiftende Sexualethik in ganzheitlicher Weise in einem gesunden Selbstgefühl wachsen können.


Dabei blieben wir immer wieder auch an der Fragestellung hängen, wie Regelwerke durch Selbstverantwortung sinnvoll ersetzt werden könnten, ohne gleich den Wertekatalog über den Haufen zu werfen. Denn das ist verständlicherweise die grosse Angst der christlichen Gemeinschaft: "Was geschieht mit den Menschen und unserem Zusammenleben, wenn die haltgebenden Normen wegfallen?" Die Frage aller Fragen darin: Der "Sex vor der Ehe". Die Konsequenz aller Selbstverantwortung lässt keinen anderen Schluss zu, als die Verantwortung für den gelebten Sex dem einzelnen Menschen und dem Paar zu übergeben. Wir sollten wegkommen von der Verbots- und Problemkultur. Denn ansonsten finden wir uns in der Falle wieder von Kontrolle und Rechenschaft einfordern. Zufügen will ich hier, dass meine Überlegungen den erwachsenen mündigen Menschen betreffen, nicht minderjährige Jugendliche, die unter der Verantwortung der Eltern stehen.

Wie könnte eine neue Sexualmoral aussehen? Ohne gleich ein Konzept vorzustellen, habe ich trotzdem die für mich wichtigsten Grundsatzhaltungen formuliert. Sie entsprechen auch den Ausführungen im Buch LIEBESLUST im Schlusskapitel, in dem ich ausführe, wie wir jungen Menschen Sexualität sinnvoll und lustvoll weitergeben und darüber reden können.

EINE NEUE SEXUALMORAL

Auf dem Gebot der LIEBE, nicht Gesetzlichkeit.

Beruht auf SELBSTVERANTWORTUNG und
Verantwortung für den anderen in LIEBE.

Grundlage ist RESPEKT, sowohl für die Autonomie,
als auch die Beziehungsperson.

Margaret A. Farley, die 83-jährige Nonne, Theologin und emeritierte Dozentin für christliche Ethik an der Yale University hat in ihrem Buch „Verdammter Sex“ Sexualnormen der Gerechtigkeit vorgestellt, die den gesamten Sex-Kontext umspannen und uns als Leitlinien für eine neue Sexualethik dienen können und meiner Ansicht nach auch sollten.

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Ein aufmerksamer BLOG-Leser hat mir seine eigenen Recherchen zum Dilemma-Thema "Sex vor der Ehe" zugeschickt. Er befasste sich mit der These, dass eine Aufwertung der Verlobung ein Schritt in die Richtung "Verantwortung an das Paar abgeben" sein könnte. Ich möchte Euch diese Ausführungen nicht vorenthalten. Danke Dir, Erwin Meier, Pastor im Ruhestand, ganz herzlich, dass ich diesen Text veröffentlichen darf.


Verlobung - welch hoher Wert

Nicht nur in der Gesellschaft ist die Verlobung ziemlich unmodern geworden. Auch in der christlichen Lebenswelt höre ich zumeist das Wort von der Freundschaft. Um die Wichtigkeit dieser Beziehung zu betonen, spricht man von einer „festen“ Freundschaft. Aus seelsorgerlicher Sichtweise fehlt mir dabei jedoch die deutlich erkennbare Verbindlichkeit, in der die echte Liebe zur Paarbindung herangewachsen ist. Dann wächst beim Paar irgendwann auch der Wunsch, dass aus einer echten Liebe eine rechtsverbindliche Partnerschaft wird und einer von beiden den Vorschlag macht: „Lass uns übers Heiraten sprechen.“ Das Bedürfnis nach Gewissheit und Zukunftsplanung verlangt nach Klärung.

Damit soll der Zustand dieser Liebe auch in einer christlichen Gesellschaft anerkannt werden. Das stellt den Stand einer Verlobung dar. Sie zeigt, wie ernst das Paar es mit der Ehe meint. Ihr Verbindlichkeitscharakter bildet einen Wert, der in den biblischen Zeitaltern und noch heute in den Zivilgesetzen von Deutschland und der Schweiz mit unter den Schutz des Eherechts gestellt ist. Die Verlobung ist integraler Bestandteil der Ehe. Es ist mein Anliegen, den Liebespaaren die Verlobung erstrebenswert zu machen. Wo dies erkannt wird, nimmt man nicht nur die daraus resultierenden Pflichten ernst, sondern auch die dazu gehörigen Privilegien. Ich unterstelle Christen, dass sie selbstverständlich verantwortungsbewusst voraus denken und dementsprechend handeln.

Mit diesen sachlichen Aussagen bewege ich mich im Bereich der Definition. Wo um die eine gültige Definition gerungen wird, geschieht die Auseinandersetzung mit Meinungen. Dabei gestehen wir uns gegenseitig verschiedene Meinungen zu, weil wir uns bewusst sind, dass wir eine gemeinsame Gesinnung haben. Wir wollen nichts anderes als die liebevolle Gesinnung von  Jesus Christus. Und wenn wir unter seinem Beistand sogar zu der Meinung gekommen sind, dass man den Beginn der Ehe verschieden definieren kann, dann begegnet er uns nicht mit Stirnrunzeln, sondern lächelt verständnisvoll.

Die Suche nach Objektivität in einem subjektiv erlebten Liebesverhältnis startet unser Verstand. Der soll dann unseren Willen leiten. Dann kommen  die Gefühle der Sehnsucht nach Zärtlichkeit dazu. Der Liebreiz weckt den Wunsch nach  Befriedigung dieser immer heftiger werdenden Gefühle. Längst vorher sollten Christen folgende  moralische Frage geklärt  haben: Ist dieses reizende Gefühl nicht nur sehr schön? Findet Gott es auch gut, wenn wir uns gegenseitig damit beglücken? Dann antworte ich: Gut ist, wenn wir erstens Gott danken können für die Befähigung zur Vernunft, zweitens für die Bereitschaft zum verantwortungsbewussten Wollen und drittens für das Zulassen der wonnigen Liebesgefühle.

Sie kommen aus unserem Inneren, aus unserer Seele. Auch damit können wir den HERRN loben, sagt Psalm 103,1 „… und all mein Inneres seinen heiligen Namen.“ (EB) Diese aufwallenden Gefühle können sich von unnötigen Hemmungen lösen und zur rückhaltlosen Hingabe befähigen. Dann können wir auch gemeinsam unser Beten und Danken fortsetzen und kultivieren. Das ist gut. Weil man mit dieser Einstellung eben nicht der sündigen Begierde der „Fleischeslust“ verfallen ist, vor der uns der Apostel Johannes in 1 Joh 2,16 als weltliche Verdorbenheit bewahrt wissen möchte. Leider haben mit diesem Bibeltext die frommen Moralisten so manchen geistlichen Missbrauch getrieben. Wie ernüchternd wirkt dagegen der Zuspruch des Apostels Paulus in Röm 14,22: „Selig ist, der sich selbst nicht verurteilen muss in dem, was er gut heißt.“

Das kann in unserer Beziehung bedeuten: Wenn Verlobte ihren Gefühlen soweit Ausdruck erlauben wollen, dass sie sich gegenseitig mit dem Geschlechtsverkehr beschenken, dann sollten sie es mit dem Verständnis tun, dass ihre Intimgemeinschaft nicht mit der moralischen Abwertung „vorehelich“ behaftet ist. Wenn sie sich darüber nicht im Klaren sind, wenn ihre Freiheit dazu nicht vollkommen ist, ist ihre Liebesbeziehung für eine Liebesvereinigung noch nicht reif genug. Dann wird es ihre geistliche Beziehung zu Gott und miteinander beeinträchtigen.

Verlobte wissen sich in unserer Gesellschaft als Liebespaar ernst  genommen. Diese Gesellschaft ist so tolerant, dass man gar nicht danach fragt, ob in ihrer Liebesbeziehung der Geschlechtsverkehr erlaubt ist. Ich stelle deshalb in Frage, ob man mit der Enthaltsamkeit bis zum Zeitpunkt der Hochzeitsfeier in dieser Gesellschaft überhaupt ein Zeichen und Zeugnis für Selbstbeherrschung und Sitte geben kann, wenn dafür gar kein Interesse besteht. Enthaltsamkeit ist gut - für diejenigen, die davon überzeugt und auch so veranlagt und so stark sind, dass sie es können. Dazu meint ein Weiser: Wichtiger als Abstinenz ist die Kompetenz. Diese besteht zunächst einmal in dem gegenseitig gegebenen Treueversprechen. Danach ist ein Paar im vertraulichen Miteinander kompetent, wenn es ohne Krampf bei wohltuender Behaglichkeit liebevolle Umgangsformen einübt, die dann einander auch mit erotischen Spielarten glücklich machen. Man kann die Enthaltsamkeit eine Tugend nennen mit der Wortbedeutung von „taugen“ bzw.  Tauglichkeit. Dann handelt es sich um ein vorwurfsfreies Verhalten. Unsere heutige Gesellschaft erhebt diesbezüglich keinen Vorwurf. Und „wenn uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir Zuversicht zu Gott“ (1 Joh 3,21). Für das eigene Gewissen ist es gewiss gut und tut gegenseitig gut.

Gelegentlich zitieren verlobte Paare auch den Spruch aus Hos 2,21 + 22: „Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit, ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja, in Treue will ich mich mit dir verloben, und du wirst den Herrn erkennen“. Hier spricht Gott wie ein  Bräutigam zu seinem Volk über einen erneuerten Bund und gebraucht für sein Liebesverhältnis mit der „Tochter Zion“ drei Mal die Worte von der Verlobung, wobei ER am Ende den Ausdruck „erkennen“ (hebräisch yada) hinzufügt. Bekanntlich verstanden die Bibelschreiber darunter eine innige, sogar intime Beziehung (1 Mo 4,1 + 25). Dieser Begriff ist nicht nur gefüllt mit dem Begegnungscharakter, sondern „er-kennen“ schließt das Wiedererkennen ein, betont damit den Wiedererkennungswert, der auf Zukunft angelegt ist, weil man auf Wiederholung hoffen darf.  

Als die Jünger einmal die Aussagen von Jesus über die Ehefähigkeit sehr problematisch fanden und schlussfolgernd die Meinung äußerten, dass wohl die Ehelosigkeit eine praktikable Lösung sei, fügte Jesus eine weitere sehr problematische Bemerkung hinzu: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ (Mat 19,12). Das könnte heißen: Wer die geschlechtliche Enthaltsamkeit fassen kann, soll damit zufrieden sein. Und wer sie nicht in den Griff bekommt, soll sich deshalb kein schlechtes Gewissen machen lassen und die Geschlechterliebe eine vortreffliche Tugend nennen. 

Wir sind uns darüber im Klaren, dass der liebevolle und befriedigende Austausch von Zärtlichkeiten beim Kuscheln, erregt bis hin zum schönsten Petting, dieses Liebesspiel, bereits eine Vor-Form des Geschlechtsverkehrs ist. Im Erlebnis ist es das für die Braut so wichtige Vorspiel, das sie möglichst lang hinausgezögert genießen möchte. Sie wünscht sich, dass ihr Geliebter hautnah zu fühlen ist. Nähe ja, aber auch schon sein Eindringen? Hoffentlich kann sie es ehrlich sagen, was sie wirklich möchte. Am besten ist doch, wenn beide längst vorher sich kompetent auseinandergesetzt haben. Dazu gehört natürlich auch etwas Grundwissen über die menschliche Biologie und Physiologie. Insbesondere über den Reichtum und die Wirkung der Hormone, die als Botenstoffe lustvolle Gefühle bis in die Genitalien transportieren können. Erwähnenswert erscheinen hier nur drei. Das als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin wirkt sich im Blut und Gehirn aus und wird sogar bewusst wahrgenommen durch ein verstärktes Gefühl der Anhänglichkeit. Also ein regelrechtes Bindemittel. Und als „Belohnungshormon“ wird das Dopamin so genannt. Deshalb taugen aber beide Hormone nicht als vereinfachte Treueformel. Schließlich können noch die Endorphine genannt werden. Neben anderen Aufgaben können Endorphine einen Anteil an der Herstellung von Sexualhormonen in besonderen Glücksmomenten haben und sogar Euphorie auslösen. Deshalb gilt es auch als „Glückshormon“. Wird es  regelmäßig produziert, kann es das Immunsystem stärken und somit die Gesundheit fördern.

Wiederholte intensive Zeiten der Zärtlichkeit werden Verliebte mit Körper, Hirn und Hormonen in Erregung versetzen und  an einen Punkt bringen, wo sie sich ihrem Verlangen hingeben möchten und der Liebesvereinigung. Im Hohelied (Kap. 5,4) drückt es die Braut sehr direkt aus: mein Innerstes (wörtl. Eingeweide) wallte ihm entgegen. Der Apostel Paulus schreibt in Röm 1,26: dieser „Brauch“ (chresis = Verkehr) ist „natürlich“ (physikos) d. h. dringend notwendig. Und Salomo beschrieb dieses bezaubernde Hochgefühl im Hohelied (4,12 – 16) mit den Worten vom „Lustgarten mit Quelle und Born lebendigen Wassers.“  

Hierzu eine Überlegung zur Wortbedeutung „miteinander schlafen“. Man spricht vom „Beischlaf“. Wörtlich genommen würde das Paar beieinander oder nebeneinander schlafen. Da aber jeder Mensch nur für sich allein schlafen kann, weil man im Schlaf gewissermaßen „abwesend“ ist, taugt dieser Begriff gar nicht für die intime Gemeinschaft, von der die Bibel mit den Worten „ein Fleisch werden“ schreibt. Besser eignet sich der Begriff „Beilager“ oder „Beiwohnung“. So wird er auch in einigen Bibelübersetzungen gebraucht. Ebenso steht er immer noch im § 1300 des BGB: „… hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet …“ Im Herkunftswörterbuch des Duden wird das Wort „schlafen“ erklärt mit „schlaff, schlapp herabhängend“, also ein entspannter Zustand, der eigentlich gar nicht mit einem erotischen Erregungszustand vergleichbar ist. Wenn Jesus in Luk 12,37 f uns als seine Jünger angesichts seiner überraschenden Wiederkunft zum Wachen ermahnt, dann meint das Schlafen „das Aufheben der Gemeinschaft“. So gesehen ist der Begriff „Beischlaf“ für die Geschlechterliebe völlig unpassend. Denn wo die innigste Gemeinschaft erlebt wird, ist das Paar bestenfalls in einem Liebesrausch, aber nicht schlafend.

Der Weg vom klitoralen Petting zum vaginalen Verkehr beträgt nur wenige Zentimeter. Die Liebe findet schließlich ihren Weg von hier bis dort.  Es wäre jammerschade, wenn sich das Paar danach mit einem Rest von Unbehagen anschaut und fragt: Wollten wir so viel? Durften wir so weit gehen? Wurde aus der Umarmung vielleicht eine Verarmung? Wenn erst dann das Gewissen nach dem Wissen fragt, ist es zwar nicht zu spät. Aber als Seelsorger möchte ich gläubigen Liebespaaren - wenn es denn möglich ist - mit meiner biblisch durchdachten Begründung helfen, in unserer heutigen Lebenswelt zu differenzieren zwischen der mosaischen Sexualethik bei den historisch bedingten Sitten, Gebräuchen und Traditionen, wie sie in der Kulturgeschichte des Volkes Israel gesellschaftlich relevant waren, und welche davon in unserer Gesellschaft einen gültigen Wert behalten haben. Tatsache ist, dass die Treue, Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit bei den Menschen unserer Zeit immer noch hohe und begehrte Werte sind. Gerade weil die Wirklichkeit oft anders aussieht, ist das Bedürfnis nach Verlässlichkeit und die Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen so groß. Wer zum Beispiel im Beruf Druck verspürt, dem ist sein partnerschaftliches Liebesverhältnis als sicherer Hort umso wichtiger. In der Treue findet man den tröstlichen Ausgleich. Treue ist eine je neue willentliche Entscheidung für ein schönes altmodisch klingendes Wort: Hingabe. Sowohl auf der emotionalen Ebene wie auch auf der sexuellen. Erst die Treue gibt der Liebe ihren Wert.

Noch einmal: Wer vor der Hochzeitsfeier keinen Geschlechtsverkehr miteinander ausüben will, soll beim trauten Beisammensein die Kleidung anbehalten. Wer seinen Willensentschluss in gelassener Entschiedenheit durchhalten kann, sei gesegnet. Aber man soll von Verlobten keine generelle Triebzähmung fordern, wenn weder ein überzeugender Grund noch eine Eigenmotivation dafür da ist. Der erzwungene Verzicht kann im Gegenteil destruktive Kraft entwickeln, und einen ungezwungenen Umgang mit sexuellen Bedürfnissen verhindern, egal, ob sie ausgelebt werden oder nicht. Wer mehr Erkenntnis hat und davon überzeugt ist, dass die voll ausgekostete Geschlechterliebe  ein herrliches Gottesgeschenk ist, der erweist gläubige Kompetenz als eine Tugend, die mit verantwortungsvoller Begeisterung genossen werden kann.

Selbstverständlich sollten Paare mit der Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr sich vorher gründlich mit Verhütung auseinandersetzen und verantwortungsbewusst entscheiden, ob und wie sie bereit sind, die Verantwortung für ein allenfalls gezeugtes Kind zu übernehmen.  Denn Angst vor einer Schwangerschaft wird die Hingabe und den Genuss des Geschlechtsverkehrs vor allem für die Frau massiv beeinträchtigen. Zu akzeptieren, dass der eine aus diesen Gründen keinen Geschlechtsverkehr will, gehört zum gegenseitige Respekt in der Beziehung und im Ideal zur Einhaltung des gemeinsamen Treueversprechens des Paares, um im Sinn von Hbr 13,4 die „Ehe in Ehren zu halten“.

Geht es bei Sex um ein Grundbedürfnis des Menschen? So wie bei Luft, Wärme, Wasser, Nahrung und Schlaf, ohne die kein Mensch leben kann? Wir benötigen für ein glückliches Leben Kommunikation, soziale Beziehungen, Sicherheit, Anerkennung und Gebrauchtwerden, doch wie steht es mit Sex?  Nur im Blick auf den Fortbestand der Menschheit kann man sagen, dass Sexualität ein Grundbedürfnis ist. Dass aber Sexualität im Fall eines Paares kein Grundbedürfnis ist, merkt man daran, wie es bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen in den Hintergrund rückt. Ebenso ist es natürlich, dass der Mensch auf äußere Einflüsse wie Angst und Stress mit ausbleibendem Geschlechtstrieb reagiert. Sexualität dient aus streng biologischer Sicht in erster Linie der Fortpflanzung, aber in zweiter Hinsicht eben auch der Paarbindung. Mit dem Spruch „Alles kann, aber Liebe muss“, sollte man auch das Anliegen der Sexualität vielleicht nicht als ein Grundbedürfnis verstehen, sondern den Umständen entsprechend als ein sich aufdrängendes Bedürfnis.

Einem verantwortungsvoll lebenden verlobten Paar sollte gewährt sein, dass sie ihren gesunden Liebesbedürfnissen eine naturgemäße Freiheit gönnen. In der echten Welt der Gefühle suchen wir doch alle diese Momente, wo wir staunend vor dem Leben stehen und denken, wie groß, einmalig und überwältigend die Liebe sein kann.

Denn unter gewissen Umständen, wie eine lange Ausbildung oder Studium, ist ein Paar vielleicht nicht in der Lage, zu heiraten und ein entsprechendes Fest finanziell zu bewältigen. Aber in ihrer gereiften Liebesbeziehung erleben sie schon eine hohe Zeit (Hoch-Zeit), d. h. sie nehmen die Ehe ernst und sehen ihre Liebe für gültig an, auch wenn sie noch nicht endgültig ist. Damit bekunden sie ihren Respekt vor der Ehe. Sie erleben ansatzweise, was noch in Fülle verheißen ist. Irgendwann werden sie die Möglichkeit sehen und nutzen, um ihre privat begonnene Ehe auch von der Gesellschaft, d. h. beim Standesamt, urkundlich bestätigen zu lassen. So gesehen handelt es sich dann eigentlich um eine Konfirmation, nämlich eine öffentlich-rechtliche Bestätigung oder Ratifikation eines Bundes, zu dem sie vom lieben Gott bereits den Segen erbeten und bekommen haben.

In Deutschland können heutzutage Verlobte allein zum Standesamt gehen und ohne Trauzeugen heiraten. Wenn sie sich eine Hochzeitsfeier wünschen und leisten können, werden sie diese auf einen späteren Termin verlegen oder sogar auf unbestimmte Zeit verschieben, wenn nicht sogar darauf verzichten. Das bürgerliche Gesetz erlaubt einem Pastor eine kirchliche Segnung für Verlobte, die noch keinen Trauschein vorlegen können. So wird die Ehe „in Ehren gehalten bei allen“. Es geht dabei nicht um die Ehre Gottes (doxa), sondern um jene zwischenmenschliche Ehre (time), d. h. um den Respekt, den man gegenüber Eltern und anderen Autoritäten und vor allem dem geliebten Partner gegenüber erweist. Mit anderen Worten geht es hier um die geistgewirkte Freiheit des Christen, die sich in der Liebe entfaltet und bewährt.

Erwin Meier, Pastor im Ruhestand

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