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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

January 27, 2017

Wie definierst Du Unzucht?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Bibel, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Unzucht, 2017


redlight
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Liebe Veronika

Ich habe eine wundervolle Beziehung mit einem wundervollen Freund. Wir sind beide gläubig, trotzdem war es bald mit dem Warten vorbei – ein wenig zu schnell, aber daran bin ich auch nicht unschuldig. Jedenfalls habe ich mich lange mit dem Thema Sex vor der Ehe befasst und bin auch über Deinen Blog gestolpert. Ich bewundere Deine Arbeit und Du sprichst mir voll aus dem Herzen.

Mein Problem ist, ich gehe in eine Kleingruppe, in der die Bibel seit neustem sehr wörtlich vermittelt wird. Einerseits ist das ja gut, aber ich mag es nicht, "niedergebibelt" zu werden. Und es gehen mir schnell die Argumente aus, wenn es immer heisst, es steht ja so in der Bibel. Mein Standpunkt zum Thema Sex vor der Ehe ist für mich eigentlich geklärt. Doch weil ich mir anhören muss, dass Sex vor der Ehe Unzucht ist, und dass man sich von seinen fleischlichen Begierden abwenden soll, würde ich doch gerne von Dir wissen, wie Du Unzucht definierst und was Du zu den fleischlichen Begierden sagst?

Viele Grüsse Carla, 22 Jahre


Liebe Carla

Ja, das ist eine heisse Frage. In Bezug auf Sex vor der Ehe werden abwechslungsweise die Begriffe „Unzucht“ und „Ehebruch“ herbeigezogen. Die einen argumentieren bei Letzterem, Sex vor der Ehe sei Ehebruch am zukünftigen Partner. Das liesse sich eigentlich nur mit einem jungfräulichen und jungmännlichen Gebot rechtfertigen, aber das gibt es so in der Bibel nicht. In der Sündenaufzählung in Mth. 15,19 kommen beide vor, Unzucht und Ehebruch: „Denn aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken: Mord, Ehebruch, Unzucht (genau: Hurereien), Diebstahl, falsche Zeugnisse, Lästerungen;“

Obwohl Du nur nach Unzucht fragst, nehme ich den Ehebruch mit dazu, weil es mir die Argumentation erleichtert. Das griechische Wort Porneia wird als Unzucht, Hurerei oder Prostitution übersetzt, und meint, im aus dem Wort abgeleiteten Sinn, die Liebe, die man kaufen oder verkaufen kann, oder meint auch unerlaubten oder unmoralischen Geschlechtsverkehr oder entsprechende sexuelle Beziehungen. Zur Zeit der Apostel herrschten in der griechisch-römischen Welt chaotische Sittenlosigkeit und Unmoral. Ehefrauen waren nicht für die sexuelle Lust da, sondern um legitime Kinder zu zeugen und den Haushalt vertrauenswürdig zu führen. Für den Rest hielt man sich Mätressen, Konkubinen oder Lustknaben und ging zu Prostituierten (oft mit der Religion verbunden im Tempel).

Was Paulus schockierte, war die Tatsache, dass sich die Korinther darüber nicht entsetzten und in den eigenen Reihen sexuelle Unordnung duldeten (1. Kor. 5,1). Deshalb wohl beginnt Paulus seine Aufzählung der Werke des Fleisches* mit den sexuellen Sünden. Er bringt mit dem Christentum eine ganz neue Moral der gelebten Reinheit. Paulus zeigt eine höhere Lebensform auf. Der Christ soll sich völlig von porneia enthalten (1. Tess. 4,3), er muss sie fliehen (1. Kor. 6,18), er muss ihre Werke abtöten (Kol. 3,5), er sündigt damit gegen seinen eigenen Körper (1. Kor. 6,18), welcher nicht der Unzucht sondern Gott gehört (1. Kor. 6,13).

Den Ehebruch brauche ich nicht zu erklären. Höchstens in dem Sinne, dass ich darunter einen grundsätzlichen Treuebruch oder Betrug verstehe. So gesehen kann dieser Bruch nicht nur sexueller Natur sein, sondern auch beinhalten, dass man mit einer anderen Person intimste Emotionen und Empfindungen teilt, nicht aber mit dem Partner. Es wäre sogar denkbar, dass jede Form von Betrug darunter fällt, zum Beispiel auch grobe finanzielle Verfehlungen ohne Wissen des Partners.

  • Unzucht ist jede Form von ungeordnetem Sex. Gekauft, verkauft, aber auch unbezahlter Geschlechtsverkehr ohne jegliche Verbindlichkeit. Ich würde dazu definieren: jeder Art von Sex, die mir oder jemand anderem Schaden zufügt. 
  • Ehebruch ist ein sexueller oder emotionaler Treuebruch in einer verbindlichen Beziehung oder in eine verbindliche Beziehung hinein. Indem die Person entweder Unzucht betreibt oder sich auf sexuelle oder emotional intime Weise auf eine andere vertraute Beziehung einlässt.
  • (Fleischliche) Begierden meint nach meinem Dafürhalten „Sucht“: Abhängigkeit, Drang, Gier, Laster, Lust. Das kann Sex, aber auch andere Dinge betreffen.

Meiner Meinung nach ist nichts von alledem gerechtfertigt, um auf „Sex vor der Ehe“ in einer verbindlichen Beziehung angewendet zu werden. Aber auf die verbindliche Beziehung selbst. In einer Beziehung zu sein, aber nicht verheiratet, legitimiert weder Unzucht noch Beziehungsbruch. Untreue betrifft jede Art von verbindlicher Beziehung. In der heutigen Lebenswelt ist Sexualität vom Gesetz her geregelt und entsprechend legitimiert, deshalb treffen weder Ehebruch, Unzucht, Hurerei, Prostitution noch die Definition „unerlaubt oder unmoralisch“ in irgendeiner Weise auf „Sex vor der Ehe“ zu.

Doch eine Gemeinde könnte auf der entsprechenden „Hausregel“ bestehen, weil jede Organisation sich eigene Regeln gibt. Das bedeutet, eine Gemeinde kann für sich die Regel aufstellen, sie möchte beispielsweise keine Personen auf der Bühne oder in Leiterschaft haben, die im Konkubinat leben. Eine ähnliche Regel aufzustellen in Bezug auf „Sex haben“, dürfte bereits schwierig werden, weil unter die Bettdecke der Menschen zu schauen schon recht grenzwertig ist. Sie könnte höchstens aufgrund von Eigendeklaration durchgesetzt werden.

In der heutigen Lebenswelt lassen sich Lebensformen der biblischen Zeit nicht mehr einfach als „göttlich gegeben“ begründen. Auch kommt es sehr auf die speziellen Lebensumstände und die Lebensphase eines Paares drauf an. Ein Paar sollte in Eigenverantwortung selbst über sein Sexleben bestimmen. Dennoch können wir aus der Bibel „Verzicht auf Sex vor der Ehe“ als hilfreichen Rat für eine Beziehung herauslesen. Und ich würde nie einem Paar raten, Sex zu haben, das für sich die Sexualität für die Ehe aufsparen möchte. Aber ich würde ihm raten, sich sexuell zu entwickeln und sich auf die Paarsexualität vorzubereiten.

Liebe Carla, über den folgenden Link könnt Ihr Euch auf eine der Lebenswelt angepasste Weise mit Sexualität und Glauben auseinandersetzten: Vorlesung von Sigfried Zimmer zum Thema „Christliche Sexualethik – der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften“. (Achtung - Explosiv)

Herzliche Grüsse - Veronika

*Galater 5,19-21: „Offenbar aber sind die Werke des Fleisches; es sind: Unzucht (Hurereien), Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen (genau: Sekten), Neidereien, Trinkgelage (genau: "Räusche" – egal mit welchen Substanzen herbeigeführt), Völlereien und dergleichen. Von diesen sage ich euch im Voraus, so wie ich vorher sagte, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“

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November 4, 2016

Die "Warten"-Lüge

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, das erste Mal, Gleichberechtigung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Zusammenleben, 2017


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Immer wieder komme ich mit jungen Erwachsenen ins Gespräch über ihr Warten mit dem Sex. Davon, dass sie warten, sind sie fest überzeugt. Sprechen wir dann aber weiter, kommt schnell heraus, dass sie nicht nur schmusen, kuscheln, küssen und zärtlich sind, sondern dass sie nackt und mit allem Drum und Dran Liebesspiele bis zum Orgasmus haben. Also, alles – nur nicht „richtigen“ Geschlechtsverkehr.

Zu dieser frommen Wartetechnik inklusive Analverkehr gibt es ganz böse Filmchen aus den USA im Netz. Nur war mir bisher nicht bewusst, dass selbst ernsthafte Christen in Europa inzwischen glauben, die „Warte-Barriere“ bestehe einzig und allein beim Scheideneingang.


Ich fragte eine 28jährige Frau, wie sie denn darauf komme, dass richtiger Sex erst beim Geschlechtsverkehr beginne. Und ich fragte sie, weshalb, wenn sie doch als Paar das alles schon täten, sie denn nicht grad richtig Sex hätten. Ausser natürlich vielleicht um nicht schwanger zu werden. Kann man übrigens trotzdem, wenn man nicht aufpasst. Davor erörterten wir, weshalb ihre Art Sex zu haben oder eben ihre Art Nicht-Sex zu haben bei ihnen beiden bereits einige sexuelle Störungen zeigt und für ein späteres lustvolles Voll-Sex-Leben hinderlich sein könnte.

Die Frau erklärte mir, dass wenn sie richtigen Geschlechtsverkehr habe, sie ja quasi den Ehebund vor Gott besiegeln würde, weil dann das Blut vom Hymen fliesse. Davor aber sei es das eben nicht. Das war nicht allein ihre Meinung, sondern offenbar das aller ihrer Freundinnen. Und das gaben sie auch so anderen weiter. Also Blut gleich Bund.  Dazu schrieb ich schon mal was in "Du hebelst grundlegende Ordnungen Gottes aus". Ich war total perplex. Ich dachte echt, solche Geschichten seien vor allem Internet-Stories aus Amerika. Wie zum Beispiel die, dass eine junge Frau ihrem Vater an der Hochzeit ein Zertifikat vom Arzt überreichte, welches ihr noch intaktes Hymen bezeugte. Dass das intakte Hymen ein absolutes Muss ist, hören wir zu genüge von jungen Musliminnen. Auch diese haben Analverkehr, um das Hymen intakt zu halten. Die chirurgische Wiederherstellung des Jungfernhäutchens boomt. Im Internet kann man Jungfernhäutchen-Attrappen mit Blut bestellen, die man in der Hochzeitsnacht einführt. Diese Frau erzählte mir dann auch, dass sie selbst mit dabei war an einem Seminar in den USA, wo über ihrer Gruppe von Frauen gebetet wurde, dass ihre Hymen wieder hergestellt werden.

Ich wollte von ihr wissen, ob sie das denn nachkontrolliert habe. Eine andere Frau erzählte mir mal, weil ich ihr dieselbe Frage stellte, sie hätte nicht nachgeschaut, aber sie hätte starke Schmerzen später beim ersten Sex mit ihrem Mann gehabt und es hätte auch etwas geblutet. Eine Vagina, die „nicht gebraucht“ wird, verengt sich wieder und kann beim ersten Sex nach langer Abstinenz schmerzen. Sex kann auch einfach schmerzen, weil die Muskeln angespannt sind, was bei Nervosität durchaus der Fall ist. Blut kann auch wegen einer kleinen Hautverletzung durch die ungewohnte Reibung fliessen. Gynäkologisch gesehen lässt ein wie auch immer aussehendes Hymen nicht auf Sex schliessen und auch nicht auf keinen Sex. Auch nicht eine Blutung. Abgesehen davon gibt es auch Frauen, die überhaupt kein Hymen haben. Von gar nicht vorhanden bis so dick und fest, dass es vom Arzt geöffnet werden muss - es gibt einfach alles. Unter diesem Link findet Ihr alles Wissenswerte zum Jungfernhäutchen.

Dieser heilige Gral des Jungfernhäutchens – er ist einfach nur Humbug. Unbiblische Mythologie. Es braucht überhaupt kein Blutzeichen. Zur Erinnerung – das Opfer ist vollbracht! Und sowieso nähme mich noch Wunder, wo denn dann das überprüfbare heilige Gralszeichen der Jungfräulichkeit des Mannes ist. Es kann doch nicht unser Ernst sein, dass Gott sowas wichtig sein soll. Es geht doch um ganz andere Dinge.

Frauen brauchen für ihren Selbstwert und ihr Selbstgefühl kein „intaktes“ Jungfernhäutchen, und schon gar nicht als Rechtfertigung für ihre Würde. Sondern sie brauchen zu wissen, wer sie sind und welchen Stand sie haben in Gott. Und sie sollten sich behaupten können, wenn sie gar keinen Sex wollen, er aber unbedingt schon. Die Mythologie um das Hymen hat mit magischem Denken zu tun und gar nichts mit befreiendem Glauben. Es hat auch gar nichts mit Aufklärung zu tun. Statt uns aufs Hymen zu stürzen, sollten wir junge Menschen über Sex aufklären. In Workshops zum Umgang mit Sexualität gehören Informationen zur Sexualität, zum Körper, zur sexuellen Entwicklung, wie man mit sexuellen Sehnsüchten umgeht, wie man Verantwortung und Eigenverantwortung entwickelt, sexuelle Selbstsicherheit und ein gutes Selbstgefühl usw. Da wäre so viel möglich, was junge Menschen echt wissen möchten. Aber dafür muss man sich dieses Wissen erst aneignen. Um Verhaltenscodexe und Hymen-Mythen zu predigen braucht man kein Wissen über Sexualität, tut aber so, als wisse man Bescheid.

Ein junger Mann fragte mich neulich ebenfalls danach, was warten heisst, und meinte: Aber man kann doch auch angezogen einen Orgasmus haben, ist denn das o.k.? Dieser Mann möchte wie viele andere die Grenze bis zum Äussersten ausreizen. Natürlich kann man das. Aber meiner Ansicht nach hat das nichts mit warten zu tun. Warten hat etwas mit Verzicht zu tun. In diesem Fall mit verzichten auf Sex. Sprich, auf sexuelle Befriedigung zusammen mit einem anderen Menschen. Was junge Menschen heute tun, ist warten ohne zu verzichten. Das ist ein Widerspruch in sich. Niemand muss verzichten – aber nennt es um Himmels Willen nicht warten.

Die Frau war am Ende unseres Gesprächs ziemlich betreten. Sie sagte, sie hätte allen gesagt, sie würde warten, und wäre auch sehr stolz darauf gewesen. Aber nun sehe sie, dass dem gar nicht so sei. Daraus nun zu schliessen, man könne jetzt voll aufs Ganze gehen, wenn ein bisschen Sex auch Sex ist, meine ich damit nicht. Ich bin überzeugt, es gibt gute Gründe, zu warten und sich langsam an die Sexualität heranzutasten und auch gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. Ein grosses Problem ist ja, dass wir der Sache überhaupt ein Label aufkleben müssen. Müssen wir aber nicht. Geht auch niemanden etwas an. Und selbst diejenigen, die sich nicht anrühren vor der Hochzeit, müssen ja nicht ein Schild „gewartet“ vor sich hertragen. Jesus nennt die Menschen, die rausposaunen müssen, was sie tun „Heuchler“. Allein im Matthäusevangelium 13 Mal.

Es gibt sehr gute Gründe zu warten. Der wichtigste ist, sich erst einmal überhaupt auf andere Weise kennen und immer besser kennen zu lernen. Dann würde vielleicht nicht geschehen, womit ich auch öfters mal konfrontiert bin. Dass Menschen zwar Sex miteinander haben, sich aber partout nicht entscheiden können, den Bund fürs Leben zu schliessen, weil sie sich nicht zu hundert Prozent sicher sind, dass sie den anderen wirklich „so fest“ wollen. Weil es gravierende Dinge gibt, die stören. Abgesehen davon, dass die heutige Generation Paarungswilliger sich tatsächlich extrem schwer tut, sich zu binden, und ihre Ansprüche zum Teil unerfüllbare Dimensionen haben, könnte es eben sein, dass man ohne Sex schneller rausfindet, das es nicht stimmt. Und man würde besser lernen, auf einem hohen Niveau zu kommunizieren, sagt eine Studie. Oder man würde merken, dass man gar nicht miteinander kommunizieren kann. Sex ist in Bezug all dieser Dinge ein schlechter Ersatz für eine gelingende Partnerschaft.

Unsere Zeit hat etwas ganz Kostbares verloren. Ich habe es schon letzte Woche angesprochen. Das Sehnen und Freuen und Verzichten. Die Bibel sagt, dass es Geduld bewirkt und die Geduld Bewährung und die Bewährung Hoffnung (Römer 5, 3-5). Alles Dinge, die uns zu verantwortungsvollen, gefestigten, sozialkompetenten Menschen mit Charakter machen. Zu Menschen mit einer Herzenbsbildung. Es gibt nicht nur im Glauben, sondern auch im Leben etwas Verheissenes, dessen Geheimnisse sich einem nur erschliessen, wenn man verzichten und warten kann.

Ich glaube, ich habe hier im Blog genügend betont, dass Sex richtig sein kann aber auch falsch. Dass jedes Paar für sich die Verantwortung tragen soll und muss. Vor allem zu erwachsenen Menschen sage ich: "Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig. Es geht niemanden was an, was ihr tut. Ihr müsst nicht verzichten, aber bitte nennt es nicht warten auf den St. Jümpferleinstag." :-)

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October 28, 2016

Auf Sex warten und Sehnsucht liess uns in die Pornofalle tappen

by Veronika Schmidt in falsche Scham, Küssen, Liebe, Lust, Porno, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Zusammenleben, 2017


Sehnsucht
Sehnsucht

Liebe Veronika

Mein Freund und ich sind seit 3 Jahren zusammen. Eine baldige Hochzeit liegt auf Grund des Studiums nicht drin. Seit wir zusammen sind, halten wir uns schön "brav" an den Grundsatz "Kein Sex vor der Ehe". Inzwischen wird dieser Vorsatz für uns immer schwieriger umzusetzen. Allerdings hält mein Freund daran sehr fest. Das Problem ist – wir sind stattdessen in die Falle gerutscht, unsere sexuelle Sehnsucht mit pornografischen/erregenden Bildern zu kompensieren.

In meinen Augen ist dieses Verhalten eine viel größere Sünde, als Sex vor der Ehe zu haben. Doch wir sehen das nicht gleich. Für mich jedenfalls ist Pornographie absolut keine Option. Wir bräuchten dringend einen Rat.


Viele Grüsse, Letizia 22 Jahre


Liebe Letizia

Es ist schon eine Weile her, dass Du mir Deine Frage im Blog gestellt hast. Normalerweise schreibe ich eine kurze Antwort zurück und teile der Fragestellerin oder dem Fragesteller mit, wann die Frage ausführlich beantwortet und veröffentlich wird. Doch das kann ich nicht, weil Du mir Deine Mailadresse auf dem Formular nicht hinterlassen hast. So weiss ich jetzt auch nicht, ob Dich die Antwort erreicht.

Die Frage nach der grösseren Sünde wird Euch nicht weiterbringen. Weil (angenommene) Sünde bewusst zu tun, grundsätzlich ein schlechtes Gewissen nach sich zieht. Ihr werdet somit Eure Sexualität von Anfang an mit Scham behaften, was langfristig ein ziemlicher Lustkiller ist. Für diesen Mechanismus spielt es nur bedingt eine Rolle, ob es jetzt Pornografie oder der Sex vor der Ehe ist.

Pornografie ist für Dich wohl deshalb keine Option, weil Du vermutlich, wie die meisten Frauen, diese gar nicht cool findest. Wenn es Dich trotzdem erregt, bedeutet das gar nichts. Der Erregungsreflex funktioniert automatisch und ist nicht zu kontrollieren. Er schaltet sich selbst dann über die Augen ein, wenn Du das Gesehene gar nicht attraktiv findest. Für Dich müsste es etwas fürs Gemüt sein - also wenn schon, dann richtigen Sex, reale Gefühle. Da würdest Du Nähe, Zärtlichkeit, Romantik und sexuelles Begehren finden. Hingegen ist für Deinen Freund Pornografie durchaus eine Option, weil viele Männer Pornos geil finden und sie daraus Befriedigung nehmen – und meistens auch sexuell Dampf ablassen – sprich sich einen runterholen. Wobei, es gibt Ausnahmen. Es gibt auch Männer die sagen: „Wenn ich Pornos anschaue, sehe ich nur Ejakulationen ohne jede Ekstase. Ich kann nicht verstehe, was Männer daran toll finden …“. Und ja, das sind wohl eher Männer, die richtigen Sex und den Unterschied kennen.

In einigen Beiträgen hier auf dem Blog findest Du Ausführungen zu Sex vor der Ehe. Zusammengefasst heissen die: Ihr müsst das selbst mit Euch und Gott klären. Es ist Eure Verantwortung – es ist Euer Leben. Martin Dreyer, Gründer von den "Jesus Freaks", sagt im diese Woche erschienenen Interview zu seinem neuen Buch "Der vergessene Jesus":  "Sexualität ist etwas Göttliches, etwas nur Gutes, ein Riesengeschenk, das Jesus uns gemacht hat. Wir sollten als Jesusnachfolger mehr darüber nachdenken, wie wir dieses Geschenk in dankbarer Weise auspacken, ausleben und genießen können. Wir wissen, dass Jesus ein normaler Mann war. Er hatte alle menschlichen Bedürfnisse, die die Wissenschaft heute kennt. Ich finde es vollkommen abwegig zu glauben, dass Jesus nicht auch sexuelle Gefühle kannte. Auch wenn er sie vielleicht nie mit einem Menschen ausgelebt hat. (…) Überall wo ich das sage, schreien Christen auf. Vielleicht auch, weil Jesus ihnen plötzlich zu nahe kommt. Nicht nur ins Herz, sondern auch in die Hose." Er habe das Buch geschrieben, sagt Dreyer, weil er überall ein verzerrtes, krampfiges und viel zu moralisches Christentum erlebe, ohne viel Freude. Er aber könne bei Christus von all dem nicht viel entdecken.

Was will ich damit sagen? Ihr solltet dringend für Euch die Sexfrage gründlich klären, auch Euren Zeithorizont und Eure Bedürfnisse und Wünsche. In Eurem Dilemma stecken viele Paare, die nicht einfach innert nützlicher Frist heiraten können. Und ich habe volles Verständnis für Eure Sehnsüchte. Euer jetziges Verhalten tut Euch aber nicht gut. Wenn Ihr wirklich warten wollt, solltet Ihr auf sexuelle Stimulation verzichten. Damit meine ich nicht Zärtlichkeiten, Küsse und Schmusen, sondern explizite Stimulation von Körper und Hirn. Wenn Du keine Pornos schauen willst, dann setze durch, dass Ihr keine Pornos schaut. Wenn Dein Freund keinen Sex vor der Ehe will, dann steckt zusammen den Rahmen ab, in dem Ihr Euch wohl fühlt. Wenn Ihr wollt, dann verzichtet auf Beides und richtet Eure Sehnsucht auf andere Dinge. Sublimieren sagt man dem. Wenn Eure sexuellen Sehnsüchte zu stark werden, dann stillt sie bei Euch, aber nicht zusammen.

Macht Euch Gedanken, wie Ihr Eure Beziehung auch im Detail leben wollt. Verpflichtet Euch darauf und plant Eure gemeinsame Zeit im Voraus und haltet dann daran einigermassen fest. Pflegt und vertieft auf andere Weise Eure Beziehung, lernt Euch immer besser kennen und erlebt andere positive Dinge miteinander. Oder aber klärt, ob Ihr „Es“ doch tut, oder ab wann und unter welchen Bedingungen Ihr es ihn Zukunft tun wollt, aber in Freiheit und bewusst geplant und nicht aus dem Affekt heraus und aus Frust, oder weil Ihr denkt, damit würdet Ihr der Pornofalle entkommen.

Dazu möchte ich Euch zu bedenken geben: Euer jetziges Muster ist nicht hilfreich für Euer späteres Liebesleben. Ihr programmiert Euer Hirn darauf, sexuelle Erregung aus pornografischen Darstellungen zu nehmen, statt aus der Wahrnehmung und Bewegung des Körpers. Also speichert Euer Hirn, „pornografische Darstellungen bringen die Erregung.“ Nun könnt ihr Euch vorstellen, wie sexuell erregend Euer Hirn dann einmal Euch selbst in Eurer Nacktheit findet und was Ihr im Sex tut, gemessen an den Pornobildern. – Gähn! Ich hatte schon solche Paare in der Beratung, die jahrelang eine Art Ersatz-Sexualität gelebt haben und dann beim richtigen Sex fanden: „Ist das jetzt alles?“ Die mussten richtig von Grund auf „normale“ Sexualität lernen und sie schön finden.  

Und nun zur Sehnsucht. Sehnsucht könnte man definieren als „Krankheit des schmerzlichen Verlangens“. Sie ist ein inniges Verlangen nach einer Person, einer Sache, einem Zustand oder einer Zeitspanne. Sie bezieht sich auf Etwas oder Jemanden, den man liebt oder begehrt. Sie ist mit dem schmerzlichen Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht nicht erreichen zu können. Was hat Sehnsucht für eine Funktion? In der Sehnsucht kann man für eine gewisse Weile das perfekte Leben haben. Sie hilft, mit der eigenen Unfertigkeit, mit Verlusten und dem nicht-perfekten Leben umzugehen. Zum anderen kann Sehnsucht dem Leben eine Richtung geben. Sie kann einem dabei helfen, sich Ziele in den Lebensbereichen zu setzen, die einem besonders wichtig sind. Sehnsüchte haben und aushalten tut der Persönlichkeit gut. Doch wir heutigen Menschen haben das leider total verlernt. Wir meinen zu sterben, wenn wir Sehnsüchte nicht sofort stillen können. Das macht uns alle zu Junkies. 

Doch es ist wichtig, seine Sehnsuchtsgefühle kontrollieren zu können und sich ihnen nicht ausgeliefert zu fühlen. Sonst kann Sehnsucht zu Melancholie führen. Ältere Erwachsene sehen Sehnsüchte positiver als junge Erwachsene. Jeder Mensch kennt das bittersüsse Gefühl der Sehnsucht. Sehnsucht ist ein Ziehen in der Brust, es schmerzt, aber Sehnsucht ist auch ein schönes Schwelgen in den Vorstellungen von dem grossen Glück. Diese Vorstellung allein könnte grundsätzlich auch schon Glück sein. Das ist es ja, was langjährige Paare manchmal vermissen und deshalb vielleicht ihre Beziehung langweilig finden. Weil die Sehnsüchte fehlen, die einen in gewisser Weise auch lebendig fühlen lassen. Bitter macht die Sehnsucht dann, wenn wir wissen, dass das Begehrte unerreichbar ist, für immer. Doch Warten ist nicht gleich Unerreichbar.

In diesem Sinne wünsche ich Euch, dass Ihr offen und ehrlich miteinander über Eure Wünsche und Vorstellungen ins Gespräch kommt, den Mut habt, konkrete Ziele zu definieren und wie ihr sie erreichen wollt und die Stärke, sehnsuchtsvolle Gefühle auszuhalten. Herzliche Grüsse - Veronika

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October 21, 2016

Warum sind manche geistlichen Leiter so körperfeindlich?

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, falsche Scham, Gott, Grenzen setzen, Konflikte, Selbstgefühl & Selbstwert, Sexueller Missbrauch, Sünde, 2016


körperfeindlich.ipg
körperfeindlich.ipg

Hoi Veronika
Eine Frage beschäftigt mich schon länger. Warum denkst Du, sind manche Christen, vor allem Leiter, so körperfeindlich?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese die „sündigen Laster des Körpers“ als ganz besonders schlimm taxieren. Für mich hatte es zur Folge, dass ich meinte, mich selbst kreuzigen zu müssen und mich unglaublich anstrengte, jede sexuelle Regung aus mir rauszureissen. Die Folge war, dass ich meinen Körper zu hassen begann. Ich erlebte Rechenschaftstreffen, in denen  Körperteile freigebetet wurden, oft mit entwürdigenden Methoden.

Was mich zudem nachdenklich macht ist, dass viele christliche Leitende/Seelsorgende schlecht mit Menschen mit Missbrauchsgeschichten, Pornographie oder Scheidung umgehen können. Sie reagieren oft hart und lieblos, und so kommt aufs körperliche Trauma des Ratsuchenden auch noch ein geistliches dazu.

Ich würde mir so wünschen, dass wir Christen mehr Mut zu Seele, Geist und Körper hätten. Liebe Grüsse - Ursina, 36 Jahre


Liebe Ursina

Das ist eine gute Frage – weshalb wir auf Sex-Sünden stärker reagieren als auf andere.  Ich denke, es hat damit zu tun, dass jeder Mensch bei einer sexuellen Fragestellung unmittelbar mit sich selbst konfrontiert ist. Konfrontiert mit seinen eigenen Regungen, Sehnsüchten und seinen Kämpfen damit. Jeder der „fällt“, spiegelt mir, dass mir das auch passieren könnte. Weil ich eben Sexualität nicht aus mir „rausreissen“ kann, wie Du es ausdrückst.

Und natürlich ahnst Du ja schon, dass das Problem die unterschiedliche Wertschätzung von Geist, Seele und Körper ist. Viele Christen  haben immer noch das Bild: Geist gut - Seele problematisch - Körper geht gar nicht. Die Seele ist zu labil, nicht konform in den Reaktionen, der Körper geht nicht, weil Sitz der Geschlechtlichkeit und nicht zu kontrollieren. Aus Sicht des Geistes gesehen, sind seelische und körperliche Bedrüfnisse viel zu banal. Dieses unterschiedlich wertende Denken sehe ich nicht in der Bibel. Und schon gar nicht in der Schöpfung des Körpers, welche eine Körper-Hirn-Einheit ist, die im besten Fall perfekt wechselseitig aufeinander einwirkt. Werten wir Körper und Seele ab, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir beginnen diese zu hassen, mit gravierenden Folgen für unser Selbstgefühl.

Das Bedürfnis nach Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Wir haben primäre Bedürfnisse wie die nach Luft, Wasser, Nahrung, Schlafen, nach körperlichem Schutz, nach Abwesenheit von Furcht und eben nach geschlechtlicher Befriedigung. Und darüber hinaus auch psychosoziale Bedürfnisse wie die nach Liebe, Geborgenheit, neuen Erfahrungen, Lob, Anerkennung und nach Verantwortung. Alle diese Bedürfnisse betreffen uns ganzheitlich, also Geist, Seele und Körper.

Der Wunsch, die menschlichen Grundbedürfnisse asketisch zu kontrollieren, finden wir in allen Kulturen. Asketen und Körperfeinde, und das sind durchaus Frauen wie Männer, versuchen mit Hilfe des Geistes diese Grundbedürfnisse möglichst klein zu halten oder gar auszurotten. Damit einher geht oft der zwanghafte Impuls, diese Regungen auch beim anderen unterdrücken zu wollen. Leiter sind vermutlich nur mehr in dieser Gefahr, weil sie sich für die Gemeinschaft verantwortlich fühlen.

Der sexuelle Sündenfall des anderen gibt uns die perfekte Gelegenheit, alle eigenen sexuellen Nöte und Frustrationen auf ihn zu projizieren. Ich fühle mich schlecht mit meiner eigenen Sexualität, nicht rein, nicht geistlich genug, vielleicht habe ich sexuell gesündigt, ich kämpfe stark mit meinen sexuellen Bedürfnissen oder habe diesen Kampf unter viel Mühen endlich geschafft. Und nun steht da eine Person, die ist gescheitert und zwar offensichtlich für alle. Ich kann problemlos meinen eigenen Frust auf ihr abladen. 

Diese Regung der Projektion entlarvt Jesus eindrücklich in der Begegnung mit den Schriftgelehrten, Pharisäern und der Ehebrecherin in Johannes 8,2-11. Hier wird eine Konfrontation mit Jesus beschrieben zu der Frage, ob eine Frau die soeben beim Ehebruch erwischt wurde, gesteinigt werden muss. Die Wendung „den ersten Stein werfen“ aus Vers 7 dieser Begebenheit ist als geflügeltes Wort zur Beschreibung selbstgerechten Verhaltens in viele Sprachen eingegangen. Jörg Zink drückt es in seinem Buch WAS BLEIBT, STIFTEN DIE LIEBENDEN unverblümt so aus: "Die Ehebrecherin ist sozusagen das Lasttier, auf das der Neid, die Geilheit, die Lüsternheit der anderen gepackt werden. Sie hat alles zu tragen, was in den Gerechten rumort, nach oben drängt und sogar dann und wann ausbricht." Jesus sagt den selbstgerechten, verurteilenden und ihre eigenen sexuellen Stolpersteine auf die Frau projizierenden Pharisäern und Schriftgelehrten: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Die Umstehenden liessen einen nach dem anderen ihre Steine (Projektionen) fallen und gingen weg. 

Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich ohne Übertreibung festhalten: Die grössten Moralapostel haben oder hatten am meisten Dreck am Stecken. Ihr Kampf gegen die sexuellen Regungen ist ihr eigener Kampf um sexuelle Reinheit. Das viele Ratgebende nicht sinnvoll mit Ratsuchenden umgehen können, ist für mich neben derer eigener Befangenheit mangelnde Kompetenz und Unwissen. Gerade wenn es um die Sexualität geht, ist die Christenheit schlicht und einfach sprachlos, sprich sprachunfähig. Dieser Mangel liesse sich aber beheben, wenn man denn wollte.

Dass Unwissen oder einseitiger Glaube im schlimmsten Fall auch zu absurden exorzistischen Ritualen führen kann, wie du antönst, ist für mich eindeutig sektiererischer und grober geistlicher Missbrauch. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns nicht von geistlichen Autoritäten abhängig machen. Wir sollten vor allem von Gott abhängig sein und selbst um unseren Glauben, unser Wissen und unsere Aufklärung bemüht sein. Paulus sagt im 1. Thess. 5, 21:  „Prüft aber alles, das Gute haltet fest!“ Halte ich mich in einer geistlichen Gemeinschaft auf, wo das was da abläuft, für mich nicht gut anfühlt, sollte ich unbedingt den Mut haben, mich zu lösen und zu gehen.

Diese Freiheit, liebe Ursina, wünsche ich uns allen zu jeder Zeit. Herzlich - Veronika


weiterer Blog zum Thema: DER MYTHOS SEXUALTRIEB UND SEINE DÄMONISIERUNG

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September 2, 2016

Sexueller Missbrauch - das (nicht nur) christliche Tabu

by Veronika Schmidt in Sexueller Missbrauch, Fragen, Gott, Grenzen setzen, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sünde, Zusammenleben, 2016


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

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Liebe Veronika

Ich beschäftige mich aktuell beruflich stark mit dem Thema "sexueller Missbrauch". Dabei stelle ich mir immer mehr die Frage, was Sexualität denn so bedeutsam macht, dass die Menschen sie benutzen, um andere Menschen zu erniedrigen, und warum ein sexueller Missbrauch Menschen so umfassend zerstören kann.

Klar, auch körperliche und seelische Gewalt zerstören. Aber warum benutzen Menschen überhaupt die Sexualität dazu? Oder warum benutzt Satan die Sexualität/sexuelle Identität um zu zerstören?

Warum ist Sexualität so wichtig für den Menschen? Warum hat Gott dem so eine Bedeutung beigemessen und was hat er sich dabei gedacht?

Schliesslich noch die Frage, warum hat Gott Sexualität überhaupt für nötig befunden? Bitte nicht die Antwort "weil‘s schön ist", sondern was wiederspiegelt sie und wie steht Sexualität in Verbindung mit der geistlichen Dimension?

Bin mega gespannt auf Deine Antwort.
Herzlich, Isabella, 34 Jahre

 


Phuu, liebe Isabella, Du bringst mich echt ins Schwitzen!

Deine Fragen beschäftigen alle, die mit sexuellen Verletzungen, Missbrauch und Ausbeutung konfrontiert oder davon betroffen sind. Mich machen viele Geschichten, die ich höre, ziemlich sprachlos. Vor allem, wenn die Täter Christen sind. Dazu noch Christen in Leitungsverantwortung. Wie können Menschen – oft, aber nicht immer Männer -  solche Dinge tun? Weshalb werden diese Dinge in der christlichen Gemeinde verschwiegen und unter den Teppich gekehrt? Weshalb werden Opfer zu Tätern gemacht? Die Betroffene ILLE OCHS hat sich diesen schmerzhaften Fragen in ihrem neuen Buch IM KÄFIG DER ANGST gestellt.

Als Therapeutin bemühe ich mich sehr, das Gute, das Potenzial im Menschen zu sehen. Doch angesichts aller Gräuel in dieser Welt – schon immer, nicht erst heute – fühle ich mich oft ohnmächtig gegenüber der Bösartigkeit des Menschen. Ist der Mensch eine Bestie? Was macht den Menschen zur Bestie? Oft auch zu einer Bestie im Nadelstreifenanzug? Die gefallene Schöpfung, der sündige gottferne Mensch, die Mächte der Finsternis sind als Erklärung für Dich sicher nicht zufriedenstellend. Und Du fragst ja nach Gründen für die sexuelle Gewalt.

Die Welt wird regiert mittels Macht, Geld und Sex. Heute bin ich überzeugt, alle drei bedingen einander. Wo das eine ist, sind auch die anderen. Aber weder mit Macht noch mit Geld lassen sich Menschen so nachhaltig zerstören wie mit Sex. Und weil der Mensch das offenbar weiss, gibt es keine Kriege ohne systematische sexuelle Gewalt. Weltweit wird mehr Geld verdient mit sexueller Gewalt als mit Drogen – und entsprechend natürlich auch konsumiert. Menschenhandel und Sklaverei sind weiter verbreitet als je zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte und immer gepaart mit sexueller Gewalt.

Sexuelle Übergriffe, egal welcher Intensität, verletzen oder zerstören unsere persönliche Integrität und Identität. Und weshalb mehr als alle andere Gewalt? Weil es keine krassere Grenzüberschreitung gibt. Weil sie eine eindringende Gewalt ist. Sie dringt buchstäblich und real in den Körper ein. Und sie lässt nicht nur seelische und körperliche Verletzungen zurück, sondern auch die innere Verschmutzung vom Peiniger und im schlimmsten Fall ein Kind. Sämtliche Wahlmöglichkeiten und die Würde werden einem genommen. Und genau das zerstört unsere Person, welche, wenn intakt, angelegt ist auf menschliches Zusammensein, welches nur gesund stattfinden kann, wenn die gegenseitigen „Grenzen“ (Integrität) und das „Wer-ich- bin“ (Identität) gewahrt werden und ich diese verteidigen kann (mit Grenzen setzen und Kommunikation*). Täter achten und respektieren keinerlei persönliche Grenzen.

Du fragst, weshalb gibt es Sexualität überhaupt? Was hat sich Gott dabei gedacht? Ich möchte mir nicht anmassen, das zu wissen. Aber ich finde für mich ein paar Gedanken, die mir gefallen. Es gibt Bibelausleger, die aufgrund der verschiedenen Schöpfungsberichte davon ausgehen, dass der Mann und die Männin im Paradies noch nicht den irdischen Körper und keinen Sex hatten. Auch in der Ewigkeit werden wir nicht mehr im irdischen Körper und in sexueller Weise Mann und Frau sein. Wie dem auch sei - es gab im Paradies also engste ganzheitliche Beziehung und Gemeinschaft untereinander und zu Gott. Für Gott hätte das so bleiben können. Es war ja noch nichts vergänglich. Doch dann haben die zwei Paradiesmenschen das einzige bestehende Stopp-Signal übertreten (Grenzüberschreitung) und mussten in der Folge die Gemeinschaft mit Gott verlassen. Angst, Scham, Einsamkeit, alle die uns so vertrauten Gefühle bestimmten nun ihr Leben. Sie bekamen einen irdischen, verwesenden Körper und die Sexualität, damit sie sich wenigsten auf diese menschliche Art ähnlich nahe sein konnten, wie zuvor in der Nähe mit Gott. Sie sollten sich auch vermehren können, weil ja nun alles endlich sein würde, vom Tod bedroht.

Es hätte schon Sinn gemacht und würde immer noch Sinn machen, wenn wir verantwortungsvoll damit umgehen würden. Nichts bringt uns dem Partner näher, als wenn wir uns geistig, seelisch und körperlich unverschämt zeigen und auf ihn einlassen können. Mehr Nähe geht nicht. Das ist für mich die geistliche Dimension. Auch nichtgläubige Paare bestätigen, dass es diese tiefen spirituellen Momente im Geschlechtsakt gibt. Und umgekehrt erleben gläubige Paare nicht unbedingt diese Intimität, wenn sie sich einander nicht in dieser Dimension öffnen. Immer wieder drückt Gott in der Bibel seine Sehnsucht nach tiefer Gemeinschaft mit dem Menschen aus und vergleicht sie mit der Paarbeziehung. Er wünscht sich, dass es für alle, für ihn mit den Menschen, für die Paare miteinander, so wäre, wie von Anfang an gedacht. Aber wir haben alles pervertiert, um damit unsere Macht auszuspielen, den anderen zu erniedrigen und zu quälen. Selbst Christen sind nicht davor gefeit, gequält zu werden, noch wohnt in ihnen automatisch das Gute.

Und so sind wir nun beim freien Willen des Menschen. Jedem Menschen. Wir haben eine Wahl. Wir haben einen freien Willen, Gott hat sich so entschieden. Wir Christen sagen oft so schnell, Satan habe alles Gute von Gott pervertiert. Siehe auch den Beitrag DIE DÄMONISIERUNG DES SEXUALTRIEBS. Doch wer ist Satan? Wer sind die Dämonen? Sitzt nicht in uns drin unser grösster Feind, unsere dämonischste Finsternis, unsere schrecklichste Bedrohung? Die Gier nach Macht, Einfluss, Geld, Ausschweifungen, Lustbefriedigung um jeden Preis, Bequemlichkeit um jeden Preis? Immer mal wieder sitzt ein von einer Affäre betroffenes Paar vor mir und sagt übereinstimmend: „Das ist ein dämonischer Angriff auf unsere Ehe.“ „Die andere Frau, der andere Mann ist in unsere Ehe eingedrungen.“ – Entschuldigung, so einfach ist es nie. Selbst wenn ich verführt werden sollte, habe ich die Wahl, mich darauf einzulassen. Oft habe ich bis zur letzten Wahl schon ein paar andere Entscheidungen getroffen. Oder Nicht-Entscheidungen, was auch eine Wahl ist.

Unser Leben ist ein uns von Gott anvertrautes Pfund. Nicht jeder hat dieselben Voraussetzungen, dasselbe Mass. Aber wir sollen nach bestem Wissen und Gewissen daraus was Gutes machen. Doch wenn was schief läuft, ruft der Mensch in seinem Entsetzen aus: „Wo war da Gott?“. Ich frage: „Wo ist da Gott in Dir, in Deinem Nächsten, in der Weltgemeinschaft? Kümmert es jemanden, wie Gott es meinen würde, damit es ein gutes Leben für alle gibt?“ Ich kann Gott nur in mir selbst finden, in meiner Beziehung zu ihm oder in anderen Menschen, die Gott lieben und in der Gemeinschaft mit ihnen. Es gibt im Moment nur den Beziehungsgott, der sich in unserem Leben zeigt. Der Weltengott zeigt sich noch nicht, aber die ganze Schöpfung wartet darauf, dass er es tut. (Römer 8, 18-39). Indem wir uns für missbrauchte Menschen einsetzen und dafür, dass (sexuelle) Ausbeutung in allen Formen aufhört, können wir die Freiheit und Erlösung im Kleinen schon wahrmachen.

Du fragst auch: „Was macht Sexualität zentral?“ Sexualität, Geschlechtlichkeit und die entsprechenden körperlichen, hormonellen und hirnorganischen Vorgänge sind hoch komplex und machen uns erst zu einer Frau oder einem Mann und stiften die entsprechende Identität. Sexualität beschert uns über diese Vorgänge hinaus auch einen inneren Motor, einen Antrieb. Sexualität ist Energie in uns. Dieser Motor ist nicht zwingend die sexuelle Betätigung, aber auch. Die sexuelle Anlage an sich ist es. Dass ich bewusst damit lebe und mich als sexuelles Wesen anerkenne mit sexuellen Sehnsüchten. Dass das gut so ist und ich meinen Körper und seine Empfindungen lieben darf. Diese sexuelle Energie und Sehnsüchte kann ich auch auf nicht sexuelle Dinge und Beziehungen übertragen und ausleben. In Kreativität, Nächstenliebe, Projekte, Freundschaft, eigenem Wohlbefinden usw. Das können wir vielleicht erst verstehen, wenn wir an Menschen die schrecklichen Folgen  zerstörter Sexualität sehen. Die Persönlichkeit ist gebrochen. Energie und Kreativität sind weg. Alles im Leben fällt schwer. Das Lebhafte ist weg. Der Missbrauch ist vielleicht verdrängt, abgespalten und verborgen, aber das Empfinden von Geborgenheit, Freude, Lebendigkeit und Beständigkeit kann sich nicht mehr einstellen.

Liebe Isabella, unsere Geschlechtlichkeit, unsere Sexualität ist viel umfassender und ganzheitlicher, als nur der sexuelle Akt. Gott hat es so eingerichtet, damit für ein Paar tiefste, umfassendste Intimität. Vertrautheit und Gemeinschaft möglich ist, dass wir ineinander uns selbst finden können und unsere Persönlichkeit entwickeln. Davon schreib ich auch im zweiten Teil in meinem Buch. Pervertierte Sexualität wird genau das Gegenteil bewirken. Wir verlieren uns als Paar, verlieren uns selbst, werden distanziert, hart und kalt und entwickeln uns im schlimmsten Fall zur egoistischen Bestie, die den anderen quält, erniedrigt und ihm den Lebensmotor abwürgt.

Herzliche Grüsse – Veronika

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von Anselm Grün und Ramona Robben
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