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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

January 27, 2017

Wie definierst Du Unzucht?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Bibel, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Unzucht, 2017


redlight
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Liebe Veronika

Ich habe eine wundervolle Beziehung mit einem wundervollen Freund. Wir sind beide gläubig, trotzdem war es bald mit dem Warten vorbei – ein wenig zu schnell, aber daran bin ich auch nicht unschuldig. Jedenfalls habe ich mich lange mit dem Thema Sex vor der Ehe befasst und bin auch über Deinen Blog gestolpert. Ich bewundere Deine Arbeit und Du sprichst mir voll aus dem Herzen.

Mein Problem ist, ich gehe in eine Kleingruppe, in der die Bibel seit neustem sehr wörtlich vermittelt wird. Einerseits ist das ja gut, aber ich mag es nicht, "niedergebibelt" zu werden. Und es gehen mir schnell die Argumente aus, wenn es immer heisst, es steht ja so in der Bibel. Mein Standpunkt zum Thema Sex vor der Ehe ist für mich eigentlich geklärt. Doch weil ich mir anhören muss, dass Sex vor der Ehe Unzucht ist, und dass man sich von seinen fleischlichen Begierden abwenden soll, würde ich doch gerne von Dir wissen, wie Du Unzucht definierst und was Du zu den fleischlichen Begierden sagst?

Viele Grüsse Carla, 22 Jahre


Liebe Carla

Ja, das ist eine heisse Frage. In Bezug auf Sex vor der Ehe werden abwechslungsweise die Begriffe „Unzucht“ und „Ehebruch“ herbeigezogen. Die einen argumentieren bei Letzterem, Sex vor der Ehe sei Ehebruch am zukünftigen Partner. Das liesse sich eigentlich nur mit einem jungfräulichen und jungmännlichen Gebot rechtfertigen, aber das gibt es so in der Bibel nicht. In der Sündenaufzählung in Mth. 15,19 kommen beide vor, Unzucht und Ehebruch: „Denn aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken: Mord, Ehebruch, Unzucht (genau: Hurereien), Diebstahl, falsche Zeugnisse, Lästerungen;“

Obwohl Du nur nach Unzucht fragst, nehme ich den Ehebruch mit dazu, weil es mir die Argumentation erleichtert. Das griechische Wort Porneia wird als Unzucht, Hurerei oder Prostitution übersetzt, und meint, im aus dem Wort abgeleiteten Sinn, die Liebe, die man kaufen oder verkaufen kann, oder meint auch unerlaubten oder unmoralischen Geschlechtsverkehr oder entsprechende sexuelle Beziehungen. Zur Zeit der Apostel herrschten in der griechisch-römischen Welt chaotische Sittenlosigkeit und Unmoral. Ehefrauen waren nicht für die sexuelle Lust da, sondern um legitime Kinder zu zeugen und den Haushalt vertrauenswürdig zu führen. Für den Rest hielt man sich Mätressen, Konkubinen oder Lustknaben und ging zu Prostituierten (oft mit der Religion verbunden im Tempel).

Was Paulus schockierte, war die Tatsache, dass sich die Korinther darüber nicht entsetzten und in den eigenen Reihen sexuelle Unordnung duldeten (1. Kor. 5,1). Deshalb wohl beginnt Paulus seine Aufzählung der Werke des Fleisches* mit den sexuellen Sünden. Er bringt mit dem Christentum eine ganz neue Moral der gelebten Reinheit. Paulus zeigt eine höhere Lebensform auf. Der Christ soll sich völlig von porneia enthalten (1. Tess. 4,3), er muss sie fliehen (1. Kor. 6,18), er muss ihre Werke abtöten (Kol. 3,5), er sündigt damit gegen seinen eigenen Körper (1. Kor. 6,18), welcher nicht der Unzucht sondern Gott gehört (1. Kor. 6,13).

Den Ehebruch brauche ich nicht zu erklären. Höchstens in dem Sinne, dass ich darunter einen grundsätzlichen Treuebruch oder Betrug verstehe. So gesehen kann dieser Bruch nicht nur sexueller Natur sein, sondern auch beinhalten, dass man mit einer anderen Person intimste Emotionen und Empfindungen teilt, nicht aber mit dem Partner. Es wäre sogar denkbar, dass jede Form von Betrug darunter fällt, zum Beispiel auch grobe finanzielle Verfehlungen ohne Wissen des Partners.

  • Unzucht ist jede Form von ungeordnetem Sex. Gekauft, verkauft, aber auch unbezahlter Geschlechtsverkehr ohne jegliche Verbindlichkeit. Ich würde dazu definieren: jeder Art von Sex, die mir oder jemand anderem Schaden zufügt. 
  • Ehebruch ist ein sexueller oder emotionaler Treuebruch in einer verbindlichen Beziehung oder in eine verbindliche Beziehung hinein. Indem die Person entweder Unzucht betreibt oder sich auf sexuelle oder emotional intime Weise auf eine andere vertraute Beziehung einlässt.
  • (Fleischliche) Begierden meint nach meinem Dafürhalten „Sucht“: Abhängigkeit, Drang, Gier, Laster, Lust. Das kann Sex, aber auch andere Dinge betreffen.

Meiner Meinung nach ist nichts von alledem gerechtfertigt, um auf „Sex vor der Ehe“ in einer verbindlichen Beziehung angewendet zu werden. Aber auf die verbindliche Beziehung selbst. In einer Beziehung zu sein, aber nicht verheiratet, legitimiert weder Unzucht noch Beziehungsbruch. Untreue betrifft jede Art von verbindlicher Beziehung. In der heutigen Lebenswelt ist Sexualität vom Gesetz her geregelt und entsprechend legitimiert, deshalb treffen weder Ehebruch, Unzucht, Hurerei, Prostitution noch die Definition „unerlaubt oder unmoralisch“ in irgendeiner Weise auf „Sex vor der Ehe“ zu.

Doch eine Gemeinde könnte auf der entsprechenden „Hausregel“ bestehen, weil jede Organisation sich eigene Regeln gibt. Das bedeutet, eine Gemeinde kann für sich die Regel aufstellen, sie möchte beispielsweise keine Personen auf der Bühne oder in Leiterschaft haben, die im Konkubinat leben. Eine ähnliche Regel aufzustellen in Bezug auf „Sex haben“, dürfte bereits schwierig werden, weil unter die Bettdecke der Menschen zu schauen schon recht grenzwertig ist. Sie könnte höchstens aufgrund von Eigendeklaration durchgesetzt werden.

In der heutigen Lebenswelt lassen sich Lebensformen der biblischen Zeit nicht mehr einfach als „göttlich gegeben“ begründen. Auch kommt es sehr auf die speziellen Lebensumstände und die Lebensphase eines Paares drauf an. Ein Paar sollte in Eigenverantwortung selbst über sein Sexleben bestimmen. Dennoch können wir aus der Bibel „Verzicht auf Sex vor der Ehe“ als hilfreichen Rat für eine Beziehung herauslesen. Und ich würde nie einem Paar raten, Sex zu haben, das für sich die Sexualität für die Ehe aufsparen möchte. Aber ich würde ihm raten, sich sexuell zu entwickeln und sich auf die Paarsexualität vorzubereiten.

Liebe Carla, über den folgenden Link könnt Ihr Euch auf eine der Lebenswelt angepasste Weise mit Sexualität und Glauben auseinandersetzten: Vorlesung von Sigfried Zimmer zum Thema „Christliche Sexualethik – der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften“. (Achtung - Explosiv)

Herzliche Grüsse - Veronika

*Galater 5,19-21: „Offenbar aber sind die Werke des Fleisches; es sind: Unzucht (Hurereien), Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen (genau: Sekten), Neidereien, Trinkgelage (genau: "Räusche" – egal mit welchen Substanzen herbeigeführt), Völlereien und dergleichen. Von diesen sage ich euch im Voraus, so wie ich vorher sagte, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“

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January 20, 2017

Starke Frauen - starke Männer

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, Gleichberechtigung, Gott, Liebe, Partnerwahl, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Zusammenleben, 2017


luthers.ipg
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Martin Luthers Frau als Vorbild für eine starke Frau

«Neben jeder starken unabhängigen christlichen Frau steht ein starker unabhängiger Mann, der diese Tatsache aushält und begrüsst. Das hat ganz eigentlich mit befreiter Sexualität zu tun. Katharina von Bora und Martin Luther lassen grüssen.»

Vor 500 Jahren hatten Luther, Zwingli und Co. den Mut, Glaubenssätze und Traditionen, die von der Kirche als einzige Wahrheit verkauft wurden, zu hinterfragen. Nach wie vor sind die Kirchen reformbedürftig. Livenet bringt daher Thesen zur Inspiration. Heute meldet sich die Sexologin, Beraterin und Autorin Veronika Schmidt zu Wort.

Sex, Rollenbilder und Gleichstellung haben einen direkten Zusammenhang. Vor allem für die Frau ist befreite Sexualität entscheidend für ihre ganzheitliche Entwicklung. Wer's nicht glaubt, schaue über den Tellerrand in andere Teile der Welt um festzustellen, wie das Leben von Frauen ohne sexuelle Selbstbestimmung aussieht. Sie haben weder Bildung noch Entwicklungschancen. Eine sexuell freie Frau hingegen ist in ihrer Persönlichkeit, ihrer Partnerschaft und Gesellschaft frei.

Katharina – selbstbewusst und unkonventionell

Solche Paarvorbilder brauchen wir. Eines davon finden wir 500 Jahre zurück in Katharina von Bora und Martin Luther. Luther heiratet Katharina, «um den Teufel zu ärgern». Sie war eine starke Persönlichkeit und das Paar Luther zwei sich liebende Hitzköpfe, die sich zeitlebens respektierten und herausforderten. Die beiden führten eine beispielhafte Ehe auf Augenhöhe und lebten eine von Gnade, Freude und Humor erfüllte Partnerschaft. Eleonore Dehnerdt* schreibt, dass dies vor allem Katharinas «unbeugsamem Selbstbewusstsein» zu verdanken war.

Martinus war nicht Katharinas erste Wahl. Aber nachdem sie ihre grosse Liebe nicht heiraten durfte, entschied sie sich für den Mann, der ihr die besten Entwicklungsmöglichkeiten bot. Das war eine kluge Wahl. Katharina war gebildet, konnte lesen, schreiben und beherrschte Latein. Sie kam aus der Klosterwelt, in der sie als Frau kein «minderwertiger» Mensch war, wie es das damalige Gesetz behauptete. Sie lebte selbstständig, zielsicher, fackelte nicht lange, bevor sie etwas tat und hielt sich auch nicht an Konventionen.

Sexualität als Grundlage von Erfolg

Wo sind heute die selbstbewussten Katharinas? Seit Jahren werden Frauen an Frauenanlässen ermutigt, sich toll, wunderbar und liebenswert zu finden. Doch wann endlich kommt die Botschaft: «So, jetzt wissen wir alle, wie wunderbar wir sind. Jetzt brechen wir auf zu grossen Taten und erobern uns die Welt.» Ich behaupte, diese Botschaft kommt nicht, weil Sex an Frauenveranstaltungen kein Thema ist. Nicht mal ein Hauch davon. Doch aus sexueller Selbstsicherheit und der daraus entspringenden Selbstbestimmung kommt weltverändernde Kraft. Das sah wohl auch Luther so. Er war ein sexueller Rebell. Betonte die ungezähmte Natur der Sexualität als ein natürliches Bedürfnis. Nicht nur in Bezug auf die Lust des Mannes, sondern vor allem auch auf die Befriedigung der Frau.

Das Ehepaar Luther definierte für sich ein unübliches Rollenbild. Katharina redete mit, brachte sich ein, praktisch und intellektuell. Sie war äusserst erfolgreich und sicherte das wirtschaftliche Überleben aller, die im Hause Luther ein- und ausgingen: Kindern, Studenten, Gelehrten, Fürsten. Luther gab sein altes Frauenbild unter Katharinas Gegenwind bald fröhlich und erleichtert auf. Das sollte uns heute Vorbild sein. Die veränderten gesellschaftlichen Beziehungen der Geschlechter bewegen einiges, auch in der christlichen Lebenswelt. Dass manchmal Männer sich nicht aktiv entwickeln in eine veränderte Gesellschaft hinein, daran ist nicht die Entwicklung der Frau schuld, sondern dass Männer sich nicht damit auseinandersetzen, wer sie sind und sein möchten. Viele Männer verabschieden sich gerne vom patriarchal-religiösen Rollenverständnis und teilen erleichtert die Verantwortung. Nicht mehr Richtig oder Falsch sollten die Rollenfrage, Familienarbeit und Erwerbstätigkeit bestimmen, sondern allein die persönliche Situation und die spezifischen Talente des Paares. 

*Eleonore Dehnerdt: «Katharina – Die starke Frau an Luthers Seite». 2015. Brunnen Verlag Giessen

These erschienen auf Livenet am 14. Januar 2017

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November 4, 2016

Die "Warten"-Lüge

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, das erste Mal, Gleichberechtigung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Zusammenleben, 2017


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Immer wieder komme ich mit jungen Erwachsenen ins Gespräch über ihr Warten mit dem Sex. Davon, dass sie warten, sind sie fest überzeugt. Sprechen wir dann aber weiter, kommt schnell heraus, dass sie nicht nur schmusen, kuscheln, küssen und zärtlich sind, sondern dass sie nackt und mit allem Drum und Dran Liebesspiele bis zum Orgasmus haben. Also, alles – nur nicht „richtigen“ Geschlechtsverkehr.

Zu dieser frommen Wartetechnik inklusive Analverkehr gibt es ganz böse Filmchen aus den USA im Netz. Nur war mir bisher nicht bewusst, dass selbst ernsthafte Christen in Europa inzwischen glauben, die „Warte-Barriere“ bestehe einzig und allein beim Scheideneingang.


Ich fragte eine 28jährige Frau, wie sie denn darauf komme, dass richtiger Sex erst beim Geschlechtsverkehr beginne. Und ich fragte sie, weshalb, wenn sie doch als Paar das alles schon täten, sie denn nicht grad richtig Sex hätten. Ausser natürlich vielleicht um nicht schwanger zu werden. Kann man übrigens trotzdem, wenn man nicht aufpasst. Davor erörterten wir, weshalb ihre Art Sex zu haben oder eben ihre Art Nicht-Sex zu haben bei ihnen beiden bereits einige sexuelle Störungen zeigt und für ein späteres lustvolles Voll-Sex-Leben hinderlich sein könnte.

Die Frau erklärte mir, dass wenn sie richtigen Geschlechtsverkehr habe, sie ja quasi den Ehebund vor Gott besiegeln würde, weil dann das Blut vom Hymen fliesse. Davor aber sei es das eben nicht. Das war nicht allein ihre Meinung, sondern offenbar das aller ihrer Freundinnen. Und das gaben sie auch so anderen weiter. Also Blut gleich Bund.  Dazu schrieb ich schon mal was in "Du hebelst grundlegende Ordnungen Gottes aus". Ich war total perplex. Ich dachte echt, solche Geschichten seien vor allem Internet-Stories aus Amerika. Wie zum Beispiel die, dass eine junge Frau ihrem Vater an der Hochzeit ein Zertifikat vom Arzt überreichte, welches ihr noch intaktes Hymen bezeugte. Dass das intakte Hymen ein absolutes Muss ist, hören wir zu genüge von jungen Musliminnen. Auch diese haben Analverkehr, um das Hymen intakt zu halten. Die chirurgische Wiederherstellung des Jungfernhäutchens boomt. Im Internet kann man Jungfernhäutchen-Attrappen mit Blut bestellen, die man in der Hochzeitsnacht einführt. Diese Frau erzählte mir dann auch, dass sie selbst mit dabei war an einem Seminar in den USA, wo über ihrer Gruppe von Frauen gebetet wurde, dass ihre Hymen wieder hergestellt werden.

Ich wollte von ihr wissen, ob sie das denn nachkontrolliert habe. Eine andere Frau erzählte mir mal, weil ich ihr dieselbe Frage stellte, sie hätte nicht nachgeschaut, aber sie hätte starke Schmerzen später beim ersten Sex mit ihrem Mann gehabt und es hätte auch etwas geblutet. Eine Vagina, die „nicht gebraucht“ wird, verengt sich wieder und kann beim ersten Sex nach langer Abstinenz schmerzen. Sex kann auch einfach schmerzen, weil die Muskeln angespannt sind, was bei Nervosität durchaus der Fall ist. Blut kann auch wegen einer kleinen Hautverletzung durch die ungewohnte Reibung fliessen. Gynäkologisch gesehen lässt ein wie auch immer aussehendes Hymen nicht auf Sex schliessen und auch nicht auf keinen Sex. Auch nicht eine Blutung. Abgesehen davon gibt es auch Frauen, die überhaupt kein Hymen haben. Von gar nicht vorhanden bis so dick und fest, dass es vom Arzt geöffnet werden muss - es gibt einfach alles. Unter diesem Link findet Ihr alles Wissenswerte zum Jungfernhäutchen.

Dieser heilige Gral des Jungfernhäutchens – er ist einfach nur Humbug. Unbiblische Mythologie. Es braucht überhaupt kein Blutzeichen. Zur Erinnerung – das Opfer ist vollbracht! Und sowieso nähme mich noch Wunder, wo denn dann das überprüfbare heilige Gralszeichen der Jungfräulichkeit des Mannes ist. Es kann doch nicht unser Ernst sein, dass Gott sowas wichtig sein soll. Es geht doch um ganz andere Dinge.

Frauen brauchen für ihren Selbstwert und ihr Selbstgefühl kein „intaktes“ Jungfernhäutchen, und schon gar nicht als Rechtfertigung für ihre Würde. Sondern sie brauchen zu wissen, wer sie sind und welchen Stand sie haben in Gott. Und sie sollten sich behaupten können, wenn sie gar keinen Sex wollen, er aber unbedingt schon. Die Mythologie um das Hymen hat mit magischem Denken zu tun und gar nichts mit befreiendem Glauben. Es hat auch gar nichts mit Aufklärung zu tun. Statt uns aufs Hymen zu stürzen, sollten wir junge Menschen über Sex aufklären. In Workshops zum Umgang mit Sexualität gehören Informationen zur Sexualität, zum Körper, zur sexuellen Entwicklung, wie man mit sexuellen Sehnsüchten umgeht, wie man Verantwortung und Eigenverantwortung entwickelt, sexuelle Selbstsicherheit und ein gutes Selbstgefühl usw. Da wäre so viel möglich, was junge Menschen echt wissen möchten. Aber dafür muss man sich dieses Wissen erst aneignen. Um Verhaltenscodexe und Hymen-Mythen zu predigen braucht man kein Wissen über Sexualität, tut aber so, als wisse man Bescheid.

Ein junger Mann fragte mich neulich ebenfalls danach, was warten heisst, und meinte: Aber man kann doch auch angezogen einen Orgasmus haben, ist denn das o.k.? Dieser Mann möchte wie viele andere die Grenze bis zum Äussersten ausreizen. Natürlich kann man das. Aber meiner Ansicht nach hat das nichts mit warten zu tun. Warten hat etwas mit Verzicht zu tun. In diesem Fall mit verzichten auf Sex. Sprich, auf sexuelle Befriedigung zusammen mit einem anderen Menschen. Was junge Menschen heute tun, ist warten ohne zu verzichten. Das ist ein Widerspruch in sich. Niemand muss verzichten – aber nennt es um Himmels Willen nicht warten.

Die Frau war am Ende unseres Gesprächs ziemlich betreten. Sie sagte, sie hätte allen gesagt, sie würde warten, und wäre auch sehr stolz darauf gewesen. Aber nun sehe sie, dass dem gar nicht so sei. Daraus nun zu schliessen, man könne jetzt voll aufs Ganze gehen, wenn ein bisschen Sex auch Sex ist, meine ich damit nicht. Ich bin überzeugt, es gibt gute Gründe, zu warten und sich langsam an die Sexualität heranzutasten und auch gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. Ein grosses Problem ist ja, dass wir der Sache überhaupt ein Label aufkleben müssen. Müssen wir aber nicht. Geht auch niemanden etwas an. Und selbst diejenigen, die sich nicht anrühren vor der Hochzeit, müssen ja nicht ein Schild „gewartet“ vor sich hertragen. Jesus nennt die Menschen, die rausposaunen müssen, was sie tun „Heuchler“. Allein im Matthäusevangelium 13 Mal.

Es gibt sehr gute Gründe zu warten. Der wichtigste ist, sich erst einmal überhaupt auf andere Weise kennen und immer besser kennen zu lernen. Dann würde vielleicht nicht geschehen, womit ich auch öfters mal konfrontiert bin. Dass Menschen zwar Sex miteinander haben, sich aber partout nicht entscheiden können, den Bund fürs Leben zu schliessen, weil sie sich nicht zu hundert Prozent sicher sind, dass sie den anderen wirklich „so fest“ wollen. Weil es gravierende Dinge gibt, die stören. Abgesehen davon, dass die heutige Generation Paarungswilliger sich tatsächlich extrem schwer tut, sich zu binden, und ihre Ansprüche zum Teil unerfüllbare Dimensionen haben, könnte es eben sein, dass man ohne Sex schneller rausfindet, das es nicht stimmt. Und man würde besser lernen, auf einem hohen Niveau zu kommunizieren, sagt eine Studie. Oder man würde merken, dass man gar nicht miteinander kommunizieren kann. Sex ist in Bezug all dieser Dinge ein schlechter Ersatz für eine gelingende Partnerschaft.

Unsere Zeit hat etwas ganz Kostbares verloren. Ich habe es schon letzte Woche angesprochen. Das Sehnen und Freuen und Verzichten. Die Bibel sagt, dass es Geduld bewirkt und die Geduld Bewährung und die Bewährung Hoffnung (Römer 5, 3-5). Alles Dinge, die uns zu verantwortungsvollen, gefestigten, sozialkompetenten Menschen mit Charakter machen. Zu Menschen mit einer Herzenbsbildung. Es gibt nicht nur im Glauben, sondern auch im Leben etwas Verheissenes, dessen Geheimnisse sich einem nur erschliessen, wenn man verzichten und warten kann.

Ich glaube, ich habe hier im Blog genügend betont, dass Sex richtig sein kann aber auch falsch. Dass jedes Paar für sich die Verantwortung tragen soll und muss. Vor allem zu erwachsenen Menschen sage ich: "Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig. Es geht niemanden was an, was ihr tut. Ihr müsst nicht verzichten, aber bitte nennt es nicht warten auf den St. Jümpferleinstag." :-)

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October 28, 2016

Auf Sex warten und Sehnsucht liess uns in die Pornofalle tappen

by Veronika Schmidt in falsche Scham, Küssen, Liebe, Lust, Porno, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Zusammenleben, 2017


Sehnsucht
Sehnsucht

Liebe Veronika

Mein Freund und ich sind seit 3 Jahren zusammen. Eine baldige Hochzeit liegt auf Grund des Studiums nicht drin. Seit wir zusammen sind, halten wir uns schön "brav" an den Grundsatz "Kein Sex vor der Ehe". Inzwischen wird dieser Vorsatz für uns immer schwieriger umzusetzen. Allerdings hält mein Freund daran sehr fest. Das Problem ist – wir sind stattdessen in die Falle gerutscht, unsere sexuelle Sehnsucht mit pornografischen/erregenden Bildern zu kompensieren.

In meinen Augen ist dieses Verhalten eine viel größere Sünde, als Sex vor der Ehe zu haben. Doch wir sehen das nicht gleich. Für mich jedenfalls ist Pornographie absolut keine Option. Wir bräuchten dringend einen Rat.


Viele Grüsse, Letizia 22 Jahre


Liebe Letizia

Es ist schon eine Weile her, dass Du mir Deine Frage im Blog gestellt hast. Normalerweise schreibe ich eine kurze Antwort zurück und teile der Fragestellerin oder dem Fragesteller mit, wann die Frage ausführlich beantwortet und veröffentlich wird. Doch das kann ich nicht, weil Du mir Deine Mailadresse auf dem Formular nicht hinterlassen hast. So weiss ich jetzt auch nicht, ob Dich die Antwort erreicht.

Die Frage nach der grösseren Sünde wird Euch nicht weiterbringen. Weil (angenommene) Sünde bewusst zu tun, grundsätzlich ein schlechtes Gewissen nach sich zieht. Ihr werdet somit Eure Sexualität von Anfang an mit Scham behaften, was langfristig ein ziemlicher Lustkiller ist. Für diesen Mechanismus spielt es nur bedingt eine Rolle, ob es jetzt Pornografie oder der Sex vor der Ehe ist.

Pornografie ist für Dich wohl deshalb keine Option, weil Du vermutlich, wie die meisten Frauen, diese gar nicht cool findest. Wenn es Dich trotzdem erregt, bedeutet das gar nichts. Der Erregungsreflex funktioniert automatisch und ist nicht zu kontrollieren. Er schaltet sich selbst dann über die Augen ein, wenn Du das Gesehene gar nicht attraktiv findest. Für Dich müsste es etwas fürs Gemüt sein - also wenn schon, dann richtigen Sex, reale Gefühle. Da würdest Du Nähe, Zärtlichkeit, Romantik und sexuelles Begehren finden. Hingegen ist für Deinen Freund Pornografie durchaus eine Option, weil viele Männer Pornos geil finden und sie daraus Befriedigung nehmen – und meistens auch sexuell Dampf ablassen – sprich sich einen runterholen. Wobei, es gibt Ausnahmen. Es gibt auch Männer die sagen: „Wenn ich Pornos anschaue, sehe ich nur Ejakulationen ohne jede Ekstase. Ich kann nicht verstehe, was Männer daran toll finden …“. Und ja, das sind wohl eher Männer, die richtigen Sex und den Unterschied kennen.

In einigen Beiträgen hier auf dem Blog findest Du Ausführungen zu Sex vor der Ehe. Zusammengefasst heissen die: Ihr müsst das selbst mit Euch und Gott klären. Es ist Eure Verantwortung – es ist Euer Leben. Martin Dreyer, Gründer von den "Jesus Freaks", sagt im diese Woche erschienenen Interview zu seinem neuen Buch "Der vergessene Jesus":  "Sexualität ist etwas Göttliches, etwas nur Gutes, ein Riesengeschenk, das Jesus uns gemacht hat. Wir sollten als Jesusnachfolger mehr darüber nachdenken, wie wir dieses Geschenk in dankbarer Weise auspacken, ausleben und genießen können. Wir wissen, dass Jesus ein normaler Mann war. Er hatte alle menschlichen Bedürfnisse, die die Wissenschaft heute kennt. Ich finde es vollkommen abwegig zu glauben, dass Jesus nicht auch sexuelle Gefühle kannte. Auch wenn er sie vielleicht nie mit einem Menschen ausgelebt hat. (…) Überall wo ich das sage, schreien Christen auf. Vielleicht auch, weil Jesus ihnen plötzlich zu nahe kommt. Nicht nur ins Herz, sondern auch in die Hose." Er habe das Buch geschrieben, sagt Dreyer, weil er überall ein verzerrtes, krampfiges und viel zu moralisches Christentum erlebe, ohne viel Freude. Er aber könne bei Christus von all dem nicht viel entdecken.

Was will ich damit sagen? Ihr solltet dringend für Euch die Sexfrage gründlich klären, auch Euren Zeithorizont und Eure Bedürfnisse und Wünsche. In Eurem Dilemma stecken viele Paare, die nicht einfach innert nützlicher Frist heiraten können. Und ich habe volles Verständnis für Eure Sehnsüchte. Euer jetziges Verhalten tut Euch aber nicht gut. Wenn Ihr wirklich warten wollt, solltet Ihr auf sexuelle Stimulation verzichten. Damit meine ich nicht Zärtlichkeiten, Küsse und Schmusen, sondern explizite Stimulation von Körper und Hirn. Wenn Du keine Pornos schauen willst, dann setze durch, dass Ihr keine Pornos schaut. Wenn Dein Freund keinen Sex vor der Ehe will, dann steckt zusammen den Rahmen ab, in dem Ihr Euch wohl fühlt. Wenn Ihr wollt, dann verzichtet auf Beides und richtet Eure Sehnsucht auf andere Dinge. Sublimieren sagt man dem. Wenn Eure sexuellen Sehnsüchte zu stark werden, dann stillt sie bei Euch, aber nicht zusammen.

Macht Euch Gedanken, wie Ihr Eure Beziehung auch im Detail leben wollt. Verpflichtet Euch darauf und plant Eure gemeinsame Zeit im Voraus und haltet dann daran einigermassen fest. Pflegt und vertieft auf andere Weise Eure Beziehung, lernt Euch immer besser kennen und erlebt andere positive Dinge miteinander. Oder aber klärt, ob Ihr „Es“ doch tut, oder ab wann und unter welchen Bedingungen Ihr es ihn Zukunft tun wollt, aber in Freiheit und bewusst geplant und nicht aus dem Affekt heraus und aus Frust, oder weil Ihr denkt, damit würdet Ihr der Pornofalle entkommen.

Dazu möchte ich Euch zu bedenken geben: Euer jetziges Muster ist nicht hilfreich für Euer späteres Liebesleben. Ihr programmiert Euer Hirn darauf, sexuelle Erregung aus pornografischen Darstellungen zu nehmen, statt aus der Wahrnehmung und Bewegung des Körpers. Also speichert Euer Hirn, „pornografische Darstellungen bringen die Erregung.“ Nun könnt ihr Euch vorstellen, wie sexuell erregend Euer Hirn dann einmal Euch selbst in Eurer Nacktheit findet und was Ihr im Sex tut, gemessen an den Pornobildern. – Gähn! Ich hatte schon solche Paare in der Beratung, die jahrelang eine Art Ersatz-Sexualität gelebt haben und dann beim richtigen Sex fanden: „Ist das jetzt alles?“ Die mussten richtig von Grund auf „normale“ Sexualität lernen und sie schön finden.  

Und nun zur Sehnsucht. Sehnsucht könnte man definieren als „Krankheit des schmerzlichen Verlangens“. Sie ist ein inniges Verlangen nach einer Person, einer Sache, einem Zustand oder einer Zeitspanne. Sie bezieht sich auf Etwas oder Jemanden, den man liebt oder begehrt. Sie ist mit dem schmerzlichen Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht nicht erreichen zu können. Was hat Sehnsucht für eine Funktion? In der Sehnsucht kann man für eine gewisse Weile das perfekte Leben haben. Sie hilft, mit der eigenen Unfertigkeit, mit Verlusten und dem nicht-perfekten Leben umzugehen. Zum anderen kann Sehnsucht dem Leben eine Richtung geben. Sie kann einem dabei helfen, sich Ziele in den Lebensbereichen zu setzen, die einem besonders wichtig sind. Sehnsüchte haben und aushalten tut der Persönlichkeit gut. Doch wir heutigen Menschen haben das leider total verlernt. Wir meinen zu sterben, wenn wir Sehnsüchte nicht sofort stillen können. Das macht uns alle zu Junkies. 

Doch es ist wichtig, seine Sehnsuchtsgefühle kontrollieren zu können und sich ihnen nicht ausgeliefert zu fühlen. Sonst kann Sehnsucht zu Melancholie führen. Ältere Erwachsene sehen Sehnsüchte positiver als junge Erwachsene. Jeder Mensch kennt das bittersüsse Gefühl der Sehnsucht. Sehnsucht ist ein Ziehen in der Brust, es schmerzt, aber Sehnsucht ist auch ein schönes Schwelgen in den Vorstellungen von dem grossen Glück. Diese Vorstellung allein könnte grundsätzlich auch schon Glück sein. Das ist es ja, was langjährige Paare manchmal vermissen und deshalb vielleicht ihre Beziehung langweilig finden. Weil die Sehnsüchte fehlen, die einen in gewisser Weise auch lebendig fühlen lassen. Bitter macht die Sehnsucht dann, wenn wir wissen, dass das Begehrte unerreichbar ist, für immer. Doch Warten ist nicht gleich Unerreichbar.

In diesem Sinne wünsche ich Euch, dass Ihr offen und ehrlich miteinander über Eure Wünsche und Vorstellungen ins Gespräch kommt, den Mut habt, konkrete Ziele zu definieren und wie ihr sie erreichen wollt und die Stärke, sehnsuchtsvolle Gefühle auszuhalten. Herzliche Grüsse - Veronika

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October 7, 2016

Mein Ehemann langweilt mich furchtbar

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, keine Lust, Konflikte, Küssen, Liebe, Lust, Partnerwahl, Scheidung + Wiederheirat, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Stress, Zusammenleben, 2016


Liebe Veronika

Ich danke Dir für so ein offenes ehrliches Buch, was mir persönlich einige Fragen und Unklarheiten beantwortet hat. Schon lange verspürte ich den Drang, Dir zu schreiben, jetzt wage ich es. Ich bin 28 Jahre alt und vier Jahre verheiratet. Wir arbeiten beide voll und haben keine Kinder. Ich erlebte eine sehr behütete, konservative und dominante Erziehung.

Mein Problem ist, dass ich eine sehr aktive Frau bin und temperamentvoll. Ich liebe es, mit Freundinnen auszugehen, viel zu unternehmen, aber ich liebe auch ruhige Tage. Mein Mann ist das komplette Gegenteil. Er würde am liebsten jede freie Minute auf der Couch verbringen und fernsehen. Wochentags habe ich auch vollstes Verständnis dafür, nur an den freien Tagen nervt es mich. Ich rede viel mit meinem Mann und möchte auch nicht zu viel verlangen, aber es ändert sich einfach nichts. Zu Beginn unserer Beziehung war ich sehr engagiert und habe viel bewegt, aber jetzt ist bei mir die Puste raus.

Eine andere Schwierigkeit ist, mein Mann suchte vor der Ehe viel öfter den körperlichen Kontakt zu mir. Doch seit wir verheiratet sind, bettle ich darum, geküsst zu werden, dass er mit mir schläft, dass er mich begehrt, aber es ändert sich nichts. Nun habe ich auch das sein lassen. Wir schlafen sehr selten miteinander. Und für mich ist es grösstenteils unbefriedigend. Mein Mann kann sich auch nicht erklären, weshalb das so ist. Mittlerweile liebe ich meinen Mann nur als Freund, aber nicht mehr. Mir ist es furchtbar langweilig mit ihm. Wir haben keinen wirklichen Austausch. Die Gespräche verlaufen oberflächlich. Es kommt so gut wie nie vor, dass wir uns lange miteinander über etwas unterhalten.

Momentan empfinde ich die Ehe nur als harte Arbeit. Scheidung ist für mich kein Ausweg, da ich zu großen Respekt vor dieser Entscheidung habe und dessen Folgen. Ich hoffe sehr, dass ich von Dir einen Rat bekomme.

Liebe Grüße, Meredith
 


Liebe Meredith

Lust – Unlust, Kurzweil – Langeweile, es gäbe noch andere Paarungen in der Beziehung, über die sich wahlweise Frau oder Mann beklagen, je nach Wesen und Prägung. Ich gebe Dir gerne ein paar Gedankenanstösse dazu.

Das Allerwichtigste ist, dass Du schleunigst dazu übergehst, Dein Leben so zu gestalten, dass es Dich glücklich macht. Nicht Dein Mann macht Dich in erster Linie glücklich, sondern Du Dich selbst und Deine eigene Lebensgestaltung. Triff wieder Deine Freundinnen, Deine Familie, werde aktiv und unternimm etwas. Wenn Dein Mann mitkommen will – auch gut. Wenn nicht, lass ihn zu Hause. Lass ihn los. Dann erst kommt er dazu, sich selbst organisieren zu müssen, Ideen zu entwickeln und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Verantwortung für andere kann erst aus der Verantwortung für sich selbst herauswachsen. Es gibt einen Bestseller von Eva Maria Zurhorst, der dazu sehr lesenswert ist. Er heisst: LIEBE DICH SELBST, UND ES IST EGAL, WEN DU HEIRATEST.

Du schreibst nichts über den Familienhintergrund Deines Mannes. Doch Ihr seid beide recht jung und habt sehr jung geheiratet. Es kann gut sein, dass Dein Mann emotional noch nicht so ganz erwachsen geworden ist. Leider sehe ich das heute ziemlich häufig und ist oft die Folge von jahrelangem behütet sein und nicht so richtig herausgefordert worden zu sein. Diese Tatsache, gepaart mit einem eher pragmatischen Charakter, kann eine lebenslustige Person wie Dich daneben schon irgendwann langweilen und aus der Haut fahren lassen.

Im Moment kannst Du nicht mehr sehen, was Dich an Deinem Mann einst angezogen hat. Aber da war was, sonst hättest Du ihn wohl nicht geheiratet. Oftmals ist es eben gerade das, was wir selbst nicht besitzen oder nicht so gut können. Doch mit der Zeit ärgert uns genau dies am anderen, was uns anfänglich so fasziniert hat. Vermutlich hast Du seine Ruhe, seine pragmatische Art, dass er Dich „erdet“, liebenswert gefunden. Versuche das wiederzufinden, indem Du ihn sein lässt, wie er ist. Der Sexualtherapeut David Schnarch nennt es „Differenzierung“. Sich auseinander dividieren, selbstständig werden, ein Eigenleben haben, Abstand gewinnen – und so sich wieder besser sehen können und schlussendlich auch wieder begehren, nicht nur sexuell.

In vielen Beziehungen ist der Antrieb für Aktivitäten ungleich verteilt. Der eine organisiert – der andere macht gerne mit. Beide sind glücklich mit ihrer Rolle – mindestens zu Beginn. Doch irgendwann findet der aktive Partner, der andere könnte sich jetzt auch einmal anstrengen und hört auf damit, sich zu engagieren. Doch der andere kann eben genau nicht. Weil ihm das nicht liegt, weil er es nicht gelernt hat. Weil er eigentlich zufrieden war, wies war. Je mehr Druck Du nun ausübst, desto lethargischer wird vermutlich Dein Mann. Nun kannst Du entscheiden, ob Du Deine Energie in die Veränderung Deines Partners stecken willst, oder in eine Lebensgestaltung die Dir gefällt.

Wenn Du Gespräche mit ihm möchtest, unterhalte Dich mit ihm, auch wenn er nicht viel dazu beiträgt. Wenn Du Nähe und Zärtlichkeit möchtest, gehe auf ihn zu und gib sie ihm, dann hast Du auch was davon. Zeige ihm Dein Begehren, vielleicht löst das auch bei ihm Begehren aus. Sorge für Deine Lust und zeige ihm, was Dich erregt. Werde eine gute Liebhaberin in dem Sinne, dass Du Dich und Deinen Körper gut kennen lernst. Wenn Du Sex unbefriedigend findest, setze Dich mehr damit auseinander, wie das mit Deinem Körper läuft. Buchtipp: KOMM WIE DU WILLST.

Gib Deinem Mann Nachhilfe im Sex, lerne ihn, einen guten Liebhaber zu sein. Äussere Deine Bedürfnisse klar (siehe Buch LIEBESLUST, Streiten und lieben nach allen Regeln). Und verabredet Euch zum Sex.

Ehe ist vor allem dann harte Arbeit, wenn wir uns auflehnen gegen die Lebensrealität und den anderen nicht mehr nehmen können, wie er ist. In allen Konflikten einer Ehe gilt immer: Mich kann ich verändern – den anderen nicht. Deshalb wünsche ich Dir neue Freude erstmal an Dir selbst und Annahme und Barmherzigkeit Deinem Mann gegenüber. Und dass Du die Liebe zu ihm wieder neu entdeckst und damit seine liebenswerten Seiten.

Neben allen diesen Gedanken möchte ich Euch eine professionelle Paarberatung ans Herz legen. Ohne gleich zu dramatisieren – ich habe zu viele Paare gesehen, denen man durchaus mit wenig Aufwand hätte helfen können, ihre Herausforderungen zu meistern, wären sie früh genug in eine Beratung gekommen. Empfehlen würde ich Euch eine systemische Beratung, in der Ihr auch Eure Herkunftsfamiliensysteme eingehend betrachten könnt und lernt, konstruktiv miteinander zu reden.

Mutmachende herzliche Grüsse - Veronika


VERTIEFENDE BLOG-BEITRÄGE

An mir selbst festhalten, um als Paar glücklich zu werden, wie mache ich das.

Mein Mann will keinen Sex

Lust wo bist du?

Wenn Sex lernbar ist, ist es dann auch die Liebe?

Die verlorene Kunst des Küssens

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