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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

March 3, 2017

Martin Luther befreit den Sex und die Frau

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Ehesex, Ehe, Gleichberechtigung, Gott, keusch, Scheidung + Wiederheirat, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, Zusammenleben, 2017


bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

Die Reformation hat die kirchliche Sexualethik verändert. Wenn auch sofort nur unmittelbar für die Frauen der Reformation und anhaltend erst mit den Jahrhunderten. Ohne die Reformation wären die Aufklärung, die Religionskritik und die veränderte Stellung von Frau und Sexualität nicht möglich geworden. Indem die "reformierten" Priester, angeregt durch Martin Luther, und schliesslich auch er selbst, Frauen ehelichten, war die reine Männerherrschaft der Kirche gebrochen. Noch konnte niemand ahnen, was das verändern würde. In Zürich heiratete Zwingli seine Anna Reinhart erstmal heimlich: "Wohl auch, weil er eine zentrale Figur der Reformation war und in Zürich nicht allzu schnell alles auf den Kopf stellen wollte." (Rebecca A. Giselbrecht - Buch "Hör nicht auf zu singen") Eine heimliche Heirat war eine Abmachung zwischen einem Mann und einer Frau und brauchte keine Zeugen und Rituale. Zwingli und Reinhart zogen zusammen. Zwei Jahre später, bei der offiziellen kirchlichen Trauung, war Anna hochschwanger.


Luther, der sexuelle Rebell, lernt aus der Natur und der Wissenschaft

Luther stellt sich gegen die Verleugnung und Unterdrückung der Sexualität durch die Kirche. Befriedigende Sexualität zwischen den Eheleuten ist für Luther ein wesentliches Fundament der Beziehung. Liebe und Lust gehören für ihn zusammen. Ein wichtiger Umstand spricht Luther zufolge dafür, dass die eheliche Sexualität gottgefällig ist: wegen der Unvermeidbarkeit und Unausweichlichkeit sexueller Erregung (Erregungsreflex) und dem Wunsch nach ihrer Befriedigung. Er erklärt „Fleisch und Blut“ vollumfänglich zum guten Teil der Schöpfung. Damit stellt er sich gegen die Lehren der Kirchenväter, die behaupteten, Sexualität oder zumindest die sexuelle Lust seien erst nach dem Fall Adams und Evas in die Welt gekommen. Doch Luther betont im „Grossen Katechismus“, die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche seien bereits vor dem Sündenfall von Gott „eingepflanzt“ worden.

Deshalb bedeutet das Zölibat für Luther Zwang und Knechtschaft. Er nennt das Gelöbnis der Ehelosigkeit „Teufelswerk“. Das Zölibat sei mit der geforderten Freiheit des Christenmenschen unvereinbar. Er sieht es als vermessen, gottlos und unsinnig an, Keuschheit durch Gelübde zu versprechen. Bei all seinen Begründungen zieht Luther Kenntnisse der zeitgenössischen Naturwissenschaften bei, um seine exegetischen Aussagen anthropologisch zu erhärten. Luther liest im „Buch der Natur“, um die Richtigkeit seiner persönlichen Auslegung des Buches der Bücher plausibler zu machen. Luther hält es für seine Pflicht, mit jungen Menschen offen über sexuelle Dinge zu sprechen und auch heikle Ehefragen zu erörtern. Er will nicht durch Schweigen einer ungesunden Geschlechtsauffassung und falscher Schamhaftigkeit Vorschub leisten. Auch will Luther den Sex unter denen, die sich einander versprochen haben, nicht als Hurerei bezeichnet wissen. Denn er erhalte damit einen gewissen Grad an Legitimität. Dass die protestantischen Sittengerichte später eine besonders nachhaltige Verfolgung vorehelichen Beischlafs propagierten, kann demnach mit Sicherheit nicht auf Martin Luther zurückgeführt werden.

Luther erkennt gewisse physiologische Gesetzmässigkeiten, nämlich, dass die Kraft der Triebe in den Geschlechtern wirksam sei und sie zueinander treibe. „Wenn dies Gottes Ordnung ist, und wenn etwa ein Mädchen des Mannes ebenso wenig entbehren kann wie des Essens, Trinkens oder Schlafens, so ist es doch frevelhaft, sich dieser göttlichen Ordnung zu wiedersetzen.“ Durch ehelichen Verkehr könne Gott auch nicht dann beleidigt werden, wenn er an einem Sonntag stattfinde. Solche heute „humorvoll" anmutende Nebenbemerkungen haben ihren Ursprung natürlich darin, dass er anders lautende Auffassungen damit an den Pranger stellt. Er geisselt jene Vertreter, indem er ihnen entgegenwirft, dass sie gottlose Heuchler und Werkheilige seien, die glaubten, Gottes Gnade durch unreine und stinkende Werke erkaufen zu können. Zum Beispiel durch Wallfahren, Fasten, nächtliches Wachbleiben und zeitlich beschränkte sexuelle Enthaltsamkeit.

Lust ist ein Recht - Unlust ein Scheidungsgrund

Für Luther war die Sexualität in der Ehe auch nicht einfach an die Vermehrung geknüpft. Sie sollte aus wechselseitiger Lustverschaffung der Ehepartner bestehen. Luther hat durchaus nicht nur die Lust des Mannes in Blick sondern vor allem auch die Befriedigung der Frau. Für ihn ist die Lust der Frau dermassen entscheidend, dass er im Falle von Impotenz argumentiert,  falls der betroffene Mann keinerlei andere Praktiken der Lustverschaffung anwende, könne die Frau sich scheiden lassen. Vor allem, wenn der Frau dieser Zustand zuvor verschwiegen worden war. Wenn der Ehemann hingegen trotz Impotenz der Frau Lust verschaffen könne, sei er „ein rechter Ehemann“. Hingegen könne ein Mann seine Frau sexuell nicht befriedigen, solle er ihr die Erlaubnis geben, „in der Fremde“ einen Liebhaber zu nehmen, oder sie könne eine heimliche Ehe führen.

Neben der verunmöglichten Zeugung und Lustbefriedigung, der sexuellen Unlust eines Ehepartners oder Verweigerung der  (materiellen) Versorgung der eigenen Familien, ist für Luther vor allem Fremdgehen ein möglicher Grund für eine Scheidung. Wobei er zuerst rät, Versöhnung anzustreben. Luther geht mit einmaligem Fremdgehen moderat ins Gericht und hält in diesem Fall Vergebung für gerechtfertigt, weil es „mit uns allen gar leicht geschehen kann, dass wir fallen.“ Doch dürfe keiner der Ehepartner zur Vergebung gezwungen werden, wenn er es nicht will oder er es aus Ekel nicht tun könne. Oder Vergebung missbraucht würde, um erneut zu betrügen.

Auch in heftigen Streitfällen rät er zur Versöhnung. Doch sei die Differenz zwischen den Eheleuten zu gross, seien Eheleute derart in Streit geraten, dass sie ihr Zusammensein nicht länger ertragen könnten und jegliche Versöhnung ausgeschlossen sei, sollten „sie besser von einander den bey einander“ sein, solle die Ehe geschieden werden. Dabei spricht er auch davon, dass Bosheit und Streit zwischen den Ehepartnern nicht nur physisch, sondern auch seelisch brutal zu verletzen vermag.

Ehe hat ein Gütesiegel

Nach Luther sollte eine Ehe nach ihrer Qualität betrachtet und beurteilt werden. Nämlich, ob die Eheleute einander in „wahrer“ Liebe zugetan seien oder nicht. Dazu gehöre „Lust, Liebe und Freude“. Er formuliert auch einen Anspruch an den Durchhaltewillen: Derjenige, der darum wisse, dass Gott wolle, dass Menschen im Ehestand leben, Kinder hervorbringen und aufziehen, der habe selbst ein Wohlgefallen an diesem Stand trotz seiner Mühen.

Denn auch Luther bemerkte, dass nach einigen Ehejahren die Liebe und Sexualität an Kraft verliert: „Die Welt spricht von der Ehe: Eine kurze Freud und lange Unlust. Aber lass sie sprechen.“ Luther gibt zu bedenken, wer Gottes Wirken in der Ehe erkenne, der habe Lust, Liebe und Freude in der Ehe ohne Unterlass. Und zitiert Salomo: „Wer ein Weib findet, der findet was Gutes.“ Und plädiert für ein regelmässiges Sexleben: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Die „Luther-Regel“ entspricht laut Umfragen bis heute einer weltweiten durchschnittlichen Gewohnheit.

Wer also an der Liebe zweifelt, zweifelt nach Luther auch an der Macht Gottes.  Der Mensch habe selbst schuld, wenn er keine Liebe zu seinem Partner spüre. Dann sei sein Glaube zu schwach, weshalb er die Liebe nicht erkenne. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten (Gemeinschaft, Kinder und Ehefrau) ist nach Luther die „wahre“ Liebe. Luther betont den hohen Wert eines harmonischen Zusammenlebens und einer liebevollen Gattenbeziehung vor Gott. Diese Liebe denke gegenüber dem anderen nur das Beste und sei nicht argwöhnisch.

Ehe, Scheidung, Wiederheirat, sexuelle Verantwortung

An Luthers Ausführungen über Ehe, Scheidung und Wiederheirat ist vor allem bemerkenswert, dass Luther darauf verweist, „die Ordnung der Ehe als eines 'Weltlichen Dings' sei allein eine staatliche Aufgabe. Grundsätzlich obliege die Angelegenheit der Ehe wie der Ehescheidung der weltlichen Obrigkeit, ihrer Gesetzgebung und Rechtsprechung. Luther macht deutlich, dass die Regelung des Ehestandes nicht in den Bereich der Kirchenordnung fällt und schon gar nicht „zur Seligkeit“ nötig sei. Die Kirche hätte dagegen die Aufgabe, die Eheschliessung und die Ehe zu segnen.

Luther betont, es existiere kein kirchliches Lehrgebäude mehr, das dem Gläubigen die Entscheidungen um die richtigen Vorgehensweisen beim Sex abnehmen könne. Er trage nunmehr auch in Fragen der Sexualität die Verantwortung vor Gott allein. Der richtige Umgang mit dem Sex wird damit zu einer individuellen Gewissensentscheidung. Luther formuliert keine konkrete Verhaltensanweisungen zum Sex und spart Aussagen zum vorehelichen Sex aus. Das Wesentliche ist die Liebe zu Gott, das rechte Verhalten wird sich aus ihr ergeben. Damit wird es auch überflüssig, der Gemeinde die genaue Gestalt der Sünden zu erläutern. Das Sprechen von intimen Vorgängen im Ehebett ist für Luther überflüssig geworden, weil jede sexuelle Handlung in der Ehe unter dem besonderen Schutz steht, den Gott dieser Lebensform angedeihen lässt.

Luthers Schriftauslegung sieht keine wortwörtliche Wahrheitsaussagen und Handlungsanleitungen der Bibeltexte vor. Nach Luther dient der biblische Wortlaut vielmehr dazu, die „Sache“ des Evangeliums zu vermitteln. „Sache“ des Evangeliums ist nach Luther die Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist.  Diese Liebe Gottes ist Grund des Glaubens.

So ging es weiter in der Geschichte der Sexualität

Luthers Gedankengänge auf den Punkt gebracht, wäre der eheliche Sex „göttlich“, „selig“ und „heilig“. Selbst hat er das nie so gesagt, doch diese Haltung wurde zum Repertoire der protestantischen Kanzelrhetorik. Der eheliche Sex selbst wird zum Dienst an Gott. In der Folge nimmt danach das „Loblied“ auf den Sex zuweilen hymnische Züge an…

Daneben hat sich die „problemorientierte“ Sprache der „alten“ Kirche zu Sexualität auch in der protestantischen Seelsorge und der Predigtliteratur fortgeführt. Aufklärende Schriften werden für Heranwachsende als untauglich abgelehnt. Das Seelenheil sollte nicht mit üppigem Schmuck und modischer Kleidung aufs Spiel gesetzt werden. Böse Gesellschaften, unzüchtige „Örter“, Hurengelage, Vollsaufen, Nachtgetanze und böses Geschwätz sollten nach Möglichkeit gemieden werden.

Bei allem Fortschritt durch Luther bleiben bis in die Neuzeit die überkommenen Anschauungen über die Sexualität weitgehend bestehen. Auch gilt alle Aufmerksamkeit nach wie vor mehr den vorehelichen Verfehlungen als den ehelichen. Dass „Lust & Liebe“ zu einer Ehe dazugehören, hat die christliche Sexual- und Ehelehre lange nicht vertreten, finden sich keine Ausführungen, die eine emotionale Bindung mittels der Lust für Eheleute als wünschenswert darstellen. Im Gegenteil sieht man darin schon gefährliche Vorstufen der tödlichen Fallstricke des Fleisches. Die Sprache und die inhaltlichen Botschaften der moralischen Eiferer haben sich hüben und drüben und durch die Zeiten hindurch letztlich nicht verändert.


Quellen:

Zweiter Sammelband über Zinzendorf,  von Erich Beyreuther, Gerhard Meyer, Georg Olms Verlag Hildesheim . New York, Internetauszug

Unkeuschheit und Werk der Liebe: Diskurse über Sexualität am Beginn der Neuzeit in Deutschland, von Tilmann Walter de Gruyter, Kapitel "Die Theologie und die Sexualität", Internetauszug

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February 24, 2017

Ich bin total verkorkst

by Veronika Schmidt in Aufklärung, falsche Scham, Partnerwahl, Selbsterfahrung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstbefriedigung, Selbstverantwortung, Singles, Solosex, Stress, weibliche Sexualität, 2017


bild: jana brike

bild: jana brike

bild: jana brike

bild: jana brike

Hallo Veronika

Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen und hatte eine glückliche, behütete Kindheit. Aber es gibt eine Sache die mich mehr und mehr beschäftigt. Sex! Sexualität war nie ein Thema in meiner Familie. Leider... Sex wurde totgeschwiegen. Meine Eltern waren in Bezug auf dieses Thema immer verschlossen und verkrampft. Zärtlichkeiten wurden nur flüchtig ausgetauscht. Mein Vater wurde streng und konservativ erzogen und konnte nie gut Gefühle zeigen. Bis heute gibt es zwischen uns höchstens zwei Umarmungen im Jahr oder aber nur einen Handschlag. Über Gefühle rede ich mit meinen Eltern eigentlich nicht.

Als ich siebzehn war, wollte ich die Pille und später auch endlich die Erlaubnis, bei meinem damaligen Freund zu übernachten. Die Reaktionen waren immer „gleich sehr aufgebracht“. Als wäre Sex schmutzig, verboten und würde sich in der Welt alles nur um Sex drehen. Entsprechend waren meine Sexerfahrungen mit meinem Freund auch negativ. Ich fühlte mich fast immer „körperlich benutzt“, hatte manchmal auch Schmerzen und war mit dem Kopf in einer Spirale von negativen Gedanken gefangen. Bald hatte ich keine Lust mehr auf Sex. Spaß erst recht nicht. Streit und Frust waren vorprogrammiert. Ich begann mich richtig zu hassen und zu schämen und stellte mir die Frage, warum ich nicht normal sein konnte, wie andere Mädels in meinem Alter. Ich war an der Grenze zur Depression und habe mich auch heimlich selbst verletzt, weil ich mich so hasste und nicht weiter wusste.

Irgendwann ging die Beziehung in die Brüche, doch wir verstehen uns immer noch gut. Ich dachte okay... macht nichts. Du bist ja noch jung, siehst nicht schlecht aus, wirst dich bestimmt schnell wieder verlieben. Vielleicht klappt es ja mit einem gläubigen Mann. Das ist nun sechs Jahre her. So lange bin ich jetzt Single und habe niemanden an mich ran gelassen. Je näher mir ein Mann kommt, desto panischer reagiere ich. Mit jedem weiteren Jahr steigt die Angst, niemanden mehr zu finden und jemals noch positive Erfahrungen in Bezug auf Sexualität und Liebe machen zu können.

Meine grösste Angst ist, wieder jemanden zu enttäuschen, da ich offensichtlich so kaputt bin. Manchmal könnte ich nur weinen. So wollte ich nie sein. Ich spüre einen großen Druck in mir und habe manchmal regelrecht Zukunftsängste. Mittlerweile gehe ich kaum mehr weg. Oder bin danach gefrustet darüber, niemanden kennengelernt zu haben. Dann versuche ich mir einzureden, es auch alleine zu schaffen im Leben... nur um im nächsten Moment eine riesige Sehnsucht zu spüren nach einem liebevollen, passenden Partner.

Ich denke, mit mir stimmt was nicht. Was soll ich nur tun? Vielleicht, kannst du mir helfen. Du bist die erste Person, der ich jemals davon erzähle... Ich danke dir so sehr für dein offenes Ohr!

Liebe Grüße Liliane, 26 Jahre


Liebe Liliane

Nichts an Dir ist falsch und Du bist mit Deinen Gefühlen weder abnormal noch allein. Viele junge Menschen quälen sich ab mit ihrem Selbstwert, ihren Enttäuschungen und ihren unerfüllten Sehnsüchten. Und es ist gut, dass Du Dein Herz nun jemandem öffnest. Das ist der erste Schritt, um zu Dir selbst zu finden.

Deine Geschichte zeigt eindrücklich, wie sehr der Zugang zu unserer eigenen Sexualität und unserer Körperlichkeit darüber entscheidet, wie wir uns fühlen. Unsere Seele und unser Geist wohnen in einem Körper, und zwar ganz, mit allem was dazugehört, auch der Sexualität. Das ist so von Gott vorgesehen. Und er hat dazu gesagt, dass es gut so ist. Wir können und sollen den Körper sorglos annehmen, uns an ihm freuen, sagt Jörg Zink: „Wir haben nicht einen Körper, wir sind Körper. Ich sehe nicht, wo eine Grenze sei zwischen Körper und Seele. Ich kann nicht sagen: Hier hört der Körper auf, dort fängt die Seele an, sowenig ich trennen kann zwischen Geist und Seele. Wir sind Körper, vom Geist beseelt“, so beschreibt er das Geheimnis der Ganzheit des Menschen in seinem Buch "Was bleibt stiften die Liebenden".

Wertschätzen wir den Körper nicht, hat das einschneidende Folgen für unser Selbstgefühl, unser Selbstverständnis und unseren Selbstwert. Auch für eine gelingende Paarbeziehung brauchen wir ein starkes Selbstgefühl, damit wir in der Verbundenheit wachsen können und gemeinsam für den Alltag und das Sexleben lernen. Wenn Menschen, und ganz besonders Frauen, ihre Sexualität entdecken und lieben und in ihrer Sexualität stark werden, hat das unmittelbare Auswirkungen auf ihr Selbstbild und ihr Auftreten. Eine gesunde Sexualität lässt uns zu starken und selbstwirksamen Menschen werden. Was gleichzeitig die beste Voraussetzung für eine befriedigende Partnerschaft ist. Damit sollte Deine grösste Angst nicht mehr sein, jemanden zu enttäuschen, denn das wirst Du sowieso hin und wieder. Nein, Deine Sorge sollte sein, dass Du Dich selbst und Deinen Körper genügend liebst. Und das kannst Du nur, wenn du Dich selbst und Deinen Körper gut kennst.

Auch ein „gläubiger Mann“ wird nicht zwingend wettmachen können, was mangelnde Wertschätzung und Ermutigung in der Entwicklung Deiner Sexualität bis jetzt verhindert haben. Aber Du selbst kannst einiges dafür tun. Denn für Deinen Körper, für dessen Empfindungen, für Dein seelisches Wohlbefinden bist in erster Linie Du ganz allein verantwortlich. Bist du bei Dir und in Deinem Körper zu Hause und kannst Du ihn gut „bewohnen“, dann kannst Du mit Dir selbst im Reinen sein.

Selbstliebe und Selbsterfahrung

Speziell Frauen müssen lernen, mit der Krone des Selbstbewusstseins und der sexuellen Selbstsicherheit auf dem Haupt durchs Leben zu gehen. Dein Körper kann Dir dabei helfen. Über die Selbstliebe und Selbsterfahrung wirst du einen neuen Zugang zu Deinem Körper bekommen und Dich mehr lieben lernen. Das Buch LIEBESLUST ist zwar als Ehebuch erschienen, aber es ist durchaus ein Buch für alle Menschen, die einen Zugang zu ihrem Körper und ihrer Sexualität finden wollen. Es kann Dir dabei helfen, Dich in der Selbsterfahrung zu entdecken.

Auf diesem Weg kannst Du die negativen Botschaften in Deinem Kopf nach und nach ausser Kraft setzten. Doch viele Christen wollen nicht wahrhaben, dass wir über Sexualität mit uns selbst zu einer besseren Beziehung zu uns selbst finden. In christlichen Gemeinschaften ist die Selbstliebe die am meisten polarisierende Frage. Trotzdem werde ich zur Selbstliebe immer wieder etwas sagen und dazu ermutigen. Weil die Selbstliebe die Übungsanlage für lustvollen Sex und unverkrampfte Geschlechtlichkeit ist.

Sexuelle Selbstsicherheit

Wir können lernen, unseren Körper zu mögen – unser Körper kann uns lernen, uns selbst zu mögen.

Mit der Körperhaltung und dem Körperempfinden kann ich meine Gefühle und Gedanken positiv beeinflussen. Umgekehrt informiert mich mein Körper über meine Befindlichkeit. Also sollte ich lernen, besser auf meine innere und die Körperstimme zu hören. Natürlich, es braucht Zeit und Übung, um in eine neue, förderliche innere und äußere Haltung zu kommen. Ein elastischer, freier und kraftvoller Beckenboden stabilisiert unseren ganzen Körper und hat Auswirkungen nicht nur auf die Körperhaltung und Beweglichkeit, sondern auch auf das ganze Lebensgefühl und auf die Sexualität. Gezielte Übungen helfen, den Körper selbstbewusster zu bewohnen, weil wir seine Empfindungen bewusster wahrnehmen. Wer seinen Beckenboden gut spüren kann, weiß besser, was er will und was er nicht will. Diese Erfahrung mache ich immer wieder in der Beratung. Den Beckenboden zu wecken, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem kraftvollen Selbstgefühl und ebenso zur Lust.

Ich hole tief Atem, spanne den Beckenboden, richte mich auf, strecke die Wirbelsäule. Stelle die Füße fest auf den Boden, die entspannten Knie über dem Sprunggelenk. Mein Kopf thront erhoben. Und schon spüre ich meine innere Kraft. Der Beckenboden ist unser Körperzentrum und Lustzentrum gleichzeitig. Dieses Muskelgeflecht ist die Stütze, die meinen Körper aufrichtet und mir eine starke innere und äußere Haltung ermöglicht. Indem ich tief in den Beckenboden hinunter atme, bewirkt er in mir Ausstrahlung und stärkt mein Selbstgefühl. Mein Rücken wird gerade, mein Kopf reckt sich nach oben, meine Augen erheben sich vom Boden und richten sich geradeaus. Die Brust streckt sich nach vorne. Meine Hüften bewegen lässig die Beine Schritt für Schritt nach vorne. Meine Arme schwingen locker mit. Mein Gang wird sicherer, bestimmter, und aufrechter. Jetzt spielt es keine Rolle, ob ich makellos bin. Ich bin wunderbar, weil Gott mich so gemacht hat. Ich mag mich, wie ich bin. Das drückt mein Körper aus. Ich fühle es in meinem Unterleib. Ich bin verbunden mit meinem Unterleib. Ich bin, was ich fühle. Ich beginne, es meinem Körper zu glauben. Die anderen glauben es mir. Man sieht es in meinen entspannten Gesichtszügen. In meinem leuchtenden Blick, der Intensität in meinem Blick.

Bin ich mit mir selbst im Reinen, werde ich Menschen anziehen, die mir guttun und mich inspirieren. Die Kraft, eine Situation zu verändern und Lösungen für ein Problem zu suchen, liegt vor allem in uns selbst. In der Wertschätzung von uns selbst. Und so werde ich in erster Linie für mich selbst attraktiv sein und in der Folge für jemand anderer.

Liebe Liliane, dieses Selbstverständnis wünsche ich Dir von ganzem Herzen. Und auch den Glauben daran, dass Gott Dich wunderbar gemacht hat, Dich bedingungslos liebt und vorbehaltlos zu Dir steht. Herzliche Grüsse - Veronika

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February 17, 2017

Dreimal Sex die Woche und immer noch unzufrieden

by Veronika Schmidt in Beckenschaukel, Ehesex, keine Lust, Konflikte, Lust, männliche Sexualität, Orgasmus, Schmerzen beim Sex, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Stress, weibliche Sexualität, Zusammenleben, 2017


illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

illustration: zéa schaad

Hallo Veronika

Der Sex beschert unserer Ehe regelmässig Krisen. Seit Jahren herrscht bei uns Sexfrust. Nachdem wir bei Dir auf einem Seminartag waren, von dem ich mir die Beckenschaukel mit nach Hause genommen habe, fühle ich mich im Sex wirklich emotional verbundener. Das ist wunderbar. Nur ist das Problem, dass mein Mann nach unseren 12 Ehejahren einfach schon maximal frustriert ist.

Aus meiner Sicht sieht er die kleinen Schritte nicht mehr, die ich gehe. Inzwischen ist für mich unser Sex besser geworden und sehe ihn für mich nicht mehr so als Belastung. Mein Mann wünscht sich, dass ich mich rasiere und schöne Unterwäsche anziehe, und das bekomme ich auch hin, ohne mich verbiegen zu müssen. Wir versuchten im letzten Jahr, uns zum Sex dreimal die Woche zu verabreden, was für mich eine ganz gute Lösung war. Denn dann wusste ich, an den anderen Tagen habe ich Zeit für mich. Mein Mann war mit der Lösung aber nicht glücklich. Jetzt war unser Krach über den Sex das erste Mal so schlimm, dass ich mich gefragt habe, ob unsere Beziehung das auf Dauer schafft, obwohl ich finde, ich bin im letzten Jahr grosse Schritte gegangen.

Ich habe lange auf meinen ersten Freund gewartet, für den ich mich aufheben wollte. Ich hatte keine sexuellen Erfahrungen vor meiner Ehe und bis dahin noch nie einen Orgasmus. Mein Mann ist einige Jahre älter und lebte vorher einige Jahre in einer eheähnlichen Beziehung. Die Hochzeitsnacht fand ich nicht besonders schön und seinen Penis nicht erotisch. Ich hatte mir das irgendwie romantischer vorgestellt. In den Flitterwochen befielen mich dann erst einmal Trichomonaden und ein Scheidenpilz, den ich die ersten Ehejahre überhaupt nicht mehr loswurde. Ichhatte überhaupt keinen Spass am Sex. Einen Orgasmus konnte ich zwar bekommen, aber der Weg dahin war fürchterlich mühsam. Ansonsten versuchte ich, es meinem Mann recht und ihn glücklich zu machen.

Mein Mann wünscht sich von mir Lust und dass ich ihn verführe. Ich aber wollte lange abends am liebsten meine Ruhe und ein schönes Buch, wenn die Kinder endlich im Bett waren. Auf jeden Fall wollte ich nicht noch etwas leisten müssen. Beim Sex gingen meine Gedanken oft spazieren. Zum nächsten Einkauf oder zu dem einen oder anderen akuten Problem. Ich hatte keine Ahnung, was mich gedanklich heiss machen könnte. Im letzten Sommer hat mir dann meine Tante, eine Therapeutin, das Buch von Nancy Friday über erotische Fantasien von Frauen empfohlen. Das Meiste darin fand ich echt widerlich, aber das eine oder andere hat mich angemacht. Ich denke mir, es ist in Gottes Interesse, wenn ich beim Sex mit meinem Mann mehr Spass habe.

Meine aktuellste Not ist, dass für mich nur die Stellung „er oben – ich unten“ wirklich lustvoll ist. Bei allen anderen Stellungen muss ich mich mit der Hand abmühen oder einen Vibrator nehmen. Doch damit kann ich es meinem Mann nicht recht machen. Oben zu sein ist für meinen Mann zum einen zu anstrengend und auf die Dauer zu langweilig. Sex, der für mich toll ist, ist für ihn langweilig - Sex den er toll findet, ist für mich gerade mal erträglich.

Insofern wünscht er sich andere Stellungen, die ich dann halt mache. Klar bekomme ich irgendwann einen Orgasmus, das ist dann für mich eher mehr Pflichtprogramm als Genuss. Eigentlich will ich das nicht mehr. Ich möchte den Sex geniessen, und nicht für einen Orgasmus arbeiten müssen, der dann oft einfach nur dürftig ist. Nun meint mein Mann, dass er sich nicht mehr für meinen Orgasmus zuständig fühlen möchte. Das ist kein Problem für mich, vorausgesetzt er ist nicht enttäuscht, wenn ich halt keinen habe. Ich habe viel zu lange mitgemacht, um ihn zufrieden zu stellen. Mittlerweile sehe ich das als Sackgasse.

Ich wäre echt froh wenn du uns weiterhelfen könntest.
Liebe Grüsse Beatrice, 38 Jahre


Liebe Beatrice

Das ist Deine Sicht der Dinge, ich weiss, und es wäre gut, auch die Deines Mannes zu kennen. Trotzdem erlaube ich mir mal ganz provokativ zu ihm und vielen anderen unzufriedenen Männern zu sagen: "Wenn Ihr nicht die Verantwortung für Euren eigenen Orgasmus übernehmt, wenn ihr Eure sexuelle Zufriedenheit an Eure Frau delegiert, wenn ihr Eure Frauen mit Euren sexuellen Erwartungen unter Druck setzt, dann seid ihr Egoisten und lausige Liebhaber."

Das heisst selbstverständlich nicht, dass Dein Mann für Deinen Orgasmus zuständig ist. Das bist Du selbst, und auf diesen Weg hast Du Dich bereits gemacht. Es ist gut, dass Du Deinen Mann nicht mehr zufrieden stellen willst. Weise ihn darauf hin, dass er selbst mit sich zufrieden sein muss. Dass er Sex nicht als Mittel zum Zweck sehen kann, um sich zu bestätigen und seinen Lebenshunger zu stillen. Und Du, beginne damit, Dich selbst zufrieden zu stellen, nicht nur sexuell, aber auch. Du kannst lernen, einen Orgasmus ohne Anstrengung zu bekommen. Dafür solltest Du erst einmal mit Dir selbst experimentieren. Das Buch „Komm, wie Du willst“ von Emily Nagoski kann Dir dabei helfen.

Sex haben heisst, eine Insel für Intimität zu schaffen. Doch ich kann aus Deinen Zeilen nicht erkennen, dass bei Euch Sex auch eine Dimension von Nähe, Zärtlichkeit und Verspieltheit hat. Leider können viele Männer aus diesen leisen Formen der Zuwendung und Erotik keine Erfüllung nehmen. Ihnen wurde schon in der Kindheit das Fühlen abtrainiert. Die Entdeckung der Innenwelt und die Suche der Selbstliebe kann für Männer ein langwieriger und auch schmerzhafter Prozess sein. Männer sind sich nicht gewohnt, sich selbst zu lieben. Den Mangel spüren sie trotzdem. In der Folge tritt anstelle von Selbstliebe Selbstsucht, Sexsucht oder Arroganz und Abwertung anderer. Am ehesten riskieren Männer Einsicht und emotionale Öffnung, wenn sie vermittelt bekommen, wie sie tatsächlich zu tief erfüllendem Sex kommen können. Denn oft erfüllt sie ihre Art, wie sie Sex leben, im Grunde doch nicht, weshalb sie meinen, dieses Ziel mit der Häufigkeit wett machen zu können. Mit dem rechten Wissen und der ihnen entgegen gebrachten Wertschätzung kann aus überzogenen Sexerwartungen erfüllender Sex als Ausdruck von wirklicher Selbstliebe werden.

„Langweiliger“ Sex kann sehr lustvoll sein, wenn man die Lust aus sich selbst und seinem Körper zu wecken und nehmen weiss." 

Ein lustvolles, jahrelang andauerndes Sexleben nährt sich daraus, wie es sich anfühlt, nicht, wie es aussieht und welche Kicks es bringt. Dein Mann aber scheint sich selbst und seinen Körper nicht sehr bewusst wahrnehmen zu können. Deshalb braucht er Kicks wie Stellungen, Intimrasur und Wäsche, um in Gang und zu Lust zu kommen. Es ist gegen alle diese Dinge überhaupt nichts einzuwenden, sofern sie auch Dir Spass machen. Doch Dein Mann sollte dringend lernen, seine Lust daraus zu nehmen, dass Sex auch Dir Genuss bringt. Daraus, dass Dein Genuss genauso wichtig ist wie seiner.

Ein Mann, der mit dreimal Sex die Woche nicht zufrieden ist und keinen Bock auf eine „anstrengende“ Stellung hat, die Dir mehr Empfindungen ermöglicht, hat definitiv ein Problem. Ein eigenes. Die Blick-Sexberaterin Caroline Fux meinte mal zu einem ebenfalls unzufriedenen „Dreimal-die-Woche-Mann“: „Nimm diesen Sex oder gar keinen.“ – und dass „… die meisten Eltern von kleinen Kindern nur davon träumen können, zwei- bis dreimal Sex pro Woche zu haben.“ Ihre Aussage auf Eure Situation bezogen bedeutet, abwechslungsreicher und spontaner Sex in Langzeitbeziehungen wird glorifiziert und geplanter und „langweiliger“ Sex abgewertet. Sexuelle Spielarten werden überladen mit irgendwelchen Fantasien und Illusionen, die mit „normalem“ Sex  in normalen Beziehungen nichts zu tun haben.

Liebe Beatrice, ich vermute, auf Euch wartet eine Auseinandersetzung mit Eurer Paarsexualität, Eurer Paarbeziehung, mit Euch selbst und Eurer Persönlichkeit. Deshalb würde ich Euch zu einer Sexualberatung bei einer ausgewiesenen Fachperson raten.

Herzliche Grüsse – Veronika

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February 10, 2017

Was ist bloss mit den Männern los?

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, falsche Scham, keine Lust, Lust, männliche Sexualität, Porno, Selbstbefriedigung, Selbsterfahrung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sünde, Zusammenleben, 2017


wasistlos.ipg
wasistlos.ipg

Hallo Veronika

Seit eineinhalb Jahren sind mein Mann (33) und ich nun verheiratet und seit der Hochzeit haben wir nur selten und nie spontan Sex. Meinem Mann fehlt die Lust. Ich würde gerne viel häufiger mit ihm schlafen. Aber jegliche "Verführung" kommt nicht an. Diese Ablehnung verletzt mich sehr. Ich würde mich nur schon über einen leidenschaftlichen Kuss im Alltag freuen.

Wir sind beide christlich aufgewachsen und hatten vorher nie Geschlechtsverkehr, konnten aber vor unserer Hochzeit kaum die Finger voneinander lassen. Doch sobald wir offiziell durften, war von dieser Leidenschaft fast nichts mehr zu spüren. Mein Mann hat mit anderen Frauen vor mir schon gewisse sexuelle Erfahrungen und konsumierte regelmässig leichte Pornografie und onanierte. Obwohl er das aktuell nur noch sehr selten tut, verletzt mich das ebenfalls.

Wir haben schon oft alles beredet. Er weiss nicht, warum er keine Lust hat oder sich selbst befriedigt. Und den Sex den wir haben, findet er jeweils sehr schön. Könnte die fehlende Leidenschaft von unseren gemeinsamen Erfahrungen vor der Ehe herrühren, also von der Sünde, welche echte befreite Intimität verhindert? Oder habe ich falsche Erwartungen an ihn? Trotz unserem kleinen Kind fehlt es in meinen Augen eigentlich nicht an Gelegenheiten, in welchen Intimität Platz hätte.

Liebe Grüsse Leonie, 30 Jahre


Nach Ulrich Clement ist die uralte Frage des Mannes: „Bin ich gut?“, die der Frau: „Bin ich gemeint?“. Stimmt beides, dann ist alles gut, egal was die beiden tun.

Liebe Leonie

Mit kleinen Abweichungen erreichen mich ähnliche Fragen immer wieder. Es scheint in unserer heutigen Zeit schwierig zu sein, Sex zu einer Gewohnheit zu machen. Wir finden irgendwie für alles Zeit, nur nicht für den Sex. Und Tausenderlei Möglichkeiten, uns davon abzulenken. Wie auch das Paar Mitte Dreissig, seit einem Jahr verheiratet, das schreibt, ihr Sex habe sehr wenig Raum im Alltag. Sie treiben Sport, kochen gemeinsam, gehen ins Kino, arbeiten beide und irgendwie sind sie für den Sex immer zu müde.

Die Hormone der Verliebtheit und die Aufregung des „Verbotenen“ geben anfänglich einen Kick, der sich irgendwann verflüchtigt. Und nun ist sehr entscheidend, ob wir Lust gelernt haben, die aus uns selbst kommt. Männer finden manchmal Sex genauso anstrengend wie viele Frauen. Vor allem den ersten Schritt, weil sie auf die Lust warten, die nicht einfach von selbst kommt. Und weil die Lust nicht von selbst kommt, fühlen sie sich als Versager, als Mann und als Mensch. Manchmal befriedigt er sich selbst oder schaut im Internet einen Porno, aber oft nur, um den Motor in Gang zu halten und sicher zu gehen, dass er noch funktioniert. Lustvoll findet er das oft gar nicht. Die Zahl der Männer, die explizit sagen, sie haben keine Lust auf Sex, nimmt deutlich zu. Aber es nimmt auch die Zahl der Frauen zu, denen Sex wichtig ist und wichtig bleibt über die Jahre. Deshalb wohl bringt dieSuchanfrage „Was ist bloß mit den Männern los?“ im Internet über 1 Million Ergebnisse.

Der stille (oder auch laute) Vorwurf der Frau erhöht den Druck und erstickt seine Lustgefühle im Keim. Bei mir in der Beratung zeigt sich die männliche Unlust auffallend dort, wo Paare erst nach der „dranghaften“ Zeit, also nach Dreißig heiraten. Und vor allem dann, wenn der Mann, das Paar bis anhin wirklich enthaltsam lebte. Bei Euch kam zudem schnell ein Kind. Auch Schwangerschaft und Geburt hinterlassen bei Männern manchmal Irritationen in Bezug auf den Sex.

Lust lernen gegen Lustlosigkeit

Was für die Lustlosigkeit vieler Frauen gilt, gilt auch für den Mann. Er sollte Lust üben, Sicherheit, Technik und Routine gewinnen. Macht Euch auf einen gemeinsamen Weg, Erotik und Erregung in aller Feinheit wahrnehmen zu lernen. Plant feste Zeiten im Alltag ein, zu denen Ihr Euch fürs Üben verabredet. Zudem sollte Dein Mann seine Selbstbefriedigung (ohne Porno) nützen, um eine gute Technik für den Paarsex zu erforschen und seine Empfindungen dabei gut wahrzunehmen. Die Art und Weise, wie sich ein Mann jahrelang erregt, oft mit starker Reibung und Druck auf den Penis, lässt ihn feine Nuancen der Lust gar nicht spüren. Das kann man aber ändern. Lasst Euch als Paar ohne Druck auf Nähe, Zärtlichkeiten, Schmusen und Experimente ein. Setzt Euch nicht unter Erfolgsdruck. Ganz entscheidend sind der Kopf, der Beckenboden, die Bewegung des Körpers und der Atem, der alles in Lust verbindet (Beckenschaukel), siehe LIEBESLUST.

Und setzt Euch mit Euch selbst auseinander. Die hindernden Faktoren rund um die Sexualität sind viel weniger entscheidend, als die Grundfrage der Identität als Mann (und Frau). In der Frage, wer ich bin als sexuelle Person, finden wir eine Spur. Sexualität ist nicht ein Nebenaspekt von Spaß, sondern eine zentrale Ausdrucksform von Persönlichkeit. Zu sich kommen und bei sich sein, das sehen Experten als eigentliche Voraussetzung für eine glückliche Sexualität, völlig unabhängig davon, wie viel oder wenig Testosteron ein Mann im Blut hat.

Liebe Leonie, nimm den Druck weg von Deinem Mann und mache Dich auch selbst auf den Weg zu Deiner eigenen Sexualität. Ich glaube nicht, dass seine Vorerfahrungen der Hinderungsgrund sind, sondern eher Eure mangelnde Erfahrung in der Paarsexualität. Als die Frau eines lustlosen Mannes fragst Du Dich, was mit Dir oder mit Euch nicht stimmen könnte. Und Du fühlst Dich, wie viele andere Frauen in dieser Situation, unbegehrt, zurückgewiesen gedemütigt und ungewollt. Doch nicht Du trägst die Schuld, und auch nicht Eure Vorgeschichte, das kann ich Dir versichern. Aber bezeichnenderweise redest Du in Bezug darauf von „Sünde“. Ich denke, Gott hat bei weitem nicht so grosse Probleme damit, wie wir Christen aufgrund unserer Moralvorstellungen. Unsere Bewertung im Kopf ist sehr entscheidend dafür, Lust unbeschwert geniessen zu können, und Lust so zu erleben, dass wir mehr davon wollen.

Macht Sex zu einer Gewohnheit, wie all die anderen Tätigkeiten in Eurem Leben auch. Das gelingt am besten, indem Ihr Sex in die Woche einplant. Nur so wird er zu einem ständigen Begleiter Eurer Liebesbeziehung. Wer nur alle paar Wochen Sex hat, kommt nicht auf einen Spass-Level, der bewirken würde, mehr davon zu wollen.  Für den Spass muss Sex erst erlernt werden, denn mit einem Partner zusammen findet man ihn oft anstrengend, weil ungewohnt. Wer Sex plant, hat mehr Übungsgelegenheiten. Es ist ein Mythos zu denken, spontaner Sex mache mehr Spaß. Spaß macht vor allem, was wir gut können. In diesem Fall die entwickelten sexuellen Fähigkeiten. Einige sind darin natürlich schon Naturtalente, andere brauchen Informationen und Anleitung. Wenn wir erotischen Fähigkeiten zusammen üben und anwenden, um Sex lustvoll zu gestalten, geschieht viel weniger, dass wir beim verabredeten Sex nicht richtig in Schwung kommen.

Erotischen Fähigkeiten bedeuten, zu wissen wie wir zusammen am besten in Erregung kommen. Schon beim Küssen und Streicheln kann man vielleicht noch einiges dazulernen. Es gibt Männer, die wissen genau, wie sie ihre Frau anfassen müssen, aber es gibt auch solche, die darin sehr ungeschickt sind. Und es gibt Frauen, die wissen ihren Männern Freude zu bereiten, aber andere sind völlig passiv im Sex. Viele Männer finden es schön, wenn die Frau ihre Lust zeigt. Das ist, was Frauen lernen können – ihre Lust zu empfinden, zu steigern und zu zeigen. Und man kann sich sehr wohl zu Lust verabreden. Weil Lust sowohl im Kopf als auch im Körper geweckt wird. Ich wecke und erhalte mir über den Tag hinweg die Lust auf den erotischen Augenblick hin, indem ich bewusst meine Aufmerksamkeit auf meine Genitalien lenke und meinen Körper entsprechend bewege und wahrnehme. Wer Gedanken und Gefühle gut steuert, kann innerlich vorbereitet auf erotische Momente zugehen.

Ich habe den Eindruck, dass Ihr beide noch ein grosses Potenzial zu entdecken habt. Versuche, Deinen Mann für Gespräche über seine Empfindungen und einen gemeinsamen Lernweg im Sex zu gewinnen, indem Du ihm sagst, dass Du Dir das sehr wünschen würdest und es Dir wichtig sei. Macht feste Termine ab. Macht ab, wie Du Dich ihm nähern darfst. Macht Schmusezeiten ab ohne Sex. Mein Buch LIEBESLUST kann euch helfen. Auch MAKE LOVE von Ann-Marlene Henning, ihre Video Blogs www.doch-noch.de und ihre Fernsehsendungen MAKE LOVE geben euch viel Anregung. Und habt den Mut, Euch dem Thema nochmals von einer neuen Seite zu nähern. Von der, dass Ihr nicht auf Lust wartet, sondern Lust weckt, indem Ihr Sex zu einer Gewohnheit werden lasst.

Herzliche Grüsse - Veronika

Tipp: “Die Lustlosigkeit der Männer“, das lesenswerte Interview vonAnouschka Roshani mit Ulrich Clement
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February 3, 2017

Beim Schmusen einen Orgasmus

by Veronika Schmidt in Aufreger, Liebe, Lust, Orgasmus, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, 2017


bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

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bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

Liebe Veronika

Ich bin mit einem äusserst liebevollen, wunderbaren Mann verlobt und wir werden dieses Jahr heiraten. Er ist unglaublich zärtlich, aufmerksam und entgegenkommend. Wir beide sind 25 Jahre alt, noch im Studium, in der Gemeinde aktiv und hatten vorher noch nie eine Beziehung. Konservativ aufgewachsen, wollen wir mit dem Sex warten und übernachten auch nicht beieinander. Wir sind beide sehr leidenschaftlich, voller Neugier und so kam es, dass mein Verlobter beim Schmusen schon Orgasmen hatte, obwohl wir weder nackt waren, noch uns "unten" berührten. Nun sind wir doch etwas nachdenklich geworden, was das nun für uns heisst. Sollten wir mehr auf Distanz gehen und lernen, mehr Geduld zu üben? Wir sehen uns nicht so oft, weshalb dann natürlich eine geballte Ladung Leidenschaft und Liebe da ist. Ich bin an dieser Situation nicht ganz unschuldig: Ich mag es, mich zu schminken, mich für ihn schön zu machen und ziehe mich auch weiblich und sexy an.

Ich möchte von ganzem Herzen Gott dienen. Ich habe mir immer vorgestellt, wie ich mich verhalten würde, wenn ich einen Mann kennen lerne. Und jetzt ist alles so anders. Ich vertrat die Haltung, das Körperliche müsse zusammen mit der Kommunikation wachsen. Das ist bei uns auch so. Wir engagieren uns, gehen unter die Leute, führen stundenlange Gespräche, das gibt allem eine wunderbare Tiefe. Aber irgendwie habe ich mir nie vorgestellt, wie sich das alles anfühlen würde.

Deshalb frage ich dich: Was empfiehlst du uns, damit unsere Sexualität „rein“ und „göttlich“ bleibt? Ich freue mich sehr auf deine Antwort! Ganz lieber Gruss, Simea


Liebe Simea

Hach, in was für einer aufregend schönen Zeit Ihr Euch befindet! Geniesst diese Momente aus ganzem Herzen, denn sie werden nicht mehr wiederkommen. Es ist die Zeit der Unschuld voller Erotik, das Hohelied lässt grüssen. Diese aufregende Phase erleben heute nicht mehr viele Menschen. Die einen nicht, weil sie sofort Sex haben, die anderen, weil sie daraus die ganze Erotik verbannen. Geniesst Eure geballte Ladung Leidenschaft und Liebe und lasst sie Euch nicht durch Schuldgefühle verderben. Versucht möglichst viel davon in Eure Ehe mitzunehmen und lasst Euch von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden. Seid unbeschwert, wenn auch nicht leichtsinnig.

Das Eure Körper so ekstatisch reagieren, habt Ihr den Hormonen zu verdanken, welche die Verliebtheit freisetzt. Diese werden sich mit der Zeit wieder beruhigen. Dass Dein Verlobter so schnell reagiert, hat auch mit seiner Erregbarkeit zu tun. Die ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Hormone spielen eine Rolle, die Körpersensibilität und natürlich das Alter. Junge Männer sind mehr erregbar als alte, Männer mehr als Frauen. Ein Paar suchte bei mir Rat, da löste Schmusen bei beiden Orgasmen aus. Diesen riet ich, sie sollten sich freuen über  ihre funktionierende Sexualität. Weil ich zu viele christliche Paare sehe, wo es das nicht tut. Du beschreibst, dass Ihr jeweils sehr aufgeregt seid, Euch wieder zu sehen. Ein solcher Zustand ist oft mit hoher körperlicher Spannung verbunden, was in einem erregten Körper oft ungewollt den Orgasmus auslöst. Das ist beim Sexakt dann eher unerwünscht, weil der Mann so zu schnell kommt. Aus meinem Buch könnt Ihr lernen, wie man sich in der Erregung mit Beckenschaukel und Atmen entspannt und so die Erregung kontrollieren kann.

Menschen fragen mich immer wieder, wie weit sie gehen können, damit es noch nicht Sex ist. Persönlich finde ich das eine heuchlerische Frage. Denn sie fragt mehr danach, ein Gesetz einzuhalten und sich dann damit zu brüsten, anstatt zu überlegen, was die Liebe uns raten würde. Rein und göttlich, wie du fragst, ist für mich das Liebesgebot. Das beinhaltet auf der einen Seite zu fragen, was Fürsorge tun würde, wenn sie das Beste für einen selbst und den Liebespartner sucht. Also solltet Ihr Euch vor allem gegenseitig und selbst fragen, wie wohl Euch bei Eurem Tun ist in Bezug auf Eure eigenen Grenzen und Vorstellungen. Und auf der anderen Seite könnt Ihre Euch danach fragen, wie Ihr als Vorbilder leben wollt. Ein unverkrampftes und reflektiertes Verhältnis zu Sexualität hat definitiv Vorbildwirkung und erfüllt auch das Liebesgebot.

Die Formen des Kennenlernens und der Umgang der Geschlechter in unserer heutigen Lebenswelt unterscheiden sich fundamental von den Gewohnheiten früherer Generationen. Lange Ausbildungszeiten, jahrelanges „Gehen miteinander“, lange Verlobungszeiten, späte Heiraten, sich im Privatbereich des anderen aufhalten, das alles war in den prüden Jahrhunderten vor uns unvorstellbar, aber heute völlig normal. In König Davids Zeiten und denen im Neuen Testament, auf die wir uns mit Schriftstellen berufen, heirateten Frauen mit 13 Jahren und Männer mit 17 Jahren, mit der damaligen Geschlechtsreife. Deshalb ist es für uns heute so schwierig, wenn wir vorbei an unserer heutigen Lebenswelt, verbindliche sexuelle Verhaltensnormen für die Gemeinde formulieren wollen. Für mich sollten sich biblische und göttliche Richtlinien durchaus auch an der gelebten Lebensrealität und Lebenswelt orientieren.

Sich erotisch aneinander zu erfreuen war offenbar zu Zeiten Salomos normal. Vielleicht traf man sich nicht im Haus oder Zelt, aber in der weiten Natur. Konservative Bibelausleger behaupten ja immer, die Texte des Hohelieds sprächen über verheiratete Paare. Für mich macht das wenig Sinn. Denn wie sollte eine verliebte Frau ihren verheirateten Partner in den Gassen der Stadt suchen, oder ein sehnsuchtsvoller Liebhaber an die Haustüre seiner Ehefrau klopfen? Weshalb sollten sie Liebesstunden im Weinberg verbringen? Ausser zur Abwechslung? Vor 500 Jahren, zur Zeit der Reformation, war es zum Beispiel völlig normal, dass Verlobte bereits zusammen wohnten. Jedermann ging davon aus, dass diese Paare Sex hatten. So lebte auch Katharina von Bora zur Verlobungszeit bereits mit Luther zusammen. Er schreibt darüber, dass es ihnen beiden sehr wichtig war, bis zur Hochzeit zwar das Kissen zu teilen, nicht aber den Körper. Ob Luther unverhofft trotzdem einen Orgasmus hatte, ist nicht bekannt. Aber bekannt ist, dass er zu sämtlichen Körperausscheidungen und Körperreaktionen ein unverkrampftes Verhältnis hatte.

Ich weiss, ich definiere an verschiedenen Stellen „Sex haben“ mit sich gegenseitig zum Orgasmus stimulieren, was Euch irritieren mag. Das heisst nicht, dass ihr nun Sex hattet. Die eigentliche Definition von „Sex haben“, „Liebe machen“, „Miteinander schlafen“ ist Geschlechtsverkehr im Sinne von Vaginalverkehr. Selbst Wikipedia hat diese Definition aber erweitert, weil sich Sex eben nicht einfach nur auf Geschlechtsverkehr reduzieren lässt. Ich mache diese Definition, weil viele junge Christen behaupten, sie hätten keinen Sex, aber Petting, Oralverkehr und Analverkehr praktizieren. Was eigentlich gar niemanden etwas angeht, ausser dem Paar. Aber wenn sie es trotzdem an die grosse Glocke hängen, das Warten, dann finde ich das unethisch. Und das wiederum sage ich nicht, um Euch zu Sex zu ermutigen. Ihr werdet bald heiraten. Erwartung und Vorfreude ist etwas Wunderbares. Kostet es aus. Bereitet Euch jedes für sich selbst auf Euren ersten Sex vor und erwartet nicht, dass es gleich perfekt ist.

Und noch einmal – geniesst diese aufregende und wunderbare Zeit! Herzliche Grüsse – Veronika

Link zum Thema: Vorlesung von Sigfried Zimmer „Christliche Sexualethik – der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften“. 
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© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.