Interview mit Veronika Schmidt - Magazin Amen,
Wie man schambefreit leben und lieben lernt. Das Evangelium richtig angewendet, führt zur Gesundung der Menschlichen Persönlichkeit, einschliesslich der Sexualität.
IST SELBSTBEFRIEDIGUNG WIRKLICH OK?
foto: leandro lopes
foto: leandro lopes
Hallo Veronika
Vielen Dank für deinen Blog! Ich lese ihn mit sehr viel Interesse und habe dadurch schon viele Anregungen bekommen, die ich sehr hilfreich fand. Ich komme aus einem pietistischen Hintergrund, in dem jeglicher Sex ausserhalb der Ehe verteufelt wurde. Mit diesem schlechten Gewissen habe ich leider bis heute zu kämpfen.
Nun habe ich ein paar Fragen an Dich: Ich bin fast dreissig und Single und arbeite im Ausland “in der Mission". Da sich der Sexualtrieb ja nicht so einfach abschalten lässt, bin ich sehr lange sehr unbarmherzig mit dem Thema Sexualität umgegangen. Ich befriedigte mich oft selbst (meistens ohne Pornos, aber gelegentlich mit Bilder von Bekannten auf Facebook). Mein Ziel war, Hauptsache schnell heiraten, um dieses Thema zu "lösen" (war keine gute Idee und hat auch nicht geklappt). Dann kam mein Ruf “in die Mission".
Irgendwann hörte ich zu Selbstbefriedigung vom Begriff “Selbsterfahrung" und merke, dass es mir damit nun besser geht. Allerdings bleibt das schlechte Gewissen. Bei der Selbsterfahrung kommen immer wieder ganz kurz Bilder von Bekannten und anderen nackten Frauen. Dafür fühle ich mich dann hinterher schuldig. Auch sonst frage ich mich, ob das tatsächlich alles so richtig ist, weil man ja in der Bibel nichts darüber findet.
Ich frage mich, ob Selbstbefriedigung nicht doch Unzucht ist und ob ich damit vor Gott in Ungnade falle. In 1. Korinther 7.9 steht: “Wenn sie (Verwitwete und Singles) sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser, zu heiraten, als in Begierde zu brennen.” Kann man daraus schließen, dass Selbstbefriedigung dieses "Brennen" ist? Und ist dieser Vers nicht auch ein klarer Hinweis darauf, dass man mit Sex bis zur Ehe warten sollte?
Liebe Grüße, Felix, 30 Jahre
Lieber Felix
Generationenlang hat man wohl genau das gedacht und behauptet. Dass mit dem Brennen oder Glühen in 1. Kor. 7.9 die Selbstbefriedigung gemeint ist, und natürlich nicht nur diese, sondern jegliches sexuelle Verlangen. Deshalb standen selbstverständlich sämtliche sexuellen Bedürfnisse unter Generalverdacht, wenn man nicht verheiratet war. Doch wie du bestimmt an verschiedenen Stellen in meinem Blog gelesen hast, gehören sexuelle Bedürfnisse zu uns Menschen dazu, sind ein Teil unseres Selbst. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen.
Ein wirklich schönes Büchlein zu diesem Thema ist «Mystik und Eros» von Anselm Grün und Gerhard Riedl. In der Beschreibung zum Buch steht: «Religion und Sexualität stehen für viele Menschen im Widerspruch. Die Autoren, ein Familienvater und ein Benediktinermönch wollen Mystik und Eros wieder miteinander versöhnen. Sie treten für eine Spiritualität ein, die die Lust am Leben fördert, und geben Antworten auf die Frage nach einer menschlich gelebten Sexualität.»
Mit den Worten Begierde oder Verlangen ist nicht ein gesundes Bedürfnis gemeint, sondern ein (über)starkes Sehnen - begieriges Sehnen und Verlangen, welches «alles Übrige erstickt». Das heisst, man wird vom Verlangen beherrscht und getrieben und lenkt das Bedürfnis nicht selbst. Da wir in der Bibel grundsätzlich nichts zu Selbstbefriedigung finden, ist es meiner Meinung nach nicht statthaft, aus dieser oder auch ähnlicher Bibelstellen (z.B. alle Unzucht-Stellen) eine Ächtung der Selbstbefriedigung abzuleiten. Aber wie alles im Leben können wir auch Selbstbefriedigung in guter oder schädlicher Weise ausleben. Wir finden verschiedene Stellen in der Bibel, die uns ermahnen, uns nicht von etwas beherrschen zu lassen, weder von Angst noch von sonst was. Eine Stelle in Sirach 6.2 (Apokryphen) drückt gut aus, was das Problem sein kann: «Lass dich nicht von deinen Wünschen beherrschen; sie könnten deine ganze Kraft aufzehren.» Doch andererseits ruft Paulus zu Gelassenheit und Entkrampfung auf: «Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich. Alles ist mir erlaubt, aber ich will mich von nichts beherrschen lassen.» 1. Kor. 6.12
Manchmal schmunzle ich über Paulus Rat, doch zu heiraten, wenn das Verlangen übermächtig ist. Offenbar war damals weder eine Frage, ob jemand Heiratswilliges zu finden sei, noch, dass Paare, wenn verheiratet, regelmässig Sex haben. Beides ist heute leider nicht zwingend gegeben. Seltsamerweise haben Menschen auch in Beziehungen oftmals keinen Sex oder sehr selten. Ein Mann in der Beratung meinte mal frustriert, nun hätte er mit dem Sex gewartet bis zur Ehe, in der Annahme, wenn er verheiratet sei, dürfe er dann Sex haben. Doch nun dürfe er immer noch nicht. Vor allem die christliche Sprachlosigkeit zum Thema Sex verhindert einen guten sexuellen Lernweg, der nötig wäre, damit sowohl Frauen wie Männer einen guten Zugang zu ihrem Körper und ihrer Sexualität entwickeln können und somit auch die Freude am Sex. Denn diese ist die Voraussetzung dafür, dass man Sex immer wieder und regelmässig haben möchte.
Also möchte ich Dich ermutigen, Deinen Körper zu geniessen und auch zu Deiner Sexualität und Deinen Sexualorganen eine gute, freudvolle Beziehung aufzubauen, ohne von der Begierde getrieben zu sein. Doch nein - ich finde es keine gute Idee, wenn Du Bekannte oder Facebook-Freundinnen als Wichsvorlage benützt. Ich rate Dir, erstmal überhaupt keine Bilder zu verwenden und auch nicht mechanisch mit der Hand drauflos zu rubbeln. Sondern konzentriere Dich auf die (feinen) Wahrnehmungen Deines Körpers. Darauf, was Du spürst - am ganzen Körper, was der Penis spürt, was der Penis tun möchte. Bewege Deinen Beckenboden, bewege den Penis mit dem Beckenboden, bewege den Penis in die stillhaltende Hand hinein, konzentriere Dich auf die Berührungen, Erfahrungen, Wahrnehmungen, auf die Erregung, die Bewegungen, den Atem, das Mitgehen mit dem ganzen Körper, die Erregungssteigerung, auf das Zurückhalten der Erregung, das erneute Ansteigen, das Entladen und das Nachspüren in der Entspannung. Alles ganz bewusst. Falls Du Fantasien miteinbeziehst, fokussiere auf Dich selbst und Deinen Körper, darauf, dich als sexuell begehrenden Mann zu sehen. Mehr findest Du in meinem Erwachsenen-Aufklärungsbuch LIEBESLUST, welches auch für Singles gut geeignet ist.
Das ist übrigens der hilfreichste Weg, um Abhängigkeit von Pornografie zu überwinden. Indem man in die Wahrnehmung des Körpers geht und die unerwünschten Bilder sein lässt. Denn Gedanken und Fantasien können gesteuert werden, man ist ihnen nicht einfach ausgeliefert. Je weniger die entsprechenden Gedankengänge und Synapsen im Hirn bedient werden, desto eher verschwinden sie von ganz allein, weil sie (im Hirn) nicht mehr benützt, diese Pfade nicht mehr begangen und ersetzt werden. Indem die Bilder durch Körpererfahrungen ausgetauscht werden und dadurch neue (gesündere) Bilder entstehen können.
Zur «Sex-vor-der-Ehe-Frage» findest Du ganz viel auf dem Blog. Hier der wichtigste Beitrag: Sexualethik und die Aufwertung der Verlobung
Herzliche Grüsse - Veronika
CHRINGLES WITH BENEFITS - ODER "ICH WILL SEX!"
foto: pexels
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Ganz so explizit sagte sie es nicht. Aber das Anliegen der etwa 30-jährigen Frau, welche nach dem Workshop auf mich zukam, war eindeutig. Sie wollte mir das Eingeständnis abringen, jeder Mensch habe ein Recht auf Sex, auch der Single-Mensch. Also der Christ-Single-Mensch, der Chringle. Sie meinte offensichtlich sich selbst.
Doch nein, dieses Recht gibt es nicht. Auf alle Fälle nicht auf Sex mit einem anderen Menschen. Mit sich selbst – das ist eine andere Sache. Das mag gemein sein und ungerecht, aber so ist es. Das Leben ist oft ungerecht. Damit müssen wir klarkommen. Die Annahme, Sex sei ein „Menschenrecht“, ist die Ursache vielen Übels auf der ganzen Welt. Überall da, wo sich Sex einfach genommen, wo er gekauft und erzwungen wird. Das Gesetz kennt keinen Anspruch auf Sex. Sex kann nicht eingefordert werden, nicht mal mehr in der Ehe – und das ist gut so. Und da Sex kein Menschenrecht ist, muss es theoretisch zumutbar sein, auf Sex zu verzichten. Man stirbt nicht, wenn man keinen Sex hat. Es stirbt höchstens eine Beziehung, die keinen Sex mehr will.
Doch was ist, wenn man sich freiwillig und in gegenseitiger Übereinstimmung zu Sex verabredet? Ja, ich habe davon gehört, von den „Chringles with Benefits“, in Anlehnung an das Phänomen „Friendship with Benefits“. Gemeint sind Freunde, in diesem Fall christliche, die gelegentlich Sex miteinander haben, ohne in einer Beziehung zu sein. Interessanterweise wollen Menschen von mir immer wieder wissen, ob sie etwas Bestimmtes tun dürfen oder nicht. Es geht ihnen um die Erlaubnis oder das Verbot. Die erwähnte Frau war fast ein wenig ungehalten, als ich mich weigerte, weder das eine noch das andere zu geben. Ich verwies sie mehrmals auf ihre Eigenverantwortung. Auf die Verantwortung sich selbst, dem Sexpartner und Gott gegenüber. Es ist erstaunlich, was es auslöst, wenn man Menschen sagt: „Das musst Du selbst wissen”, „Du musst selbst entscheiden, ob Dir das gut tut, ob Du das langfristig verkraften kannst“, „Du musst Dir selbst über Deine Motive dazu klar werden” oder „hast Du selbst Gott schon mal dazu befragt?“.
Während wir auf der einen Seite noch diskutieren, ob Selbstbefriedigung ok ist oder ob Paare in einer verbindlichen Beziehung schon vor der Ehe Sex haben „dürfen“, fordern andere bereits das allgemeine Recht auf Sex, unabhängig von einer Beziehungsform. Ich kann verstehen, dass einige Gemeindeverantwortliche deshalb gerne die Grenzen eng gesteckt lassen möchten, auch wenn Menschen letztlich trotzdem tun, was sie wollen. Doch wir sollten uns als Autoritätspersonen grundsätzlich weigern, Entscheidungen und damit die Verantwortung den (erwachsenen) Menschen abzunehmen mit moralischen Einwänden. Nur dann kann gesunde Selbstverantwortung entstehen.
Die Meinung, auf irgend etwas ein Recht zu haben, ist definitiv ein Kennzeichen westlicher Wohlstandsverwahrlosung. Auswuchs davon sind gekränkte Incels, die sich aus Hass auf „Normalos“ im Internet zusammenrotten und im Extremfall Frauen töten, weil sie sich von ihnen abgelehnt fühlen. Incel steht als Abkürzung für «unfreiwillig Zölibatäre». Gemeint sind Männer, die bei Frauen keinen Erfolg haben, aber glauben, auf diesen ein Recht zu besitzen.
Eine ganz andere Qualität steckt hingegen in einem freiwilligen oder unfreiwilligen Zölibat, welchem man einen persönlichen oder auch spirituellen Sinn abgewinnt. Der Benediktinermönch Anselm Grün, einer der bekanntesten christlichen Autoren der Gegenwart, schreibt dazu in seinem Büchlein MYSTIK UND EROS: “Wenn ich meine Sexualität als Geschenk von Gott erleben, mich in sie hineinfühle und mich von ihr über mich hinausführen lasse, dann ist sie nicht mehr der zu überwindende Trieb, sondern der Trieb, der mich auf Gott hin treibt, der mich zum Leben antreibt, der mich in Gott hinein fallen lässt. Damit das geschehen kann, muss ich das tief in mir sitzende Misstrauen gegenüber meiner Sexualität aufgeben und mich mit ihr anfreunden als einem Gottesfreund. Dann ist sie keine lauernde Begierde mehr, sondern ein Drang nach Leben, nach Liebe, nach Gott. Aber die Einheit von Sexualität und Spiritualität kann ich immer nur über die Spannung zwischen diesen beiden Polen erleben. Es ist keine bleibende, sondern eine immer wieder neu aufbrechende Erfahrung, ein Gottesgeschenk, das ich nicht festhalten kann.”
Wir sind heute generell ungeübt im Umgang mit den Pflichtprogrammen des Lebens. Wir sind eine verwöhnte Gesellschaft. Die Ansprüche sind ins Uferlose gestiegen – als hätten wir ein Recht auf Glück, Sorglosigkeit und Lusterfüllung. Eine sexuelle Partnerschaft, eine Beziehung überhaupt, Freunde, Glaubensfreiheit, Gesundheit, ein Job, Geld, Kinder, Freizeit und Ferien, nichts davon ist selbstverständlich. Wir sollten nicht mit dem Schicksal hadern, sondern demütig und dankbar sein für das, was wir haben. Für die Partnerschaft, in der der andere auch mal nervt. Für die Möglichkeit, Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen, auch wenn sie manchmal langweilig oder überfordernd ist. Für die Kinder, welche am Geduldsfaden reissen. Für die Unabhängigkeit und die Möglichkeiten des Singledaseins, auch wenn wir uns ab und zu einsam fühlen. Für das Versammlungsrecht in der Gemeinde, auch wenn uns diese in verschiedenster Hinsicht manchmal auf den Geist geht. Dann können wir an unseren Lebensumständen wachsen, mit uns selbst und unseren Kraftquellen (auch der Sexualität) in Kontakt kommen und Vertrauen in die Welt, unsere Mitmenschen und in Gott gewinnen.
Auf Hossa-Talk findet sich ein Gespräch mit einer Frau, die sich entschieden hat, ihre Sexualität jenseits der christlichen Normen auszuleben. Interessanterweise formuliert sie da, dass sie sich Sex-Dates besser nur erlaubt, wenn sie sich ganz selbstbewusst und stark fühlt. Sprich – es kann einen ganz schön aus den Schienen werfen, einfach mit jemandem Sex zu haben ohne grosse Vertrautheit und ohne Beständigkeit. Es macht etwas mit einem. Sex zu haben macht angreifbar, schutzlos. Oder aber man legt sich einen Panzer um die Seele, damit man sich nicht selbst verletzt, was letztlich unseren Wesenskern und unsere Nahbarkeit beeinträchtigen kann. „Was für ein Mensch will ich sein und was für ein Leben möchte ich leben“, diese Frage müssen wir uns stellen und für uns selbst beantworten, gerade auch, wenn es um unsere Sexualität geht.
Der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hielt anfangs Jahr eine bewegende Rede zu Verantwortung. Seine Worte können wir ganz grundsätzlich auf alle Lebensfragen und Lebensbereiche anwenden. Er sagte: "Gott schuf den Menschen mit einer geheimnisvollen Gabe, die kein anderes Geschöpf hat, sondern nur er. Der Mensch kann sich selber erkennen und für sich selber und für andere Verantwortung übernehmen. Er kann das in Liebe tun, er kann es mit Mut tun, mit Ängstlichkeit – aber er ist immer gemeint als der, der diese besondere Fähigkeit besitzt, über die niemand anderes sonst auf der ganzen weiten Welt verfügt: Er kann Verantwortung übernehmen." Und er fährt fort: "Es war die Freiheit der Moderne, die den Menschen herauslöste aus dieser festen Verortung in der Gesellschaft. Es ist die moderne Gesellschaft, die uns in den Individualismus entlässt und uns zumutet, über die grundlegenden Dinge selbst zu entscheiden: Wie wir unser Leben gestalten und was unserem Leben Sinn gibt. (…) Der große Psychologe Erich Fromm und der große Philosoph und Politikwissenschaftler Karl Popper haben mehrfach darüber gesprochen, dass es verborgen unter den verschiedenen Ängsten so etwas wie eine Grundangst gibt, die die Menschen gar nicht so genau definieren können. Ein diffuses, verunsicherndes Grundgefühl: die Furcht vor der Freiheit. Eine nicht völlig von uns erkannte, uns aber immer begleitende Furcht vor dem weiten Raum der Freiheit."
Dieser Raum der Freiheit betrifft auch die Sexualität – und wir sind herausgefordert, uns in Selbstverantwortung diesen Raum zu gestalten. - Trauen wir doch den Menschen und uns selbst diese Verantwortungsübernahme zu!
Herzlich - Veronika
SEIN PORNOKONSUM TREIBT MICH IN DIE ESSSTÖRUNG
foto: jonathan sharp
foto: jonathan sharp
Liebe Veronika
Wir sind schon mehrere Jahre verheiratet und haben Kinder. Eigentlich haben wir es schön zusammen, aber der Pornokonsum meines Mannes treibt mich zur Verzweiflung. Weshalb genüge ich ihm nicht? Was ist mit mir nicht in Ordnung? Weshalb tut er mir das immer wieder an? Sein Verhalten bringt in mir meine überwunden geglaubte Essstörung immer wieder hervor. Ich bin so wütend auf ihn! Doch er sagt nur, die Pornografie sei sein Problem, ich solle ihn damit in Ruhe lassen. Hast Du mir einen Rat?
Ich würde mich freuen, von Dir zu hören. Kathleen, 44 Jahre
Liebe Veronika - ich nochmals…
Gestern Abend habe ich Dir in meiner Verzweiflung geschrieben. Hinterher las ich nochmals das Kapitel über Pornographie in Deinem Buch LIEBESLUST (siehe Seite 194-198). Es hat mich sehr herausgefordert, aktiv dieses Thema anzugehen und nicht in meinem eigenen Fehlverhalten zu verharren (da sind auch noch Entwicklungsprozesse vonnöten… :-(). So habe ich das Gespräch mit meinem Mann gesucht, um erneut gemeinsam über dieses schwierige Thema zu reden.
Wir müssen dran bleiben, Worte finden für Dinge, die wir nicht verstehen, verborgene Wünsche und Verletzungen ansprechen, beispielsweise was gewisse Handlungen beim anderen auslösen. Heute morgen haben wir nun beschlossen, dass wir wieder in die Beratung gehen, die uns schon mal sehr weitergeholfen hat.
Manchmal ist das Gefühl einfach frustrierend, man trete auf der Stelle und beobachte statt Fortschritte nur Rückschritte. Das Schöne ist, in einem Punkt sind wir uns einig: Wir haben uns gern und wollen weiterkommen. Hoffentlich gelingt uns dies mit guter, professioneller Hilfe. Danke für Deine Bücher und den Blog. Es hat mir geholfen, gestern Abend alles zu formulieren und nun wieder klarer denken zu können.
Herzlich Kathleen
Liebe Kathleen
Deine Frage wollte ich eigentlich in den nächsten Tagen beantworten. Nun hast Du Dir eine Antwort selbst formuliert, was meist am Wertvollsten ist. In der von Dir erwähnten Beratung seid ihr in guten Händen, weshalb ich Dir lediglich stichwortartig ein paar Gedanken schreibe.
Pornografie ist tatsächlich, wie es Dein Mann betrachtet, sein Problem. Dieses hat vor allem mit seiner eigenen Sexualität zu tun, mit seinen (eingeschränkten) Erregungsquellen, die ihm die Erregung garantieren. Er sollte lernen, Lust vor allem aus der Wahrnehmung seines eigenen Körpers zu wecken. Er sollte seine Erregungsmöglichkeiten erweitern, vor allem in Bezug auf die Erotisierung von sich selbst und in Bezug auf die Realität. Das sollte er üben im Solosex. Pornografie und Selbstbefriedigung sind nicht ein und dasselbe. Selbstbefriedigung ist legitim und die Lernanlage, um in die Wahrnehmung des eigenen Körpers und damit zu mehr Genuss zu kommen. Auf die richtige Weise Selbstbefriedigung “angewendet”, bringt sie einen weg von der Pornografie. Erst wenn Selbstbefriedigung die Paarsexualität ersetzt, wird sie zum Problem.
Es ist leider nicht legitim, die eigenen Lebensthemen nach dem Motto zu lösen: “Wenn du nicht wärst, wär ich ein besserer Mensch!” So, wie Pornografie das Problem Deines Mannes ist, haben Deine Essstörungen ganz allein mit Dir selbst zu tun. Beide Problemlösungsstrategien habt ihr vermutlich schon mit in die Ehe gebracht. Essstörung als Ausweg aus frustrierenden Situationen zu wählen und damit Druck abzubauen, ist genauso Deine eigene Entscheidung, wie Pornografie die Entscheidung Deines Mannes ist. Wenn Du für dich wählst, mit Deinem Frust über Deinen Mann auf diese Weise umzugehen, kann er nichts dafür. “Liebe dich selbst – und es ist egal wenn du heiratest.” - so lautet ein Buchtitel. Du solltest Dir vor allem selbst den Wert geben, der Dir zusteht von Dir selbst und von Gott.
Herzlich - Veronika
CHRIST-IN MIT NICHT CHRIST-IN - GEHT DAS?
foto: elijah macleod
foto: elijah macleod
Liebe Veronika
Ich habe Dein Buch LIEBESLUST gelesen und durchstöbere ab und an Deinen Blog. Danke, dass Du diese Arbeit machst. Mir haben Deine Beiträge schon sehr geholfen in verschiedenen Fragestellungen, die mich beschäftigten. Eine persönliche Frage stellt sich mir in letzter Zeit häufiger, und ich habe dazu noch nichts gefunden auf Deinem Blog: ChristIn und nicht ChristIn, geht das?
Mein Freund und ich haben seit einem Jahr eine liebevolle und glückliche Beziehung. Als wir uns kennen lernten, war es mir zu Beginn sehr wichtig zu sagen, dass mir mein Glaube viel bedeutet. Dass ich meinen Glauben in der Beziehung teilen möchte. Ich habe meinen Freund so verstanden, dass er zwar gläubig ist, den Glauben aber nicht so sehr lebt und sich von mir anstecken lassen will. Mehr und mehr wurde in Gesprächen klar, dass er zwar an einen Gott glaubt, aber nicht an die Sündenvergebung von Jesus und auch nicht in allen Punkten mitziehen möchte (gemeinsam in die Gemeinde, gemeinsam Beten, in der Bibel lesen). Je länger wir zusammen sind, desto mehr mache ich mir Gedanken darüber, was die Bibel und vor allem was Gott dazu sagt, wenn ich in einer Beziehung mit einem Nichtchristen bin, den ich vielleicht sogar heiraten möchte. Ich möchte nach Gottes Willen leben, aber bei dieser Frage weiß ich nicht weiter ...
Ich bin gespannt auf Deine Antwort. Liebe Grüße Roberta, 27 Jahre
Liebe Roberta
Ich habe diese Frage schon ein paar Mal beantwortet, aber nicht öffentlich. In der Beratung bin ich öfters mit dieser Fragestellung konfrontiert. Es hat schon seine Tücken, sich mit einem ungläubigen Partner, einer ungläubigen Partnerin zu binden, wenn einem der Glaube viel bedeutet. Vor allem langfristig. Es geht dabei um ganz verschiedene Themen: Freunde, Gemeinschaft, Lebenshaltungen, geistlicher Austausch, geistlicher Ausdruck des Glaubens (Gebet, Musik, Worship), von Kindern vielleicht und deren Erziehung dann mal später ganz abgesehen. Ein grosses Problem ist meiner Erfahrung nach, dass der gläubige Teil irgendwann «geistlich vereinsamt» und sich in der Folge mehr und mehr auch in der Beziehung isoliert und unverstanden fühlt. Manchmal vermissen diese Menschen dann den engen Kontakte mit anderen Gläubigen und die Gemeinschaft in der Kirche, so wie sie es sich gewohnt waren und es liebten. Oder sie schliessen sich mehr und mehr anderen gläubigen Menschen an und verlieren den Kontakt und die Nähe zum Partner, zur Partnerin.
Die Bibel sagt wenig dazu. Zum Beispiel betont Paulus, man müsse/solle sich nicht von einem ungläubigen Partner scheiden lassen, dieser sei durch die Beziehung mitgesegnet, ja sogar geheiligt: “Den andern aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und es gefällt ihr, bei ihm zu wohnen, so soll er sie nicht fortschicken. Und wenn eine Frau einen ungläubigen Mann hat und es gefällt ihm, bei ihr zu wohnen, so soll sie den Mann nicht fortschicken. Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann.” (1. Kor. 7, 12-16). Paulus bezieht sich hier auf bereits geschlossene Ehen. Zum Fall einer Eheschliessung mit einem Nichtgläubigen Menschen äussert er sich nicht. Man kann davon ausgehen, dass damals die Partnerwahl nicht frei war, also Eltern unter Umständen auf den Glauben der zu verheiratenden Kinder nicht zwingend Rücksicht nahmen. Einige Christen warnen vor einer Heirat mit Ungläubigen mit der Stelle aus 2. Kor. 6, 14: “Zieht nicht unter fremdem Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat Gerechtigkeit zu schaffen mit Gesetzlosigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?” Hier ist aber die Ehe nicht explizit erwähnt, sondern gemeint sind wohl eher Geschäfte und Seilschaften und Götterkulte.
Es gibt im alten Testament einige Paar-Geschichten, die aus unterschiedlichen Glaubensvorstellungen heraus nicht gut gingen. Michal teilte Davids Glauben wohl nicht wirklich, was das Paar schliesslich auseinander brachte. Man könnte spekulieren, dass Isaak in geistlicher Hinsicht so seine Mühe hatte mit Rebekka, obwohl er sie sehr liebte. Bei Dina endete die Verbindung mit einem “Ungläubigen” in einer Katastrophe, hauptsächlich aufgrund der Engstirnigkeit ihrer Brüder. Doch diese Geschichte eignet sich auch aus anderen Gründen nicht als Beispiel, denn es war eine aufgezwungene Verbindung. Eine glückliche Beziehung über Glaubensgrenzen hinweg könnte diejenige von Moses und Zippora gewesen sein.
Ich würde Dir raten, mit Jesus persönlich im Gespräch über dieser Sache zu sein. Nimm Dir Zeit und frage ihn ganz konkret, was er dazu meint. Höre darauf, was er Dir für Gedankenanstösse gibt. Wenn sich leise Zweifel einschleichen, übergehe diese nicht. Bedenke, ob diese Person Dich in Deinem Glauben ermutigt, oder ihn mehr und mehr in Frage stellt. Betreffen Deine Zweifel aber vor allem seinen Charakter, seinen Umgang mit Dir oder anderen, sein Verhalten, dann schau genau hin. Man kann den Charakter eines Menschen an seinem Verhalten erkennen, auch wenn man verliebt ist und eine rosa Brille auf hat. Es gibt immer kleine Anzeichen von “Unverträglichkeit”, wenn man hinsehen will. Damit meine ich nicht unbedingt alltägliche Konflikte aufgrund unterschiedlicher Auffassungen, denn die gehören zum Leben dazu und müssen ausdiskutiert und ausgehandelt werden.
Frage Dich, ob Du mit dieser Person an Deiner Seite die beste Version Deiner selbst sein kannst und das Leben leben, dass Du Dir vorgestellt hast. Nach diesen Kriterien würde ich auch ganz grundsätzlich einen Partner, eine Partnerin wählen, auch gläubige. Denn Christsein ist noch lange nicht gleichzusetzen mit einem guten Charakter und überhaupt keine Garantie für eine glückliche Verbindung.
Herzlich - Veronika