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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

June 14, 2018

EINE NEUE SEXUALMORAL - UND DIE AUFWERTUNG DER VERLOBUNG

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Ehe, Partnerwahl, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Zusammenleben, Sexualethik, 2018


foto: rawpixel

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foto: rawpixel

Die vergangenen vier Jahre habe ich mir gemeinsam mit Freunden viele Gedanken darüber gemacht, wie Menschen durch eine ermutigende, fördernde und Identität stiftende Sexualethik in ganzheitlicher Weise in einem gesunden Selbstgefühl wachsen können.


Dabei blieben wir immer wieder auch an der Fragestellung hängen, wie Regelwerke durch Selbstverantwortung sinnvoll ersetzt werden könnten, ohne gleich den Wertekatalog über den Haufen zu werfen. Denn das ist verständlicherweise die grosse Angst der christlichen Gemeinschaft: "Was geschieht mit den Menschen und unserem Zusammenleben, wenn die haltgebenden Normen wegfallen?" Die Frage aller Fragen darin: Der "Sex vor der Ehe". Die Konsequenz aller Selbstverantwortung lässt keinen anderen Schluss zu, als die Verantwortung für den gelebten Sex dem einzelnen Menschen und dem Paar zu übergeben. Wir sollten wegkommen von der Verbots- und Problemkultur. Denn ansonsten finden wir uns in der Falle wieder von Kontrolle und Rechenschaft einfordern. Zufügen will ich hier, dass meine Überlegungen den erwachsenen mündigen Menschen betreffen, nicht minderjährige Jugendliche, die unter der Verantwortung der Eltern stehen.

Wie könnte eine neue Sexualmoral aussehen? Ohne gleich ein Konzept vorzustellen, habe ich trotzdem die für mich wichtigsten Grundsatzhaltungen formuliert. Sie entsprechen auch den Ausführungen im Buch LIEBESLUST im Schlusskapitel, in dem ich ausführe, wie wir jungen Menschen Sexualität sinnvoll und lustvoll weitergeben und darüber reden können.

EINE NEUE SEXUALMORAL

Auf dem Gebot der LIEBE, nicht Gesetzlichkeit.

Beruht auf SELBSTVERANTWORTUNG und
Verantwortung für den anderen in LIEBE.

Grundlage ist RESPEKT, sowohl für die Autonomie,
als auch die Beziehungsperson.

Margaret A. Farley, die 83-jährige Nonne, Theologin und emeritierte Dozentin für christliche Ethik an der Yale University hat in ihrem Buch „Verdammter Sex“ Sexualnormen der Gerechtigkeit vorgestellt, die den gesamten Sex-Kontext umspannen und uns als Leitlinien für eine neue Sexualethik dienen können und meiner Ansicht nach auch sollten.

sexuelle_Gerechtigkeit.jpg

Ein aufmerksamer BLOG-Leser hat mir seine eigenen Recherchen zum Dilemma-Thema "Sex vor der Ehe" zugeschickt. Er befasste sich mit der These, dass eine Aufwertung der Verlobung ein Schritt in die Richtung "Verantwortung an das Paar abgeben" sein könnte. Ich möchte Euch diese Ausführungen nicht vorenthalten. Danke Dir, Erwin Meier, Pastor im Ruhestand, ganz herzlich, dass ich diesen Text veröffentlichen darf.


Verlobung - welch hoher Wert

Nicht nur in der Gesellschaft ist die Verlobung ziemlich unmodern geworden. Auch in der christlichen Lebenswelt höre ich zumeist das Wort von der Freundschaft. Um die Wichtigkeit dieser Beziehung zu betonen, spricht man von einer „festen“ Freundschaft. Aus seelsorgerlicher Sichtweise fehlt mir dabei jedoch die deutlich erkennbare Verbindlichkeit, in der die echte Liebe zur Paarbindung herangewachsen ist. Dann wächst beim Paar irgendwann auch der Wunsch, dass aus einer echten Liebe eine rechtsverbindliche Partnerschaft wird und einer von beiden den Vorschlag macht: „Lass uns übers Heiraten sprechen.“ Das Bedürfnis nach Gewissheit und Zukunftsplanung verlangt nach Klärung.

Damit soll der Zustand dieser Liebe auch in einer christlichen Gesellschaft anerkannt werden. Das stellt den Stand einer Verlobung dar. Sie zeigt, wie ernst das Paar es mit der Ehe meint. Ihr Verbindlichkeitscharakter bildet einen Wert, der in den biblischen Zeitaltern und noch heute in den Zivilgesetzen von Deutschland und der Schweiz mit unter den Schutz des Eherechts gestellt ist. Die Verlobung ist integraler Bestandteil der Ehe. Es ist mein Anliegen, den Liebespaaren die Verlobung erstrebenswert zu machen. Wo dies erkannt wird, nimmt man nicht nur die daraus resultierenden Pflichten ernst, sondern auch die dazu gehörigen Privilegien. Ich unterstelle Christen, dass sie selbstverständlich verantwortungsbewusst voraus denken und dementsprechend handeln.

Mit diesen sachlichen Aussagen bewege ich mich im Bereich der Definition. Wo um die eine gültige Definition gerungen wird, geschieht die Auseinandersetzung mit Meinungen. Dabei gestehen wir uns gegenseitig verschiedene Meinungen zu, weil wir uns bewusst sind, dass wir eine gemeinsame Gesinnung haben. Wir wollen nichts anderes als die liebevolle Gesinnung von  Jesus Christus. Und wenn wir unter seinem Beistand sogar zu der Meinung gekommen sind, dass man den Beginn der Ehe verschieden definieren kann, dann begegnet er uns nicht mit Stirnrunzeln, sondern lächelt verständnisvoll.

Die Suche nach Objektivität in einem subjektiv erlebten Liebesverhältnis startet unser Verstand. Der soll dann unseren Willen leiten. Dann kommen  die Gefühle der Sehnsucht nach Zärtlichkeit dazu. Der Liebreiz weckt den Wunsch nach  Befriedigung dieser immer heftiger werdenden Gefühle. Längst vorher sollten Christen folgende  moralische Frage geklärt  haben: Ist dieses reizende Gefühl nicht nur sehr schön? Findet Gott es auch gut, wenn wir uns gegenseitig damit beglücken? Dann antworte ich: Gut ist, wenn wir erstens Gott danken können für die Befähigung zur Vernunft, zweitens für die Bereitschaft zum verantwortungsbewussten Wollen und drittens für das Zulassen der wonnigen Liebesgefühle.

Sie kommen aus unserem Inneren, aus unserer Seele. Auch damit können wir den HERRN loben, sagt Psalm 103,1 „… und all mein Inneres seinen heiligen Namen.“ (EB) Diese aufwallenden Gefühle können sich von unnötigen Hemmungen lösen und zur rückhaltlosen Hingabe befähigen. Dann können wir auch gemeinsam unser Beten und Danken fortsetzen und kultivieren. Das ist gut. Weil man mit dieser Einstellung eben nicht der sündigen Begierde der „Fleischeslust“ verfallen ist, vor der uns der Apostel Johannes in 1 Joh 2,16 als weltliche Verdorbenheit bewahrt wissen möchte. Leider haben mit diesem Bibeltext die frommen Moralisten so manchen geistlichen Missbrauch getrieben. Wie ernüchternd wirkt dagegen der Zuspruch des Apostels Paulus in Röm 14,22: „Selig ist, der sich selbst nicht verurteilen muss in dem, was er gut heißt.“

Das kann in unserer Beziehung bedeuten: Wenn Verlobte ihren Gefühlen soweit Ausdruck erlauben wollen, dass sie sich gegenseitig mit dem Geschlechtsverkehr beschenken, dann sollten sie es mit dem Verständnis tun, dass ihre Intimgemeinschaft nicht mit der moralischen Abwertung „vorehelich“ behaftet ist. Wenn sie sich darüber nicht im Klaren sind, wenn ihre Freiheit dazu nicht vollkommen ist, ist ihre Liebesbeziehung für eine Liebesvereinigung noch nicht reif genug. Dann wird es ihre geistliche Beziehung zu Gott und miteinander beeinträchtigen.

Verlobte wissen sich in unserer Gesellschaft als Liebespaar ernst  genommen. Diese Gesellschaft ist so tolerant, dass man gar nicht danach fragt, ob in ihrer Liebesbeziehung der Geschlechtsverkehr erlaubt ist. Ich stelle deshalb in Frage, ob man mit der Enthaltsamkeit bis zum Zeitpunkt der Hochzeitsfeier in dieser Gesellschaft überhaupt ein Zeichen und Zeugnis für Selbstbeherrschung und Sitte geben kann, wenn dafür gar kein Interesse besteht. Enthaltsamkeit ist gut - für diejenigen, die davon überzeugt und auch so veranlagt und so stark sind, dass sie es können. Dazu meint ein Weiser: Wichtiger als Abstinenz ist die Kompetenz. Diese besteht zunächst einmal in dem gegenseitig gegebenen Treueversprechen. Danach ist ein Paar im vertraulichen Miteinander kompetent, wenn es ohne Krampf bei wohltuender Behaglichkeit liebevolle Umgangsformen einübt, die dann einander auch mit erotischen Spielarten glücklich machen. Man kann die Enthaltsamkeit eine Tugend nennen mit der Wortbedeutung von „taugen“ bzw.  Tauglichkeit. Dann handelt es sich um ein vorwurfsfreies Verhalten. Unsere heutige Gesellschaft erhebt diesbezüglich keinen Vorwurf. Und „wenn uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir Zuversicht zu Gott“ (1 Joh 3,21). Für das eigene Gewissen ist es gewiss gut und tut gegenseitig gut.

Gelegentlich zitieren verlobte Paare auch den Spruch aus Hos 2,21 + 22: „Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit, ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja, in Treue will ich mich mit dir verloben, und du wirst den Herrn erkennen“. Hier spricht Gott wie ein  Bräutigam zu seinem Volk über einen erneuerten Bund und gebraucht für sein Liebesverhältnis mit der „Tochter Zion“ drei Mal die Worte von der Verlobung, wobei ER am Ende den Ausdruck „erkennen“ (hebräisch yada) hinzufügt. Bekanntlich verstanden die Bibelschreiber darunter eine innige, sogar intime Beziehung (1 Mo 4,1 + 25). Dieser Begriff ist nicht nur gefüllt mit dem Begegnungscharakter, sondern „er-kennen“ schließt das Wiedererkennen ein, betont damit den Wiedererkennungswert, der auf Zukunft angelegt ist, weil man auf Wiederholung hoffen darf.  

Als die Jünger einmal die Aussagen von Jesus über die Ehefähigkeit sehr problematisch fanden und schlussfolgernd die Meinung äußerten, dass wohl die Ehelosigkeit eine praktikable Lösung sei, fügte Jesus eine weitere sehr problematische Bemerkung hinzu: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ (Mat 19,12). Das könnte heißen: Wer die geschlechtliche Enthaltsamkeit fassen kann, soll damit zufrieden sein. Und wer sie nicht in den Griff bekommt, soll sich deshalb kein schlechtes Gewissen machen lassen und die Geschlechterliebe eine vortreffliche Tugend nennen. 

Wir sind uns darüber im Klaren, dass der liebevolle und befriedigende Austausch von Zärtlichkeiten beim Kuscheln, erregt bis hin zum schönsten Petting, dieses Liebesspiel, bereits eine Vor-Form des Geschlechtsverkehrs ist. Im Erlebnis ist es das für die Braut so wichtige Vorspiel, das sie möglichst lang hinausgezögert genießen möchte. Sie wünscht sich, dass ihr Geliebter hautnah zu fühlen ist. Nähe ja, aber auch schon sein Eindringen? Hoffentlich kann sie es ehrlich sagen, was sie wirklich möchte. Am besten ist doch, wenn beide längst vorher sich kompetent auseinandergesetzt haben. Dazu gehört natürlich auch etwas Grundwissen über die menschliche Biologie und Physiologie. Insbesondere über den Reichtum und die Wirkung der Hormone, die als Botenstoffe lustvolle Gefühle bis in die Genitalien transportieren können. Erwähnenswert erscheinen hier nur drei. Das als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin wirkt sich im Blut und Gehirn aus und wird sogar bewusst wahrgenommen durch ein verstärktes Gefühl der Anhänglichkeit. Also ein regelrechtes Bindemittel. Und als „Belohnungshormon“ wird das Dopamin so genannt. Deshalb taugen aber beide Hormone nicht als vereinfachte Treueformel. Schließlich können noch die Endorphine genannt werden. Neben anderen Aufgaben können Endorphine einen Anteil an der Herstellung von Sexualhormonen in besonderen Glücksmomenten haben und sogar Euphorie auslösen. Deshalb gilt es auch als „Glückshormon“. Wird es  regelmäßig produziert, kann es das Immunsystem stärken und somit die Gesundheit fördern.

Wiederholte intensive Zeiten der Zärtlichkeit werden Verliebte mit Körper, Hirn und Hormonen in Erregung versetzen und  an einen Punkt bringen, wo sie sich ihrem Verlangen hingeben möchten und der Liebesvereinigung. Im Hohelied (Kap. 5,4) drückt es die Braut sehr direkt aus: mein Innerstes (wörtl. Eingeweide) wallte ihm entgegen. Der Apostel Paulus schreibt in Röm 1,26: dieser „Brauch“ (chresis = Verkehr) ist „natürlich“ (physikos) d. h. dringend notwendig. Und Salomo beschrieb dieses bezaubernde Hochgefühl im Hohelied (4,12 – 16) mit den Worten vom „Lustgarten mit Quelle und Born lebendigen Wassers.“  

Hierzu eine Überlegung zur Wortbedeutung „miteinander schlafen“. Man spricht vom „Beischlaf“. Wörtlich genommen würde das Paar beieinander oder nebeneinander schlafen. Da aber jeder Mensch nur für sich allein schlafen kann, weil man im Schlaf gewissermaßen „abwesend“ ist, taugt dieser Begriff gar nicht für die intime Gemeinschaft, von der die Bibel mit den Worten „ein Fleisch werden“ schreibt. Besser eignet sich der Begriff „Beilager“ oder „Beiwohnung“. So wird er auch in einigen Bibelübersetzungen gebraucht. Ebenso steht er immer noch im § 1300 des BGB: „… hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet …“ Im Herkunftswörterbuch des Duden wird das Wort „schlafen“ erklärt mit „schlaff, schlapp herabhängend“, also ein entspannter Zustand, der eigentlich gar nicht mit einem erotischen Erregungszustand vergleichbar ist. Wenn Jesus in Luk 12,37 f uns als seine Jünger angesichts seiner überraschenden Wiederkunft zum Wachen ermahnt, dann meint das Schlafen „das Aufheben der Gemeinschaft“. So gesehen ist der Begriff „Beischlaf“ für die Geschlechterliebe völlig unpassend. Denn wo die innigste Gemeinschaft erlebt wird, ist das Paar bestenfalls in einem Liebesrausch, aber nicht schlafend.

Der Weg vom klitoralen Petting zum vaginalen Verkehr beträgt nur wenige Zentimeter. Die Liebe findet schließlich ihren Weg von hier bis dort.  Es wäre jammerschade, wenn sich das Paar danach mit einem Rest von Unbehagen anschaut und fragt: Wollten wir so viel? Durften wir so weit gehen? Wurde aus der Umarmung vielleicht eine Verarmung? Wenn erst dann das Gewissen nach dem Wissen fragt, ist es zwar nicht zu spät. Aber als Seelsorger möchte ich gläubigen Liebespaaren - wenn es denn möglich ist - mit meiner biblisch durchdachten Begründung helfen, in unserer heutigen Lebenswelt zu differenzieren zwischen der mosaischen Sexualethik bei den historisch bedingten Sitten, Gebräuchen und Traditionen, wie sie in der Kulturgeschichte des Volkes Israel gesellschaftlich relevant waren, und welche davon in unserer Gesellschaft einen gültigen Wert behalten haben. Tatsache ist, dass die Treue, Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit bei den Menschen unserer Zeit immer noch hohe und begehrte Werte sind. Gerade weil die Wirklichkeit oft anders aussieht, ist das Bedürfnis nach Verlässlichkeit und die Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen so groß. Wer zum Beispiel im Beruf Druck verspürt, dem ist sein partnerschaftliches Liebesverhältnis als sicherer Hort umso wichtiger. In der Treue findet man den tröstlichen Ausgleich. Treue ist eine je neue willentliche Entscheidung für ein schönes altmodisch klingendes Wort: Hingabe. Sowohl auf der emotionalen Ebene wie auch auf der sexuellen. Erst die Treue gibt der Liebe ihren Wert.

Noch einmal: Wer vor der Hochzeitsfeier keinen Geschlechtsverkehr miteinander ausüben will, soll beim trauten Beisammensein die Kleidung anbehalten. Wer seinen Willensentschluss in gelassener Entschiedenheit durchhalten kann, sei gesegnet. Aber man soll von Verlobten keine generelle Triebzähmung fordern, wenn weder ein überzeugender Grund noch eine Eigenmotivation dafür da ist. Der erzwungene Verzicht kann im Gegenteil destruktive Kraft entwickeln, und einen ungezwungenen Umgang mit sexuellen Bedürfnissen verhindern, egal, ob sie ausgelebt werden oder nicht. Wer mehr Erkenntnis hat und davon überzeugt ist, dass die voll ausgekostete Geschlechterliebe  ein herrliches Gottesgeschenk ist, der erweist gläubige Kompetenz als eine Tugend, die mit verantwortungsvoller Begeisterung genossen werden kann.

Selbstverständlich sollten Paare mit der Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr sich vorher gründlich mit Verhütung auseinandersetzen und verantwortungsbewusst entscheiden, ob und wie sie bereit sind, die Verantwortung für ein allenfalls gezeugtes Kind zu übernehmen.  Denn Angst vor einer Schwangerschaft wird die Hingabe und den Genuss des Geschlechtsverkehrs vor allem für die Frau massiv beeinträchtigen. Zu akzeptieren, dass der eine aus diesen Gründen keinen Geschlechtsverkehr will, gehört zum gegenseitige Respekt in der Beziehung und im Ideal zur Einhaltung des gemeinsamen Treueversprechens des Paares, um im Sinn von Hbr 13,4 die „Ehe in Ehren zu halten“.

Geht es bei Sex um ein Grundbedürfnis des Menschen? So wie bei Luft, Wärme, Wasser, Nahrung und Schlaf, ohne die kein Mensch leben kann? Wir benötigen für ein glückliches Leben Kommunikation, soziale Beziehungen, Sicherheit, Anerkennung und Gebrauchtwerden, doch wie steht es mit Sex?  Nur im Blick auf den Fortbestand der Menschheit kann man sagen, dass Sexualität ein Grundbedürfnis ist. Dass aber Sexualität im Fall eines Paares kein Grundbedürfnis ist, merkt man daran, wie es bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen in den Hintergrund rückt. Ebenso ist es natürlich, dass der Mensch auf äußere Einflüsse wie Angst und Stress mit ausbleibendem Geschlechtstrieb reagiert. Sexualität dient aus streng biologischer Sicht in erster Linie der Fortpflanzung, aber in zweiter Hinsicht eben auch der Paarbindung. Mit dem Spruch „Alles kann, aber Liebe muss“, sollte man auch das Anliegen der Sexualität vielleicht nicht als ein Grundbedürfnis verstehen, sondern den Umständen entsprechend als ein sich aufdrängendes Bedürfnis.

Einem verantwortungsvoll lebenden verlobten Paar sollte gewährt sein, dass sie ihren gesunden Liebesbedürfnissen eine naturgemäße Freiheit gönnen. In der echten Welt der Gefühle suchen wir doch alle diese Momente, wo wir staunend vor dem Leben stehen und denken, wie groß, einmalig und überwältigend die Liebe sein kann.

Denn unter gewissen Umständen, wie eine lange Ausbildung oder Studium, ist ein Paar vielleicht nicht in der Lage, zu heiraten und ein entsprechendes Fest finanziell zu bewältigen. Aber in ihrer gereiften Liebesbeziehung erleben sie schon eine hohe Zeit (Hoch-Zeit), d. h. sie nehmen die Ehe ernst und sehen ihre Liebe für gültig an, auch wenn sie noch nicht endgültig ist. Damit bekunden sie ihren Respekt vor der Ehe. Sie erleben ansatzweise, was noch in Fülle verheißen ist. Irgendwann werden sie die Möglichkeit sehen und nutzen, um ihre privat begonnene Ehe auch von der Gesellschaft, d. h. beim Standesamt, urkundlich bestätigen zu lassen. So gesehen handelt es sich dann eigentlich um eine Konfirmation, nämlich eine öffentlich-rechtliche Bestätigung oder Ratifikation eines Bundes, zu dem sie vom lieben Gott bereits den Segen erbeten und bekommen haben.

In Deutschland können heutzutage Verlobte allein zum Standesamt gehen und ohne Trauzeugen heiraten. Wenn sie sich eine Hochzeitsfeier wünschen und leisten können, werden sie diese auf einen späteren Termin verlegen oder sogar auf unbestimmte Zeit verschieben, wenn nicht sogar darauf verzichten. Das bürgerliche Gesetz erlaubt einem Pastor eine kirchliche Segnung für Verlobte, die noch keinen Trauschein vorlegen können. So wird die Ehe „in Ehren gehalten bei allen“. Es geht dabei nicht um die Ehre Gottes (doxa), sondern um jene zwischenmenschliche Ehre (time), d. h. um den Respekt, den man gegenüber Eltern und anderen Autoritäten und vor allem dem geliebten Partner gegenüber erweist. Mit anderen Worten geht es hier um die geistgewirkte Freiheit des Christen, die sich in der Liebe entfaltet und bewährt.

Erwin Meier, Pastor im Ruhestand

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February 8, 2018

ICH BIN VOLLER WUT ÜBER UNSEREN START IN DAS EHE-SEXLEBEN

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, das erste Mal, Ehe, Ehesex, falsche Scham, Gott, Liebe, Lust, Schmerzen beim Sex, Selbsterfahrung, Sex vor der Ehe, Stress, Sünde, Zusammenleben, 2018


foto:christopher campell

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foto:christopher campell

foto:christopher campell

Liebe Veronika

Mein Mann und ich sind seit Frühling 17 verheiratet. In der Freundschafts- und Verlobungszeit behielten wir immer brav die Kleider an und haben nicht miteinander geschlafen, obwohl ich mir das hätte vorstellen können. Für meinen Mann aber war klar, dass wir damit warten bis zu den Flitterwochen. Ich hatte zwar schon meine Bedenken, ob das dann für mich von null auf hundert einfach so möglich würde. Der Erwartungsdruck war dann, auch von mir aus, in der Flitterwoche gross, weshalb wir „zu üben“ begannen. Leider hatte ich starke Schmerzen dabei und fand es ungerecht, dass ich litt, währen es für ihn lustvoll war. Doch auch mein Mann war frustriert, weil ich, ebenfalls aus Frust, die Sexualität grundsätzlich in Frage stellte und mir mein früheres Leben zurück wünschte.

Irgendwann wurde uns dann klar, dass wir mit dem ganzen „Kein Sex vor der Ehe“ – „Bund schließen“ – „Eins werden“ grundsätzlich etwas falsch verstanden haben mussten. Ich wurde so wütend auf meinen Mann, alle Menschen und alle frommen Gemeinden, die das lehren und uns so geprägt haben. Ich stellte einmal mehr die ganze freikirchliche Kultur in Frage. Weshalb wurde uns nicht gelehrt, dass Liebe, Individualität, Grenzen beachten, persönliche Freiheiten, Freiheit überhaupt so viel grundlegender sind als die „ach so bibelfundierten Vorschriften“?

Inzwischen haben wir uns als Paar und in der Sexualität praktisch weiterentwickelt und erleben immer wieder erfüllenden Sex, wir beide. Wir sind uns bewusst, dass die Flitterwochen katastrophal waren und haben schon oft darüber gesprochen. Mein Mann sagt, man könne das einander vergeben und dann sei gut. Das haben wir auch getan. Aber nur funktioniert es bei mir nicht. Ich bin immer noch voller Wut, wenn ich an unsere Erfahrungen denke, auch darüber, wie leichtgläubig wir Christen alle Dogmen für wahr halten und unser Innerstes dafür aufopfern. Leider habe ich Deinen Blog erst im Spätsommer entdeckt - aber besser als nie! - und damit viel Hilfreiches, wie z.B. den Vortrag von Siegfried Zimmer zum Thema.

Was würdest Du mir empfehlen? Wie soll ich mit dieser Wut umgehen? Mein Mann sagt, ich solle nicht so sehr auf die Vergangenheit fokussieren und diese Erlebnisse loslassen. Manchmal gelingt es wirklich ganz gut. Doch gelegentlich denke ich an die Flitterwochen zurück und könnte kotzen. Ich bedaure sehr, wie unsere Intimität in ihrem jungen Wachstum so unter Druck und Zwang gekommen ist.

Vielen lieben Dank für Deine Arbeit. Grüße von Sandrine, 32 Jahre


Liebe Sandrine

Ich kann Deine Wut über die geschilderten und bestehenden Umstände gut verstehen, da Ihr zwei auch nicht mehr zwanzig seid. Ich meine auch, Deine Wut zu verstehen, weil ich sie selbst kenne, denn sie ist vermutlich in einem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden aus Deinem Charakter heraus begründet. Die Frage ist jetzt nur, wie Du die Wut als positive Triebfeder zum Guten nutzt, vor allem für Dich und Deine Beziehung, aber vielleicht auch für andere Menschen. Doch beginnen möchte ich an einem anderen Ende: Ich freue mich für Euch, dass Ihr in so relativ kurzer Zeit zu für Euch beide erfüllendem Sex gekommen seid!

Denn ich kann Dir versichern, für viele Paare löst sich der Sexfrust nicht so schnell in Wohlgefallen auf, manchmal über Jahre nicht. Und was ich Dir auch versichern kann, Anfangsschwierigkeiten müssen alle Paare überwinden, egal, wann sie mit dem Sex zu experimentieren beginnen. Das gehört zum Lernprozess dazu. Doch was Dich wütend macht, ich weiss, ist etwas ganz anderes. Nämlich, dass einem niemand etwas zu Sex sagt, ausser „warten“. Denn die Anfangsschwierigkeiten könnten problemlos überwunden werden, wenn entsprechendes Wissen vorhanden wäre. Das wirklich Schlimme an der freikirchlichen Sexdoktrin ist nicht das DÜRFEN oder das NICHT-DÜRFEN, sondern das WISSEN bzw. NICHT-WISSEN, also die ganzen Informationen über Sex, die in der christlichen Lebenswelt nicht zu haben sind.

Weil dem so ist, kommt der Einstieg ins Sexleben sehr abrupt, entgegen aller romantischer Vorstellungen und Erwartungen. Vor allem für die Frau, die mit sich selbst und ihrem Körper keine sexuellen Erfahrungen gemacht hat. Männer bringen diese Erfahrungen in der grossen Regel mit und können es kaum erwarten, endlich Sex zu haben. Ihrerseits sind sie dann eben frustriert, weil sie sich gar nicht vorstellen konnten, dass Frauen Sex nicht auf Anhieb geniessen. Alles ein riesiger Mangel an Informationen auf beiden Seiten, gespickt voller Missverständnisse und enttäuschter Erwartungen.

Und jetzt muss ich Deinem Mann Recht geben: Lass Deine Wut los, sie zieht Dich nur runter und bindet Dich in unguter Weise an die sexuelle Gesetzlichkeit, die Du ja überwinden willst. Oder sie verleitet Dich zum Angriff, der zum für Dich ebenfalls schädlichen Bumerang werden kann. Groll macht Dich unfrei und keineswegs glücklich. Geh davon aus, dass Jesus mit Dir ist und Dich versteht, also geh zu ihm, um frei zu werden. Er hat freisetzende Gedanken zur Sexualität, die aus der Tatsache begründet sind, das Gott uns als sexuelle Wesen geschaffen hat – „und es gut fand“ (1. Mose 1, 31). Meine beiden Bücher können Dich dabei unterstützen.

Freiheit gewinnst Du nur, indem Du alles loslässt, auch die Anklage - und in die Freiheit spazierst. Du gewinnst nichts, indem Du gegen etwas kämpfst, sondern indem Du Dich für etwas anderes, gutes, neues, eine Alternative einsetzt. Das muss nichts grosses sein, kann aber. Zuallererst investiere weiter in die Entdeckung Deiner Sexualität und in Eure gemeinsame Sexualität, seid experimentierfreudig und freut Euch aneinander. Weiter beginne damit, in Deinem allernächsten Umfeld anders über Sex zu sprechen. Nicht kritisierend und anklagend, sondern einfach die Tatsachen und Erkenntnisse in den Raum stellend, auch die negativen Voraussetzungen. Erklärend, helfend und verstehend, positiv unterstützend, lehrend und wer weiss, irgendwann vielleicht auch beratend.

In diesem Sinne wünsche ich Dir totale Weite in Deinem Herzen und erfüllte Sexualität mit Deinem Mann. Herzlich - Veronika

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September 15, 2017

ER WILL SEX - ICH NOCH NICHT

by Veronika Schmidt in Partnerwahl, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, 2017


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Liebe Veronika

Mein Freund und ich sind seit bald zwei Jahren ein Paar, und für uns beide ist es die erste Beziehung. Bezüglich unserem Wunsch nach Sexualität haben wir sehr unterschiedliche Ansichten: Noch bevor wir ein Paar wurden, habe ich mit ihm über Sexualität gesprochen und ihm gesagt, dass ich keinen Sex vor der Ehe möchte - nicht, weil mir das irgendwer eingeprügelt hat, sondern weil ich mir für körperliche Intimität einen verbindlichen Rahmen wünsche. Mir ist schon klar, dass eine Ehe keine Garantie für befriedigende Sexualität bietet. Aber ich stelle mir doch vor, dass ein Eheversprechen bedeutet, sein Bestes dafür zu geben, und dieses Versprechen wünsche ich mir doch. Mein Freund, der nicht im engeren Sinn freikirchlich-gläubig ist, sieht das zwar anders, respektierte aber bisher meinen Wunsch.

Doch mit der Zeit gelangten wir in erotische Grauzonen, weil ich einerseits durch unsere Beziehung entdeckte, wie schön physische Intimität sein kann, andererseits hatte er doch zunehmend das Bedürfnis nach Sex. Nun hat sich unser Konflikt zugespitzt: Er sehnt sich nach Sex und ich stosse an meine Grenzen. Er vergleicht sein Bedürfnis nach Sex mit meinem Bedürfnis nach Kuscheln. Diese Argumentation kann ich nachvollziehen und finde es auch sehr stark von ihm, dass er seit zwei Jahren verzichtet. Aber Sex zu haben widerspricht meiner Ansicht. Heiraten ist für uns keine Option. Wir sind beide noch im Studium und wollen nicht einfach des Sexes wegen heiraten.

Ich habe Angst davor, dass, wenn wir Sex hätten, wir nie heiraten, denn dann hätte er ja alles, was er wollte, dann wäre heiraten ja total überflüssig. Er widerspricht dem zwar, aber ich weiss nicht, ob das stimmen würde. Du siehst, wir stecken etwas in der Klemme... Ich möchte nicht einfach Sex haben, damit wir zusammenbleiben, aber ich möchte mit ihm zusammenbleiben. Hast Du eine Idee, wie wir hier auf einen gemeinsamen Nenner kommen können?

Herzlich, Lilly, 23 Jahre


Liebe Lilly

Auf einen gemeinsamen Nenner kommt Ihr nur, indem Ihr Euch gemeinsam mit diesem Thema befasst und darüber sprecht. Auch darüber, wie es Euch geht damit. Als Beispiel möchte ich einen Deiner letzten Sätze aufgreifen: „Ich habe Angst davor, dass, wenn wir Sex hätten, wir nie heiraten, denn dann hätte er ja alles, was er wollte, dann wäre heiraten ja total überflüssig.” Findest Du nicht auch, dass das eine etwas unfaire Annahme ist? Das würde ja heissen, es geht Deinem Freund nur um Sex und überhaupt nicht um Eure Beziehung. Viele Frauen denken leider so, und oft wurde ihnen das (von Frauen) im Elternhaus vermittelt. Nämlich, dass Männer nur das Eine wollen. Doch das ist ein sexistisches Männerbild.

Sexualität ist nur ein Teil des Beziehungsaspekts. Ich nehme an, Dein Freund ist aus ganz anderen Gründen mit Dir zusammen, sonst würde er wohl nicht freiwillig auf Sex verzichten. Man kann die Liebe, um die es in einer Paarbeziehung geht und von der sie lebt, in drei „Teil-Lieben“ unterteilen: In eine partnerschaftliche, eine erotische und eine freundschaftliche. Zwar sind sie nicht immer gleich gross und gleich intensiv zu leben und zu erleben. Das wechselt sich immer wieder etwas ab. Und nichts davon geschieht einfach so, ohne Investition. Doch wir wünschen uns, alle diese drei Teile in einer Beziehung auszuleben. 

Ich weiss nicht, ob Du meine Bücher gelesen hast (was ich Dir empfehlen würde). Darin beschreibe ich u.a., dass der Weg des Mannes, Liebe zu zeigen und Liebe zu spüren, über die Sexualität geht. Der Weg der Frauen hingegen geht über die romantischen Gefühle hin zum Sex. Dein Freund gibt diesem seinem Bedürfnis Ausdruck. Er möchte seine Liebe zu Dir über den Sex spüren. Du hingegen bist ganz zufrieden ohne Sex. Ich habe nicht wenige Frauen kennen gelernt, die auch später lieber bei der Romantik bleiben und gar keinen Spass am Sex entwickeln (wollen). Das ist natürlich für die Männer sehr frustrierend. Also achte Dich einmal darauf, wie stark Dein sexuelles Begehren wirklich ist. Ich habe viele Paare in der Beratung erlebt, die dachten, bis zur Ehe mit dem Sex zu warten, sei doch ganz einfach, Sie hätten keine Probleme damit. Doch danach stellten sie in der Ehe fest, dass sie grundsätzlich keine grosse Sehnsucht nach Sex hatten, was ihnen das Sex- und Eheleben ziemlich vermieste.

Ich weiss nicht, was für einen Zeithorizont Du mit Warten auf Eure erotische Beziehung hast, aber es tönt nicht, als wäre das absehbar. Dass das für Deinen Freund schwierig wird, kann ich gut nachvollziehen, vor allem, weil er ja nicht die „fromme Lehrmeinung" dazu intus hat. Damit bringt ihr Euch beide in ein Dilemma, das vielleicht später auch andere Lebensbereiche betreffen könnte. Glaube oder Religion ist nicht einfach ein Accessoire, sondern ein Lebensstil. Im Moment möchtest Du diesen Lebensstil zum Massstab Eurer Beziehung machen. Die Frage ist, kann das gut gehen, so allein von Dir bestimmt. Diesen Kompromiss geht Dein Freund vermutlich ein, weil er Dich auf keinen Fall verlieren will – und gerade eben NICHT, weil er es nur auf den Sex abgesehen hat. Genauso gut, wie er vielleicht nicht heiraten will, wenn er Sex haben kann, könnte er Dich auch verlassen, weil er noch Jahre keinen Sex haben darf.

Wer nur wegen dem Sex heiratet, ja, der sollte das Heiraten tatsächlich lieber bleiben lassen. Denn Sex allein wird keine Ehe stabil machen. Sex hat zudem die Tendenz, nach der ersten Euphorie schnell weniger zu werden, wenn man nicht dran bleibt. Heiraten tut man, weil man einen Menschen gefunden hat, mit dem man das Leben teilen und ihm möglichst oft nahe sein will. Mit dem man ein gutes Team sein will. Man will ihn heiraten, weil er der Mensch ist, der einen selbst zu einem besseren Menschen macht. Und Intimität gehört irgendwann ganz logisch mit dazu und macht ein Paar erst zu einem Paar, im Unterschied zu Freunden.

Ich will, darf und kann Dich nicht zu Sex ermutigen. Ich will, darf und kann Dich auch nicht davon abhalten. Das müsst Ihr beide ganz allein in eigener Verantwortung zusammen klären. Ihr könnt Euch durch die entsprechenden Blogs von mir lesen und diesen Vortrag von Sigfried Zimmer hören. Davon ausgehend wünsche ich Euch gute Gespräche und eine gute Auseinandersetzung mit Eurem Thema.

Herzliche Grüsse - Veronika

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February 3, 2017

Beim Schmusen einen Orgasmus

by Veronika Schmidt in Aufreger, Liebe, Lust, Orgasmus, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, 2017


bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

bild: marc chagall - das hohelied I - 1960 - öl - vg bild-kunst - bonn 2015

Liebe Veronika

Ich bin mit einem äusserst liebevollen, wunderbaren Mann verlobt und wir werden dieses Jahr heiraten. Er ist unglaublich zärtlich, aufmerksam und entgegenkommend. Wir beide sind 25 Jahre alt, noch im Studium, in der Gemeinde aktiv und hatten vorher noch nie eine Beziehung. Konservativ aufgewachsen, wollen wir mit dem Sex warten und übernachten auch nicht beieinander. Wir sind beide sehr leidenschaftlich, voller Neugier und so kam es, dass mein Verlobter beim Schmusen schon Orgasmen hatte, obwohl wir weder nackt waren, noch uns "unten" berührten. Nun sind wir doch etwas nachdenklich geworden, was das nun für uns heisst. Sollten wir mehr auf Distanz gehen und lernen, mehr Geduld zu üben? Wir sehen uns nicht so oft, weshalb dann natürlich eine geballte Ladung Leidenschaft und Liebe da ist. Ich bin an dieser Situation nicht ganz unschuldig: Ich mag es, mich zu schminken, mich für ihn schön zu machen und ziehe mich auch weiblich und sexy an.

Ich möchte von ganzem Herzen Gott dienen. Ich habe mir immer vorgestellt, wie ich mich verhalten würde, wenn ich einen Mann kennen lerne. Und jetzt ist alles so anders. Ich vertrat die Haltung, das Körperliche müsse zusammen mit der Kommunikation wachsen. Das ist bei uns auch so. Wir engagieren uns, gehen unter die Leute, führen stundenlange Gespräche, das gibt allem eine wunderbare Tiefe. Aber irgendwie habe ich mir nie vorgestellt, wie sich das alles anfühlen würde.

Deshalb frage ich dich: Was empfiehlst du uns, damit unsere Sexualität „rein“ und „göttlich“ bleibt? Ich freue mich sehr auf deine Antwort! Ganz lieber Gruss, Simea


Liebe Simea

Hach, in was für einer aufregend schönen Zeit Ihr Euch befindet! Geniesst diese Momente aus ganzem Herzen, denn sie werden nicht mehr wiederkommen. Es ist die Zeit der Unschuld voller Erotik, das Hohelied lässt grüssen. Diese aufregende Phase erleben heute nicht mehr viele Menschen. Die einen nicht, weil sie sofort Sex haben, die anderen, weil sie daraus die ganze Erotik verbannen. Geniesst Eure geballte Ladung Leidenschaft und Liebe und lasst sie Euch nicht durch Schuldgefühle verderben. Versucht möglichst viel davon in Eure Ehe mitzunehmen und lasst Euch von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden. Seid unbeschwert, wenn auch nicht leichtsinnig.

Das Eure Körper so ekstatisch reagieren, habt Ihr den Hormonen zu verdanken, welche die Verliebtheit freisetzt. Diese werden sich mit der Zeit wieder beruhigen. Dass Dein Verlobter so schnell reagiert, hat auch mit seiner Erregbarkeit zu tun. Die ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Hormone spielen eine Rolle, die Körpersensibilität und natürlich das Alter. Junge Männer sind mehr erregbar als alte, Männer mehr als Frauen. Ein Paar suchte bei mir Rat, da löste Schmusen bei beiden Orgasmen aus. Diesen riet ich, sie sollten sich freuen über  ihre funktionierende Sexualität. Weil ich zu viele christliche Paare sehe, wo es das nicht tut. Du beschreibst, dass Ihr jeweils sehr aufgeregt seid, Euch wieder zu sehen. Ein solcher Zustand ist oft mit hoher körperlicher Spannung verbunden, was in einem erregten Körper oft ungewollt den Orgasmus auslöst. Das ist beim Sexakt dann eher unerwünscht, weil der Mann so zu schnell kommt. Aus meinem Buch könnt Ihr lernen, wie man sich in der Erregung mit Beckenschaukel und Atmen entspannt und so die Erregung kontrollieren kann.

Menschen fragen mich immer wieder, wie weit sie gehen können, damit es noch nicht Sex ist. Persönlich finde ich das eine heuchlerische Frage. Denn sie fragt mehr danach, ein Gesetz einzuhalten und sich dann damit zu brüsten, anstatt zu überlegen, was die Liebe uns raten würde. Rein und göttlich, wie du fragst, ist für mich das Liebesgebot. Das beinhaltet auf der einen Seite zu fragen, was Fürsorge tun würde, wenn sie das Beste für einen selbst und den Liebespartner sucht. Also solltet Ihr Euch vor allem gegenseitig und selbst fragen, wie wohl Euch bei Eurem Tun ist in Bezug auf Eure eigenen Grenzen und Vorstellungen. Und auf der anderen Seite könnt Ihre Euch danach fragen, wie Ihr als Vorbilder leben wollt. Ein unverkrampftes und reflektiertes Verhältnis zu Sexualität hat definitiv Vorbildwirkung und erfüllt auch das Liebesgebot.

Die Formen des Kennenlernens und der Umgang der Geschlechter in unserer heutigen Lebenswelt unterscheiden sich fundamental von den Gewohnheiten früherer Generationen. Lange Ausbildungszeiten, jahrelanges „Gehen miteinander“, lange Verlobungszeiten, späte Heiraten, sich im Privatbereich des anderen aufhalten, das alles war in den prüden Jahrhunderten vor uns unvorstellbar, aber heute völlig normal. In König Davids Zeiten und denen im Neuen Testament, auf die wir uns mit Schriftstellen berufen, heirateten Frauen mit 13 Jahren und Männer mit 17 Jahren, mit der damaligen Geschlechtsreife. Deshalb ist es für uns heute so schwierig, wenn wir vorbei an unserer heutigen Lebenswelt, verbindliche sexuelle Verhaltensnormen für die Gemeinde formulieren wollen. Für mich sollten sich biblische und göttliche Richtlinien durchaus auch an der gelebten Lebensrealität und Lebenswelt orientieren.

Sich erotisch aneinander zu erfreuen war offenbar zu Zeiten Salomos normal. Vielleicht traf man sich nicht im Haus oder Zelt, aber in der weiten Natur. Konservative Bibelausleger behaupten ja immer, die Texte des Hohelieds sprächen über verheiratete Paare. Für mich macht das wenig Sinn. Denn wie sollte eine verliebte Frau ihren verheirateten Partner in den Gassen der Stadt suchen, oder ein sehnsuchtsvoller Liebhaber an die Haustüre seiner Ehefrau klopfen? Weshalb sollten sie Liebesstunden im Weinberg verbringen? Ausser zur Abwechslung? Vor 500 Jahren, zur Zeit der Reformation, war es zum Beispiel völlig normal, dass Verlobte bereits zusammen wohnten. Jedermann ging davon aus, dass diese Paare Sex hatten. So lebte auch Katharina von Bora zur Verlobungszeit bereits mit Luther zusammen. Er schreibt darüber, dass es ihnen beiden sehr wichtig war, bis zur Hochzeit zwar das Kissen zu teilen, nicht aber den Körper. Ob Luther unverhofft trotzdem einen Orgasmus hatte, ist nicht bekannt. Aber bekannt ist, dass er zu sämtlichen Körperausscheidungen und Körperreaktionen ein unverkrampftes Verhältnis hatte.

Ich weiss, ich definiere an verschiedenen Stellen „Sex haben“ mit sich gegenseitig zum Orgasmus stimulieren, was Euch irritieren mag. Das heisst nicht, dass ihr nun Sex hattet. Die eigentliche Definition von „Sex haben“, „Liebe machen“, „Miteinander schlafen“ ist Geschlechtsverkehr im Sinne von Vaginalverkehr. Selbst Wikipedia hat diese Definition aber erweitert, weil sich Sex eben nicht einfach nur auf Geschlechtsverkehr reduzieren lässt. Ich mache diese Definition, weil viele junge Christen behaupten, sie hätten keinen Sex, aber Petting, Oralverkehr und Analverkehr praktizieren. Was eigentlich gar niemanden etwas angeht, ausser dem Paar. Aber wenn sie es trotzdem an die grosse Glocke hängen, das Warten, dann finde ich das unethisch. Und das wiederum sage ich nicht, um Euch zu Sex zu ermutigen. Ihr werdet bald heiraten. Erwartung und Vorfreude ist etwas Wunderbares. Kostet es aus. Bereitet Euch jedes für sich selbst auf Euren ersten Sex vor und erwartet nicht, dass es gleich perfekt ist.

Und noch einmal – geniesst diese aufregende und wunderbare Zeit! Herzliche Grüsse – Veronika

Link zum Thema: Vorlesung von Sigfried Zimmer „Christliche Sexualethik – der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften“. 
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January 27, 2017

Wie definierst Du Unzucht?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Bibel, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Unzucht, 2017


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Liebe Veronika

Ich habe eine wundervolle Beziehung mit einem wundervollen Freund. Wir sind beide gläubig, trotzdem war es bald mit dem Warten vorbei – ein wenig zu schnell, aber daran bin ich auch nicht unschuldig. Jedenfalls habe ich mich lange mit dem Thema Sex vor der Ehe befasst und bin auch über Deinen Blog gestolpert. Ich bewundere Deine Arbeit und Du sprichst mir voll aus dem Herzen.

Mein Problem ist, ich gehe in eine Kleingruppe, in der die Bibel seit neustem sehr wörtlich vermittelt wird. Einerseits ist das ja gut, aber ich mag es nicht, "niedergebibelt" zu werden. Und es gehen mir schnell die Argumente aus, wenn es immer heisst, es steht ja so in der Bibel. Mein Standpunkt zum Thema Sex vor der Ehe ist für mich eigentlich geklärt. Doch weil ich mir anhören muss, dass Sex vor der Ehe Unzucht ist, und dass man sich von seinen fleischlichen Begierden abwenden soll, würde ich doch gerne von Dir wissen, wie Du Unzucht definierst und was Du zu den fleischlichen Begierden sagst?

Viele Grüsse Carla, 22 Jahre


Liebe Carla

Ja, das ist eine heisse Frage. In Bezug auf Sex vor der Ehe werden abwechslungsweise die Begriffe „Unzucht“ und „Ehebruch“ herbeigezogen. Die einen argumentieren bei Letzterem, Sex vor der Ehe sei Ehebruch am zukünftigen Partner. Das liesse sich eigentlich nur mit einem jungfräulichen und jungmännlichen Gebot rechtfertigen, aber das gibt es so in der Bibel nicht. In der Sündenaufzählung in Mth. 15,19 kommen beide vor, Unzucht und Ehebruch: „Denn aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken: Mord, Ehebruch, Unzucht (genau: Hurereien), Diebstahl, falsche Zeugnisse, Lästerungen;“

Obwohl Du nur nach Unzucht fragst, nehme ich den Ehebruch mit dazu, weil es mir die Argumentation erleichtert. Das griechische Wort Porneia wird als Unzucht, Hurerei oder Prostitution übersetzt, und meint, im aus dem Wort abgeleiteten Sinn, die Liebe, die man kaufen oder verkaufen kann, oder meint auch unerlaubten oder unmoralischen Geschlechtsverkehr oder entsprechende sexuelle Beziehungen. Zur Zeit der Apostel herrschten in der griechisch-römischen Welt chaotische Sittenlosigkeit und Unmoral. Ehefrauen waren nicht für die sexuelle Lust da, sondern um legitime Kinder zu zeugen und den Haushalt vertrauenswürdig zu führen. Für den Rest hielt man sich Mätressen, Konkubinen oder Lustknaben und ging zu Prostituierten (oft mit der Religion verbunden im Tempel).

Was Paulus schockierte, war die Tatsache, dass sich die Korinther darüber nicht entsetzten und in den eigenen Reihen sexuelle Unordnung duldeten (1. Kor. 5,1). Deshalb wohl beginnt Paulus seine Aufzählung der Werke des Fleisches* mit den sexuellen Sünden. Er bringt mit dem Christentum eine ganz neue Moral der gelebten Reinheit. Paulus zeigt eine höhere Lebensform auf. Der Christ soll sich völlig von porneia enthalten (1. Tess. 4,3), er muss sie fliehen (1. Kor. 6,18), er muss ihre Werke abtöten (Kol. 3,5), er sündigt damit gegen seinen eigenen Körper (1. Kor. 6,18), welcher nicht der Unzucht sondern Gott gehört (1. Kor. 6,13).

Den Ehebruch brauche ich nicht zu erklären. Höchstens in dem Sinne, dass ich darunter einen grundsätzlichen Treuebruch oder Betrug verstehe. So gesehen kann dieser Bruch nicht nur sexueller Natur sein, sondern auch beinhalten, dass man mit einer anderen Person intimste Emotionen und Empfindungen teilt, nicht aber mit dem Partner. Es wäre sogar denkbar, dass jede Form von Betrug darunter fällt, zum Beispiel auch grobe finanzielle Verfehlungen ohne Wissen des Partners.

  • Unzucht ist jede Form von ungeordnetem Sex. Gekauft, verkauft, aber auch unbezahlter Geschlechtsverkehr ohne jegliche Verbindlichkeit. Ich würde dazu definieren: jeder Art von Sex, die mir oder jemand anderem Schaden zufügt. 
  • Ehebruch ist ein sexueller oder emotionaler Treuebruch in einer verbindlichen Beziehung oder in eine verbindliche Beziehung hinein. Indem die Person entweder Unzucht betreibt oder sich auf sexuelle oder emotional intime Weise auf eine andere vertraute Beziehung einlässt.
  • (Fleischliche) Begierden meint nach meinem Dafürhalten „Sucht“: Abhängigkeit, Drang, Gier, Laster, Lust. Das kann Sex, aber auch andere Dinge betreffen.

Meiner Meinung nach ist nichts von alledem gerechtfertigt, um auf „Sex vor der Ehe“ in einer verbindlichen Beziehung angewendet zu werden. Aber auf die verbindliche Beziehung selbst. In einer Beziehung zu sein, aber nicht verheiratet, legitimiert weder Unzucht noch Beziehungsbruch. Untreue betrifft jede Art von verbindlicher Beziehung. In der heutigen Lebenswelt ist Sexualität vom Gesetz her geregelt und entsprechend legitimiert, deshalb treffen weder Ehebruch, Unzucht, Hurerei, Prostitution noch die Definition „unerlaubt oder unmoralisch“ in irgendeiner Weise auf „Sex vor der Ehe“ zu.

Doch eine Gemeinde könnte auf der entsprechenden „Hausregel“ bestehen, weil jede Organisation sich eigene Regeln gibt. Das bedeutet, eine Gemeinde kann für sich die Regel aufstellen, sie möchte beispielsweise keine Personen auf der Bühne oder in Leiterschaft haben, die im Konkubinat leben. Eine ähnliche Regel aufzustellen in Bezug auf „Sex haben“, dürfte bereits schwierig werden, weil unter die Bettdecke der Menschen zu schauen schon recht grenzwertig ist. Sie könnte höchstens aufgrund von Eigendeklaration durchgesetzt werden.

In der heutigen Lebenswelt lassen sich Lebensformen der biblischen Zeit nicht mehr einfach als „göttlich gegeben“ begründen. Auch kommt es sehr auf die speziellen Lebensumstände und die Lebensphase eines Paares drauf an. Ein Paar sollte in Eigenverantwortung selbst über sein Sexleben bestimmen. Dennoch können wir aus der Bibel „Verzicht auf Sex vor der Ehe“ als hilfreichen Rat für eine Beziehung herauslesen. Und ich würde nie einem Paar raten, Sex zu haben, das für sich die Sexualität für die Ehe aufsparen möchte. Aber ich würde ihm raten, sich sexuell zu entwickeln und sich auf die Paarsexualität vorzubereiten.

Liebe Carla, über den folgenden Link könnt Ihr Euch auf eine der Lebenswelt angepasste Weise mit Sexualität und Glauben auseinandersetzten: Vorlesung von Sigfried Zimmer zum Thema „Christliche Sexualethik – der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften“. (Achtung - Explosiv)

Herzliche Grüsse - Veronika

*Galater 5,19-21: „Offenbar aber sind die Werke des Fleisches; es sind: Unzucht (Hurereien), Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen (genau: Sekten), Neidereien, Trinkgelage (genau: "Räusche" – egal mit welchen Substanzen herbeigeführt), Völlereien und dergleichen. Von diesen sage ich euch im Voraus, so wie ich vorher sagte, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“

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