THESEN ZU PURITY CULTURE
(WARTEN MIT DEM SEX BIS ZUR EHE)
VERONIKA SCHMIDT
Als Form der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der emprica Sexualitätsstudie konnte ich am Fachtag zur Studie in Kassel fünf Thesen zu Purity Culture formulieren. Die Reinheitskultur war eine Bewegung aus den USA innerhalb des Christentums der 1990er Jahre, die sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe betonte und bis heute auch in Europa prägenden Einfluss auf die Kultur der Freikirchen im Umgang mit Sexualität hat.
Niemand muss Sex vor der Ehe haben, schon gar nicht sich sexuell austoben. Enthaltsamkeit hat sehr wohl einen persönlichen, geistlichen und kulturellen Wert. Problematisch ist aber die Doktrin der Reinheitskultur mit religiös und emotional hoch aufgeladenen Ritualen und Gelübden. Die Studie zeigt, wie Menschen in seelische Konflikte geraten, aber auch, wie die Realität längst eine andere ist und zu Doppelmoral und Aufrechterhalten von Scheinwelten führt. Vor allem aber bleibt die wichtige Aufklärung auf der Strecke, die Menschen zur Eigenverantwortung befähigt und den Weg zu lustvoller Sexualität aufzeigt.
Studien zeigen seit über 30 Jahren: Je mehr junge Menschen über Sex wissen, desto später haben sie den ersten Sex. Und umso verantwortungsvoller (Respekt, Verhütung) gehen sie mit sich selbst und dem Gegenüber um. Gleichzeitig vor Sex warnen und lustvollen Zugang zu Sexualität vermitteln ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das verwirrt unser Hirn. Warnen vor Sex lässt das Alarmsystem im Kopf anspringen und speichert sexuelles Begehren und Lust im Bewachungssystem ab. Auch die Lust auf sich selbst (Solosex). Dadurch entstehen Scham und schlechtes Gewissen. Doch damit Genuss möglich ist und die Lust nicht negativ konnotiert wird, braucht es positive Informationen und lustvolle Erfahrungen (zuerst mal mit sich selbst), die im Belohnungssystem abgespeichert und wieder abgerufen werden können.
Alle wichtigen Informationen, die Jugendlichen vermittelt werden sollte, finden Sich in meinem Buch SEX. ALLES, WAS DICH INTERESSIERT (SCM-Verlag).
Die Studie ist in zwei Büchern, spannend aufgearbeitet, nachzulesen. Sie zeigt Verblüffendes, Schmerzliches, Vermutetes zu allen Bereichen von Sexualität und Glauben. Sehr zu empfehlen!
SEXUALITÄT UND GLAUBE, Prägungen, Einstellungen und Lebensweisen, Quantitative Ergebnisse der empirica Sexualitätsstudie, R.Brockhaus Verlag
UNSERE GESCHICHTE MIT SEX, Einblicke in Laute Debatten und Leise Lebensgeschichten, Qualitative Ergebnisse der empirica Sexualitätsstudie, R.Brockhaus Verlag