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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

February 15, 2018

WENN NUR DIE SELBSTBEFRIEDIGUNG NICHT WÄRE...

by Veronika Schmidt in Aufreger, Bibel, Buch, Porno, Selbstbefriedigung, Selbsterfahrung, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, Solosex, Sünde, 2018


foto: alex boyd

foto: alex boyd

foto: alex boyd

foto: alex boyd

Selbstbefriedigung ist und bleibt der Dauerbrenner und wird, so glaube ich, einfach nicht verstanden. Deshalb versuche ich wieder einmal, etwas dazu zu erklären. Wenn ich Kritik via „Hörensagen“, direkt oder per Mail zu meiner Tätigkeit oder zu meinen Büchern einstecke, dann praktisch nur zum Thema Selbstbefriedigung. Vor kurzem sah ich ein paar Buchrezensionen zu meinem Buch ALLTAGSLUST. Allgemein waren sie sehr wohlwollend. Ausser eben…


In einer dieser Rezensionen steht: "(…) würde ich mir aber mehr Achtung für das Gewissen des Einzelnen wünschen. So ist die Selbstliebe, eine verschönte Bezeichnung für Selbstbefriedigung, für sie (Veronika Schmidt) eine wichtige Grundlage zum Erlernen der sexuellen Liebesfähigkeit, denn wer nicht weiß, was ihm guttut, wird schwerlich befriedigt werden. Ich denke aber, dass dieses Erlernen auch im Miteinander der Beziehung geschehen kann, und dass „Selbstliebe“ nicht dafür die Voraussetzung sein muss. Ob Selbstbefriedigung in Ordnung ist, ist in christlichen Kreisen umstritten. Es kann nicht richtig sein denjenigen, der dabei ein schlechtes Gewissen hat, zur Selbstbefriedigung zu drängen. Letztendlich sollte jeder selbst entscheiden, ob die Maßstäbe der Bibel für ihn uneingeschränkt gültig sind, oder ob er sie lieber durch moderne, wissenschaftliche „Erkenntnisse“ relativieren will. In der Bibel findet sich gottgewollte Sexualität immer innerhalb einer Beziehung, zwischen Ehemann und Ehefrau."

Und in einer anderen: "(…) Zwei Dinge habe ich aber trotzdem zu bemängeln. Zum einen die Ausführungen zum Thema Selbstbefriedigung, die für mich eher wie eine lange Rede um den heißen Brei wirken, ohne wirklich eine Aussage zu treffen. Dazu kommt, dass ich generell Bibelstellen vermisse. Es handelt sich ja um einen Sexualratgeber für Christen, warum zitiert man dann Jörg Zink, anstatt die Bibel. Das habe ich, auch wenn ich die Zitate sehr treffend und schön finde, nicht ganz begriffen."

Ja, die Bibelstellen. Christen suchen immer nach Bibelstellen. Um zu beweisen, zu rechtfertigen und sich in moralischen Fragen zu orientieren. Christen sind versessen auf Details. Als wäre die Bibel ein Lebenshilfe-Buch. Ist sie natürlich, aber nur im globalen Sinn. Biblische Orientierung ist eine im grossen Bogen. Letztlich dem grossen Bogen der Liebe. Der Liebe Gottes zu uns Menschen und der daraus folgenden Liebe zueinander. Daraus resultiert Gnade und Barmherzigkeit. Das hilft mir persönlich, um mich in Details des Lebensalltags zu orientieren. Es gab ja mal die grosse Bewegung WWJD (what would Jesus do). Gerade in Bezug auf sexuelle Themen lebte Jesus explizit Liebe und Barmherzigkeit und nicht Gesetzlichkeit. Ich habe jede nur erdenkliche Bibelstelle zum Thema Sex in LIEBESLUST oder in ALLTAGSLUST oder in jeweils beiden Büchern verwendet. Mehr* gibt die Bibel dazu beim besten Willen nicht her. Ausser wir projizieren unsere Haltung aus vorgefassten und vorgeprägten Meinungen in sämtliche Bibelstellen zu Unzucht und Ehebruch - mit dem bekannten Resultat der Verdammung.

Diese zwei Rezensionen haben mir die Augen dafür geöffnet, was das Missverständnis im Thema sein könnte, das mir bis anhin vielleicht auch nicht so recht klar war. Unsere Missverständnisse sind ja immer Kommunikationsprobleme. Was der Absendende einer Botschaft rüberbringen will, wird oft vom Empfangenden ganz anders verstanden. Grund sind unserer Prägungen, Brillen, Ohren, Dogmen, Wertvorstellungen, unser jeweiliger Lebens- und Glaubenskontext - ich höre, was ich zu hören glaube.

Der Augenöffner ist für mich die Aussage, ich redete zum Thema Selbstbefriedigung um den heissen Brei herum, ohne wirklich eine Aussage zu treffen. Erst dachte ich: Hallo???... das Buch ALLTAGSLUST ist eine einzige Aussage zu Selbstbefriedigung… wie kann man das übersehen! Und dann realisierte ich, dieser Person fehlten nicht Erklärungen zur Selbstbefriedigung als Sache an sich, sondern die moralische Rechtfertigung und Begründung dazu. Das Missverständnis baut sich auf zwischen MORAL und LEBENSPRAXIS. In diesen zwei konkreten Fällen steht die Lebenspraxis offenbar für suspekte „moderne, wissenschaftliche `Erkenntnisse`“. In der Buchbesprechung eines Onlineportals stand deswegen, ich hätte einen „beliebigen, säkularen" Ratgeber geschrieben. Ich wäre im Buch "fachlich, aber nicht geistlich". Was zwischen den Zeilen auch heissen könnte: "Ist sie überhaupt richtig gläubig – GLINUS**?"

Was gibt es dazu zu sagen, die Moral ist schnell abgehandelt:

Zu Selbstbefriedigung findet sich rein gar nichts in der Bibel, nichts, nada!
Selbstbefriedigung ist nur "gefühlt" unanständig. Aus der Bibel lässt sich für Selbstbefriedigung keine moralische Rechtfertigung aber auch keine moralische Verdammung ableiten. Eine Rechtfertigung lässt sich nur aus der Schöpfung selbst und ihrer Erforschung erkennen. Doch offenbar ist die Schöpfung (und damit der Schöpfer?) "suspekte moderne `Erkenntnis`". Wenn in der einen Rezension als Begründung gegen Selbstbefriedigung steht, dass in der Bibel gottgewollte Sexualität immer innerhalb einer Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau stattfindet, dann wird hier schlicht und einfach dem Thema Selbstbefriedigung Gewalt angetan, die eigene Meinung in die Bibel hineininterpretiert. Dann wird Paarsexualität als einzige Form der Sexualität anerkannt, alles andere ist Sünde. Die Selbstliebe (dieses Wort gilt als „beschönigend“) wird als schöpfungsmässig gegebener Entwicklungsschritt, als Lernfeld oder zur Befriedigung von (sexuellen) Sehnsüchten völlig negiert.

Der Gang um den heissen Brei
Es gibt keinen Gang um den heissen Brei. Meine Aussage ist: Ja, ich bin für Selbstbefriedigung aus verschiedensten Gründen, die man nachlesen kann. Das „Ja“ tropft aus allen Poren meines Blogs und meiner Bücher. Aber ja, Selbstbefriedigung ist freiwillig, kein Zwang. Ich dränge niemanden dazu, auch nicht in der Beratung. Und nochmals, die „biblischen Massstäbe zu Selbstbefriedigung“ gibt es nicht, sehr wohl aber das schlechte Gewissen, weil es uns ab dem 18. Jahrhundert eingetrichtert wurde („Der Untergang der Welt durch Onanie“). Davor war Selbstbefriedigung kein Tabu. Selbst die Kirchenväter waren bezüglich Sexualität nicht zwingend prüde, sofern der Geschlechtsverkehr in der Ehe stattfand. Was man den Kirchenvätern vor allem vorwerfen kann, ist ihre ausgesprochene Frauenfeindlichkeit, die dann sehr wohl sexistisch und schuldzuweisend war. Es würde sich sehr lohnen, ein paar Bücher zur Geschichte der Sexualität zu lesen oder im Internet zu recherchieren.

Die Abwehr kommt aus der eigenen Geschichte
Ekel dem eigenen Körper und allem Sexuellen gegenüber, eigenes Unwissen, moralische Zeigefinger aus Ideologien, Idealisierungen, Glaubenssystemen, Werturteilen und Denkweisen, schlechte Erfahrungen bestimmen unsere Grundhaltung zu Sexualität und wie sie ausgelebt werden kann. Wir sind geneigt, unsere eigenen Erfahrungen auf andere oder in die Bibel hinein zu projizieren.

Ja, Selbstbefriedigung kann zur Sucht werden und damit problematisch
Selbstbefriedigung kann als Ersatzbefriedigung dienen, zum Stressabbau, als Ausweichmittel bei Problemen. Sie kann problematisch werden, vor allem in Zusammenhang mit Pornografie. Alle Genussmittel dieser Welt können uns abhängig machen: Essen, Zucker, Schokolade, Kaffee, Alkohol, Zigaretten, Fernsehen, Computerspiele, Smartphones, Sport, Social Media, Zeitunglesen, Liebesfilme, Liebesromane, Arbeit, Hobbys, Kritiksucht… All das kann uns einsam machen, abhängig, unzufrieden, vom Partner wegbringen.

Lernfeld Selbstbefriedigung

In der Schöpfung angelegt
Wir werden in die Welt geboren – und können – nichts. Was uns mitgegeben wurde, sind ein paar Reflexe: Atemreflex, Saugreflex, Schluckreflex, Klammerreflex usw. Alle unsere Fähigkeiten zum Leben müssen wir uns aneignen, müssen erlernt werden: Sitzen, Laufen, Sprechen, selbständig Essen, Lesen, Schreiben, Rechnen, Kommunizieren, Frust aushalten usw. Gott hat uns Menschen auf eine Weise geschaffen, die uns herausfordert und geradezu zwingt, alles, wirklich alles, aneignen zu müssen in einem Lernprozess. Auch die Sexualität. Sexuelle Lust, sexuelles Begehren, sexuelle Fantasien, emotionale Intensität, sexuelle Selbstsicherheit, Verführung, Liebesgefühl, Kommunikation, erotische Kompetenz, sexuelle Erregung und Erregungssteigerung – alles angelernt. Angelernt sind auch alle Abwehrreaktionen zu Sexualität, geprägt durch Botschaften, die wir erhalten oder nicht erhalten haben, durch unbewusst aufgenommene Reaktionen unserer Umgebung.

Gegeben sind uns allein der Erregungsreflex und das biologische Geschlecht 
Bei Knaben sehen wir den Erregungsreflex bzw. Erektionen unmittelbar, schon beim Säugling. Er greift zudem häufig zum Penis. Der Knabe, bzw. der Mann kommt zur Welt und hält seinen Penis in der Hand, um ihn nicht mehr loszulassen bis zu seinem Tod. Aus genau diesem Grund ist für den Mann der Zugang zu seiner Sexualität viel leichter als für die Frau. Für ihn ist sich anfassen und Erregung und Erektion selbstverständlich, was im Kindesalter keinerlei sexuelle Komponente hat, sondern sich einfach gut anfühlt. Entsprechend bilden sich in seinem Hirn Synapsen für Berührung, Wahrnehmung und Erregung seines Geschlechtsorgans. Es gibt praktisch keinen Mann, der sich nicht im Laufe seiner Entwicklung irgendwann selbst befriedigt.

Frauen besitzen selbstverständlich ebenfalls den Erregungsreflex, aber Frauen können ihre eigene Erregung nicht automatisch sehen. Sie können sie höchstens fühlen, doch auch das nehmen viele Frauen gar nicht war. Weshalb viele von ihnen nicht auf die Idee kommen, sich unten anzufassen und zu stimulieren. Oder wenn sie es tun, werden sie ermahnt und davon abgehalten. Frauen erzählen mir häufig, dass sie als Kleinkinder auf dem Boden schaukelten oder sich dagegen pressten, geschaukelt hätten auf einem Stuhl oder Schaukelpferd, sich angefasst hätten, aber dann davon abgebracht wurden. Vielen Frauen fehlen die entsprechenden Erregungserfahrungen durch die Entwicklung hindurch - ausser den „bösen“ Mädchen. Und somit fehlen ganz vielen Frauen die Synapsen im Hirn für Erregung und Erregungssteigerung und Wahrnehmung derselben, vor allem auch für den Innenraum der Vagina. Deshalb können sie nicht durch die Bewegungen des Beckens und des Beckenbodens beim Geschlechtsverkehr und durch die Berührungen des Penis zum Orgasmus kommen, sondern brauchen die äusserliche Stimulation. Was vollkommen in Ordnung ist - doch Frauen wünschen sich eben manchmal auch das andere.

Brachland Information
Oft bekommen Kinder und Jugendliche im Elternhaus keine Informationen zu ihrer sexuellen Entwicklung. In der christlichen Lebenswelt hören sie dafür später die mahnenden Botschaften, aber keine Ermutigung. Inzwischen werden zwar Kinder und Jugendliche aufgeklärt. Das bestätigen erfreulicherweise viele junge Paare in meinen Vorträgen. Doch die Auseinandersetzung mit Selbstbefriedigung, sexueller Identität, sexueller Selbstsicherheit, sexueller Eigenverantwortung und Informationen zu Sexualität an sich sind darin meist nicht enthalten. Im Gegenteil – selbst ganz junge Christen bekommen immer noch das Selbstbefriedigungsverbot zu hören – wenn auch vielleicht nicht mehr von Gemeindeverantwortlichen, sondern von Jugendgruppenleitern oder auch Gleichaltrigen. Der „Ehrenkodex“ mit Selbstoffenbarung und Rechenschaftspflicht hat sich mit dem Problemkreis Pornografie eher sogar wieder verstärkt.

Keine erfüllte Sexualität der Frau ohne Selbstbefriedigung
Ich kenne keine einzige Frau mit einer schon in jüngeren Jahren erfüllt erlebten Sexualität und Orgasmusfähigkeit, die sich nicht entweder in der Jugend selbst befriedigt hat oder sich später auf einen Weg der Selbstentdeckung begab. Und ich kenne keinen einzigen Ehemann, der damit ein Problem hätte, im Gegenteil. Aber ich kenne haufenweise Frauen, die den Sex erst in der zweiten Lebenshälfte geniessen können, weil sie so lange brauchten, ihren Körper zu entdecken - und haufenweise darob frustrierte Ehemänner.

Die grösste Hürde der unerfahrenen Frau ist, dass sie weder weiss, wie sich ein Orgasmus anfühlt, noch wie sie die Erregung dahin steigern kann. Mir wird immer wieder gesagt, das kann man doch mit dem Mann zusammen entdecken. Kann man, selbstverständlich. Wenn wir aber davon ausgehen, dass wir neu erlernte Fähigkeiten Tausend Mal wiederholen müssen, bis sie sitzen, dann rechne, wie oft ein Paar Sex haben sollte, bis dieser vor allem für die Frau erfüllend wird… Die Krux ist nur, dass Frauen gar keinen Sex wollen, solange er ihnen keinen Spass macht, ausser bis zum erfüllten Kinderwunsch. Üben, üben, üben gilt auch für den Sex.

Keine erfüllende ganzheitliche Orgasmus-Wahrnehmung beim Mann, ohne sinnvolle Selbstexploration
Da Jungs nur mahnende Informationen zu Selbstbefriedigung bekommen, erfahren sie oft nicht, dass ihr Rubbelmodus unter hohem Druck der Hand und grosser Anspannung im Körper den kleinstmöglichen Genuss bringt – die kurzfristige Entladung und Erleichterung. Da „es“ aus besagten Gründen schnell über die Bühne gehen muss, wird dieser Modus laufend verstärkt und der Genuss bleibt auf der Strecke. Das bleibt für viele Männer auch in der Paarsexualität so, einfach, weil sie es nicht besser wissen und gelernt haben. Das macht sie nicht gerade zu tollen Liebhabern, und für sie selbst ist noch viel Genusspotenzial zu entdecken, vor allem via Langsamkeit und bewusste Wahrnehmungs- und Atemschulung. Auf diese Weise wird der Sex auch zu nährendem Sex.

Das Suchtproblem
Zur Suchtproblematik steigert sich die Selbstbefriedigung vor allem durch Pornokonsum. Dabei liegt das Problem der Pornografie- und Selbstbefriedigungsspirale genau in diesem mechanischen Modus versteckt: Heimlich, schnelles Rubbeln, viel Druck, Atem anhalten, schnelle Entladung, die oft nicht mal recht wahrgenommen wird, oftmals bei grosser Häufgkeit gar keine richtige Entladung mehr, dann zunehmend auch Erektionsprobleme (unabhängig vom Alter). Auf diese Weise ist im Körper ganz wenig bis keine Wahrnehmung vorhanden, denn Augen und Kopf sind nach aussen gerichtet. Damit die körperliche Aufladung überhaupt noch funktioniert, müssen die optischen Reize zudem immer stärker werden.

Ein gänzlicher Verzicht auf Selbstbefriedigung wird dieses Problem nicht lösen, weil wir das Schädliche nicht durch etwas Hilfreiches ersetzten, sondern nur ein Vakuum schaffen. Dieses Vakuum können wir zwar auch anderweitig sinnvoll füllen, sprich sublimieren. Doch damit haben Männer noch nichts Neues gelernt für ihre sexuelle Entwicklung und Erfüllung und nichts für die Paarsexualität.

Grosses Kino
„Grosses Kino“, sagte mir kürzlich ein junger Ehemann nach einem Vortrag und drückte mir dankend die Hand zum Abschied. Ihr lieben „Moralapostel der Selbstbefriedigung“ da draussen. Ihr wisst gar nicht, wie frustriert Ehemänner und Ehefrauen über ihre erlebte Sexualität sind, und wie sehr sie sich nach lustvollen Erlebnissen miteinander sehnen. Und das wirklich Schöne daran ist – man kann das lernen, wenn es einem erlaubt ist. Für diese Erlaubnis werde ich mich weiterhin mit aller Kraft einsetzen – gegen alle Widerstände.

Herzliche Grüsse - Veronika

 

*  Es gibt in den diversen Lebensgeschichten der Bibel natürlich noch viel mehr sexuelle Szenen, deren Interpretation einige interessante Ansätze zu Tage fördern könnte über Gottes Haltung zu Sex. Doch diese waren nicht geeignet, um Sex als lernbare Fähigkeit zu vermitteln oder das Zusammenleben von Liebespaaren zu illustrieren.

** GLINUS = Insiderbegriff für „gläubig in unserem Sinne".


Zum Thema:

Der grösste Aufreger in der Kirche Teil 1

Der grösste Aufreger in der Kirche Teil 2

BLOG-Beiträge mit dem Stichwort SELBSTBEFRIEDIGUNG

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February 8, 2018

ICH BIN VOLLER WUT ÜBER UNSEREN START IN DAS EHE-SEXLEBEN

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, das erste Mal, Ehe, Ehesex, falsche Scham, Gott, Liebe, Lust, Schmerzen beim Sex, Selbsterfahrung, Sex vor der Ehe, Stress, Sünde, Zusammenleben, 2018


foto:christopher campell

foto:christopher campell

foto:christopher campell

foto:christopher campell

Liebe Veronika

Mein Mann und ich sind seit Frühling 17 verheiratet. In der Freundschafts- und Verlobungszeit behielten wir immer brav die Kleider an und haben nicht miteinander geschlafen, obwohl ich mir das hätte vorstellen können. Für meinen Mann aber war klar, dass wir damit warten bis zu den Flitterwochen. Ich hatte zwar schon meine Bedenken, ob das dann für mich von null auf hundert einfach so möglich würde. Der Erwartungsdruck war dann, auch von mir aus, in der Flitterwoche gross, weshalb wir „zu üben“ begannen. Leider hatte ich starke Schmerzen dabei und fand es ungerecht, dass ich litt, währen es für ihn lustvoll war. Doch auch mein Mann war frustriert, weil ich, ebenfalls aus Frust, die Sexualität grundsätzlich in Frage stellte und mir mein früheres Leben zurück wünschte.

Irgendwann wurde uns dann klar, dass wir mit dem ganzen „Kein Sex vor der Ehe“ – „Bund schließen“ – „Eins werden“ grundsätzlich etwas falsch verstanden haben mussten. Ich wurde so wütend auf meinen Mann, alle Menschen und alle frommen Gemeinden, die das lehren und uns so geprägt haben. Ich stellte einmal mehr die ganze freikirchliche Kultur in Frage. Weshalb wurde uns nicht gelehrt, dass Liebe, Individualität, Grenzen beachten, persönliche Freiheiten, Freiheit überhaupt so viel grundlegender sind als die „ach so bibelfundierten Vorschriften“?

Inzwischen haben wir uns als Paar und in der Sexualität praktisch weiterentwickelt und erleben immer wieder erfüllenden Sex, wir beide. Wir sind uns bewusst, dass die Flitterwochen katastrophal waren und haben schon oft darüber gesprochen. Mein Mann sagt, man könne das einander vergeben und dann sei gut. Das haben wir auch getan. Aber nur funktioniert es bei mir nicht. Ich bin immer noch voller Wut, wenn ich an unsere Erfahrungen denke, auch darüber, wie leichtgläubig wir Christen alle Dogmen für wahr halten und unser Innerstes dafür aufopfern. Leider habe ich Deinen Blog erst im Spätsommer entdeckt - aber besser als nie! - und damit viel Hilfreiches, wie z.B. den Vortrag von Siegfried Zimmer zum Thema.

Was würdest Du mir empfehlen? Wie soll ich mit dieser Wut umgehen? Mein Mann sagt, ich solle nicht so sehr auf die Vergangenheit fokussieren und diese Erlebnisse loslassen. Manchmal gelingt es wirklich ganz gut. Doch gelegentlich denke ich an die Flitterwochen zurück und könnte kotzen. Ich bedaure sehr, wie unsere Intimität in ihrem jungen Wachstum so unter Druck und Zwang gekommen ist.

Vielen lieben Dank für Deine Arbeit. Grüße von Sandrine, 32 Jahre


Liebe Sandrine

Ich kann Deine Wut über die geschilderten und bestehenden Umstände gut verstehen, da Ihr zwei auch nicht mehr zwanzig seid. Ich meine auch, Deine Wut zu verstehen, weil ich sie selbst kenne, denn sie ist vermutlich in einem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden aus Deinem Charakter heraus begründet. Die Frage ist jetzt nur, wie Du die Wut als positive Triebfeder zum Guten nutzt, vor allem für Dich und Deine Beziehung, aber vielleicht auch für andere Menschen. Doch beginnen möchte ich an einem anderen Ende: Ich freue mich für Euch, dass Ihr in so relativ kurzer Zeit zu für Euch beide erfüllendem Sex gekommen seid!

Denn ich kann Dir versichern, für viele Paare löst sich der Sexfrust nicht so schnell in Wohlgefallen auf, manchmal über Jahre nicht. Und was ich Dir auch versichern kann, Anfangsschwierigkeiten müssen alle Paare überwinden, egal, wann sie mit dem Sex zu experimentieren beginnen. Das gehört zum Lernprozess dazu. Doch was Dich wütend macht, ich weiss, ist etwas ganz anderes. Nämlich, dass einem niemand etwas zu Sex sagt, ausser „warten“. Denn die Anfangsschwierigkeiten könnten problemlos überwunden werden, wenn entsprechendes Wissen vorhanden wäre. Das wirklich Schlimme an der freikirchlichen Sexdoktrin ist nicht das DÜRFEN oder das NICHT-DÜRFEN, sondern das WISSEN bzw. NICHT-WISSEN, also die ganzen Informationen über Sex, die in der christlichen Lebenswelt nicht zu haben sind.

Weil dem so ist, kommt der Einstieg ins Sexleben sehr abrupt, entgegen aller romantischer Vorstellungen und Erwartungen. Vor allem für die Frau, die mit sich selbst und ihrem Körper keine sexuellen Erfahrungen gemacht hat. Männer bringen diese Erfahrungen in der grossen Regel mit und können es kaum erwarten, endlich Sex zu haben. Ihrerseits sind sie dann eben frustriert, weil sie sich gar nicht vorstellen konnten, dass Frauen Sex nicht auf Anhieb geniessen. Alles ein riesiger Mangel an Informationen auf beiden Seiten, gespickt voller Missverständnisse und enttäuschter Erwartungen.

Und jetzt muss ich Deinem Mann Recht geben: Lass Deine Wut los, sie zieht Dich nur runter und bindet Dich in unguter Weise an die sexuelle Gesetzlichkeit, die Du ja überwinden willst. Oder sie verleitet Dich zum Angriff, der zum für Dich ebenfalls schädlichen Bumerang werden kann. Groll macht Dich unfrei und keineswegs glücklich. Geh davon aus, dass Jesus mit Dir ist und Dich versteht, also geh zu ihm, um frei zu werden. Er hat freisetzende Gedanken zur Sexualität, die aus der Tatsache begründet sind, das Gott uns als sexuelle Wesen geschaffen hat – „und es gut fand“ (1. Mose 1, 31). Meine beiden Bücher können Dich dabei unterstützen.

Freiheit gewinnst Du nur, indem Du alles loslässt, auch die Anklage - und in die Freiheit spazierst. Du gewinnst nichts, indem Du gegen etwas kämpfst, sondern indem Du Dich für etwas anderes, gutes, neues, eine Alternative einsetzt. Das muss nichts grosses sein, kann aber. Zuallererst investiere weiter in die Entdeckung Deiner Sexualität und in Eure gemeinsame Sexualität, seid experimentierfreudig und freut Euch aneinander. Weiter beginne damit, in Deinem allernächsten Umfeld anders über Sex zu sprechen. Nicht kritisierend und anklagend, sondern einfach die Tatsachen und Erkenntnisse in den Raum stellend, auch die negativen Voraussetzungen. Erklärend, helfend und verstehend, positiv unterstützend, lehrend und wer weiss, irgendwann vielleicht auch beratend.

In diesem Sinne wünsche ich Dir totale Weite in Deinem Herzen und erfüllte Sexualität mit Deinem Mann. Herzlich - Veronika

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February 1, 2018

KEIN WEITERES KIND, KEINE LUST, VERHÜTUNG, VASEKTOMIE ETC.

by Veronika Schmidt in Ehe, Keine Kinder, Kinderwunsch, Konflikte, keine Lust, Sex & Kinder, Verhütung, weibliche Sexualität, männliche Sexualität, 2018


foto: annie spratt

foto: annie spratt

foto: annie spratt

foto: annie spratt

Liebe Veronika

Mein Mann und ich haben wundervolle Kinder. Nur leider sind wir in der weiteren Familienplanung nicht gleicher Meinung. Er will auf gar keinen Fall noch weitere Kinder. Er ist da sehr klar und strickt und lässt keine Diskussion zu. Ich hätte sehr gerne weitere Kinder, bin aber vernunftmässig „überzeugt“, dass mein Wunsch nach einer guten Ehe grösser ist als mein Kinderwunsch. Nur mein Herz macht da noch so gar nicht mit. Zudem möchte sich mein Mann gerne einer Vasektomie unterziehen, was mir fast das Herz bricht. Wie schaffe ich es, Sexualität wieder frei und schön zu erleben? Gerade falls er sich wirklich unterbinden lässt (macht er nur in Absprache mit mir). Ich will keine Hormone mehr nehmen, und auf Dauer ist verhüten mit Kondom ja auch nicht so prickelnd, NER* aber ist meinem Mann zu unsicher... Was zeigen Deine Erfahrungen mit Beziehungen, wenn der Partner sich unterbinden lässt?

Danke für Deine Hilfe!
Roswitha, 32 Jahre

 

*Symptothermale Verhütungsmethode


Liebe Roswitha

Ich habe diese Fragestellung gar nicht so selten in der Beratung. Manchmal geht es um das zweite Kind, das dritte oder auch das vierte. Ich möchte Dir zu Deiner Frage ein paar grundsätzliche Gedanken zum Überlegen geben. Ich beobachte immer wieder, wenn der Kinderwunsch auf Seite der Frau ist, dass diese Frauen oft schon als Kinder oder junge Erwachsene ganz bestimmte Vorstellungen hatten, wie viele Kinder sie mal haben werden. Deshalb leben sie in der Erwartung, welche Anzahl Kinder sich für sie „richtig“ anfühlt. Wenn dann diese Vorstellung nicht mit der des Mannes übereinstimmt, sind sie sehr unglücklich und fühlen sich unausgefüllt.

Doch ausgefüllt sollten wir uns eigentlich nicht mit den Kindern fühlen, sondern in uns selbst. Wir sollten uns selbst ganz fühlen und glücklich sein können. Für gläubige Menschen gehört natürlich der Aspekt des Glaubens zum Ausgefülltsein dazu. Sind wir aber nicht zufrieden mit uns selbst und dem, was wir haben, erwarten wir oft zu viel von unserer Umgebung. Vom Job, dem Ehepartner, den Kindern, Freunden, der Gemeinde usw. Kinder sind nicht dazu da, unserem Leben einen grundsätzlichen Sinn zu geben. Kinder sind eine Aufgabe des Lebens, klar, aber immer mit einer loslassenden Haltung, denn Kinder gehören sich selbst und nicht uns.

Kompromisse in der Partnerschaft finden immer auf dem Minimumfaktor statt. Das heisst, man findet sich dort, wo es noch für beide stimmt, ohne den anderen zu etwas zu zwingen. Dein Mann und Du haben sich bei Eurer Anzahl Kindern gemeinsam gefunden. Es wird der Beziehung schaden, wenn Du Dir ein weiteres Kind „ertrotzt“ oder sogar erzwingst, indem Du einfach schwanger wirst. Ich würde Dir sehr davon abraten. Des Menschen Herausforderung ist es in allen Lebenslagen, sich zu begnügen, sich genügen zu lassen, was in unserer Zeit nicht sehr populär ist. Nicht das "Haben" macht uns letztlich glücklich, sondern das "Sein". Du hast wundervolle Kinder und einen wundervollen Mann. Könnte dir das genügen? Könntest Du damit zufrieden sein? Die, die Ihr habt, sind immer noch mehr als keines – mal aus einer anderen Perspektive betrachtet.

Die Anzahl der Kinder ist letztlich auch eine Frage der Ressourcen: Kraft, Geduld, Geld, Wohnraum, Auto usw. Es bringt nichts, sich über die Kräfte hinaus zu verausgaben. Dein Mann spürt vielleicht, dass ein weiteres Kind seine Energie übersteigt. Ein weiteres Kind bedeutet - nochmals 20 Jahre voll gefordert. Mein Rat an Dich: Nimm allen Druck und alle Erwartungen weg von Deinem Mann. Allenfalls wird er dadurch bereit, sich die Kinderfrage nochmals durch den Kopf und das Herz gehen zu lassen. Möglicherweise bleibt es aber auch bei seinem Entschluss, den Du vielleicht aus Liebe zu ihm respektieren kannst. 

Zum Thema Vasektomie: Unterbinden beim Mann ist eine tolle Sache! Auch für die Entspanntheit in der Sexualität ist sie nur von Vorteil. Wir haben das selbst gemacht und ich kenne ganz viele Männer, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, mit gutem Resultat. Es ist ein vergleichsweise kleiner Eingriff beim Mann. Vorübergehend kann es zu Schmerzen kommen, die aber verschwinden. Auf die Erektion und die Ejakualtion hat die Vasektomie keinen negativen Einfluss, auch nicht auf die Lust, im Gegenteil. Im Internet finden sich ganz viele Hinweise, hier nur einer davon: Vasektomie beim Mann.

Ich möchte Dir weiter sehr ans Herz legen, dass Du „Kinderhaben“, „Kinderwunsch“ und Sexualität versuchst zu trennen. Denn momentan hängt das bei Dir alles eng zusammen. Du denkst, Du könntest Sexualität nicht mehr geniessen, wenn sich Dein Mann unterbunden hat. Doch Sex und Fruchtbarkeit hängen nicht zwingend zusammen. Sexualität existiert um ihrer selbst willen. Weder im Paradies noch bei Jesus oder Paulus finden sich Fruchtbarkeitsaufforderungen (siehe ICH MÖCHTE KEINE KINDER). Und für die Sexualität wird es ganz schwierig, wenn der Kinderwunsch die grundlegende Motivation ist, Sex zu haben und zu geniessen. Denn bei diesen Paaren verschwindet die Sexualität, wenn der Kinderwunsch erfüllt ist.

Du schreibst nichts davon, ob Du meine Bücher gelesen hast. Aber das würde ich Dir sehr empfehlen. Setz Dich mit Deiner Sexualität auseinander, Dir, Deinem Mann und Eurer Beziehung zuliebe, unabhängig vom Kinderwunsch.

Ich hoffe, das hilft dir weiter. Herzliche Grüsse - Veronika

 

Ein Link zum Thema: ANGST VOR EINEM WEITEREN KIND


Liebe Veronika

Ganz herzlichen Dank für Deine wertvolle Antwort. Gestern hatte ich die Möglichkeit, am Nachmittag ein paar Stunden Zeit alleine mit mir und Gott zu verbringen. Dabei ist mir so einiges klar geworden. Unter anderem auch, dass ich meine Sicht auf mich und meine Familie ändern muss. ich brauche nicht noch ein weiteres Kind, um mich komplett zu fühlen. Ich will meine Augen auf meine Kinder, meinen Mann und mich als Frau/Mutter/Ehefrau richten und lernen, über diese "Dinge" richtig glücklich zu sein. 

Unser letztes Kind war über Monate sehr anstrengend und hat meine Kräfte gefordert. Ich konnte mein Baby viel zu wenig geniessen. Das wünschte ich mir "nachzuholen" mit einem weiteren Kind. Diese Gedanken hatte ich mir bis anhin nicht wirklich einzugestehen gewagt, weil ich es viel zu sehr bedauerte, die Zeit nicht ausgekostet zu haben, was mich sehr schmerzt. Aber ich darf das loslassen und vorwärts schauen, auf was ich habe.

Grüsse Dir, Roswitha

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November 30, 2017

SPIRITUELLER, EMPFINDUNGSVOLLER SLOW SEX

by Veronika Schmidt in Beckenschaukel, Bibel, Ehesex, Erregung, Gott, Küssen, Liebe, Lust, männliche Sexualität, Orgasmus, Selbsterfahrung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstbefriedigung, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, weibliche Sexualität, Zusammenleben, 2017


foto: sophia langner / buch alltagslust

foto: sophia langner / buch alltagslust

foto: sophia langner / buch alltagslust

foto: sophia langner / buch alltagslust

Sex als Gebet - was für ein Buchtitel! So heisst ein Sexbuch mit dem Untertitel: Leitfaden für Frauen und Männer zu ekstatischer Liebe und Leidenschaft. In diesem Buch von David Deida steht im Vorwort: "Wir gehen zumindest vorübergehend die zeitlose, raumlose und glückselige Vereinigung mit der wundersamen Geliebten ein: Und welch bessere Definition von spiritueller Befreiung soll es denn noch geben?" Oh, ich wünschte mir, solche Sätze wären von gläubigen Menschen aus ihrer Beziehung mit Gott und ihrer Sexualität heraus entstanden. Sind sie aber leider nicht.


Ich habe im BLOG "WENN MAN(N) RUHT IM SEX" versprochen, etwas zu langsamem, wahrnehmendem, ganzheitlichem Sex und ganzkörperlicher Ekstase zu schreiben. Häufig ist die Art Sex zu haben sehr auf Reibung, Druck und direkte Stimulation am Geschlechtsteil ausgerichtet. Diese Möglichkeiten sind zwar meistens effektiv, bezogen auf den Orgasmus, aber nicht unbedingt genussvoll. Je länger, empfindungsvoller und lustvoller der Weg der Erregungssteigerung ist, je mehr ich ganzheitlich, mit Haut und Haar, mit den Lippen, den Händen, dem Penis, der Vagina und Vulva, dem Atem, den Bewegungen spüren kann, umso befriedigender ist das Zusammenspiel mit dem Liebespartner. Umso ekstatischer, ganzkörperlich spürbar und genussvoller ist der Orgasmus und auch die nachfolgende emotionale Intimität; und die körperliche und emotionale Zufriedenheit, sprich Befriedigung. Eine solche Sexualität braucht Zeit und eine gewisse Langsamkeit. Nicht viel mehr Zeit (kann aber - und ist eine Frage der Übung), aber soviel Zeit, dass wir uns aufeinander und auf uns selbst ein- und dabei ganz loslassen können.

Um diese Form der Sexualität zu erlangen, braucht es oft eigene experimentelle Entdeckungen des Körpers, um herauszufinden, wie er in Erregung funktioniert und reagiert. Das gilt für Frauen wie für Männer. Denn nur weil Männer einfacher und schneller zum Orgasmus kommen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie viel dabei erleben. In der Selbstentdeckung finden Mann und Frau heraus, wie sie die Erregung wecken, sie steigern und lustvoll variieren können. Wie sie in der Erregung bleiben, fliessen und spielen können und dabei sowohl Lust, als auch sich selbst und den Liebespartner fühlen. Aber Mann und Frau brauchen auch eine Sehnsucht nacheinander, ein Zugeben dieser Sehnsucht - ohne Angst - die sich in Körper, Geist und Seele ausdrücken will. "Jener Strom der Sexualität ist direkt bei Gott eingestöpselt. Und wenn du diesen Strom einmal aufgespürt hast, dann wirst du nie wieder derselbe Mensch sein", steht weiter im Vorwort des Buches.

Ja, Sexualität - die Art und Weise der gelebten Sexualität - beeinflusst meine Person und mein Leben. Befriedigende, tief erlebte Sexualität gibt mir Freude und ein befriedigtes Leben, darin finde ich, wer ich sein kann, wer ich bin. Untenrum frei macht obenrum frei - Obenrum frei macht untenrum frei. David Deida schreibt dazu: "Das Weibliche wächst spirituell, indem es lernt, als Liebe zu leben, anstatt auf sie zu hoffen. Das Männliche wächst spirituell, indem es lernt, als Freiheit zu leben, anstatt darum zu kämpfen. Diese beiden Wege sind zwar unterschiedlich, führen jedoch zur gleichen spirituellen Glückseligkeit."

Der Weg zu sexuellen Tiefen gestaltet sich für Männer und Frauen unterschiedlich. Männer, sagt David Deida, "müssen zuerst lernen, in ihren Körper zu gelangen, dann ihre Partnerin tief zu spüren und schliesslich voll präsent und bewusst zu bleiben, während sie extreme Lust geniessen, um sich danach mit ihrer Liebespartnerin in die Offenheit aufzulösen." Man könnte auch sagen, in die Frau hinein auflösen. Und da sind wir dann beim umfangenden, statt mechanisch penetrierendem Sex, beim "Sex lieben" und nicht beim auf "Sex fixiert sein". Diese Offenheit, sich öffnen und verletzlich zeigen, das fällt Männern schwer, denn sie haben Angst, in dem Moment verletzt und niedergemacht zu werden. Sie haben Angst vor dem Anspruch und Druck, eine Erektion haben und halten zu müssen, die Frau zum Orgasmus zu bringen und auf keinen Fall zu früh zu ejakulieren. Ilan Stephani schreibt in ihrem Buch LIEB UND TEUER: "Männer sind das unglückliche Geschlecht. Die Sexindustrie macht den Mann immer nur unglücklicher, weil sie ihn in dem Selbstbild bestätigt, nur in Scham, in Geheimnissen, heimlichem Aufwand und Lügen "man selbst" sein zu können." Nach Stephani leiden Männer an einem kollektiven, unbewussten Schmerz rund um den Penis. Der langsame Sex lässt sie diese Angst überwinden und ihren Penis zu einer Verbindung hin zur Frau werden - zu einem sensiblen, grosszügigen und kraftvollen Genital, das geben und spüren möchte. Denn das möchten Männer gerne erleben, Sex, in dem sie ihre Frau wirklich erreichen.

Männer haben Sehnsucht nach der sexuell glücklichen Frau. Eine sexuell entspannte, selbstbewusste Frau lässt den grossen Druck von den Männern abfallen. Sexuelle Entspannung wiederum lässt die Frau die Lust tief in ihrem Körper und in ihrem liebenden Herz erleben. Was bedeutet, sie kann sich auf Körper und Lust überhaupt einlassen und ihren Liebespartner, seine Lust und seinen Penis in sich aufnehmen wollen und dabei eigene Lust spüren. Denn oft möchten Frauen die Kontrolle über sich und das Geschehen behalten, sich nicht ausliefern, nicht verzeihen, nicht über den Alltagsstress oder des Partners Ärgerlichkeiten hinwegsehen. Der sexuelle Part der Frau ist ebenso ein aktiver - umfangend und versöhnend, nicht erduldend, hinhaltend und bedienend. Frauen sollen sexuell glücklich werden und ihren wirklich guten Sex entdecken wollen.

Der Körper selbst kann uns diesen Sex lernen, indem wir uns ihm überlassen und mit Beckenboden, langsamen Beckenbewegungen, Beckenschaukel, Loslassen von Oberkörper-Schulter-Kopf, Bauchatmung, stöhnendem Ausatmen uns unseren Empfindungen überlassen und den Körper, den Mund, die Hände, den Atem, den Penis, die "Vulvina" tun lassen, was sie tun wollen. Oder vielleicht wollen sie auch gar nichts tun. Denn auch ein entspannter Beckenboden, eine entspannte Vagina, ein entspannter Penis, ein entspannter Körper kann Lust empfinden, vielleicht sogar noch tiefer und umfassender. Und indem wir nebeneinander, ineinander abwechselnd ruhen und bewegen und berühren, lassen wir der Erregung Raum, spüren ihr nach und lassen sie steigen. Asiatische Liebeskunst beispielsweise sagt den Männern nicht, hart hineingehen und weich zurückkehren, sondern genau das Gegenteil - weich beginnen beim Sex und beenden mit einer Erektion. Diese Liebeskunst sagt uns, weniger zu machen und mehr zu sein - um zu erleben, was da ist, wenn wir weniger machen - um mehr zu erleben. Geschlechtsverkehr auf diese Weise lässt uns gegenseitig inwendig berühren, sowohl im Geist, im Herzen wie auch im Körper. So, wie eine Frau schreibt: "Meine Vagina hat sich fast schon von ganz alleine jene Berührung des Penis geholt, die sie beflügelt!"

In diesem Sinne eine beflügelte Adventszeit!
Seid herzlich gegrüsst bis zum neuen Jahr - Veronika

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November 24, 2017

MEIN SOHN ZIEHT GERNE MÄDCHENKLEIDER AN

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Sex & Kinder, Sexualität allgemein, Transgender, 2017


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Hallo Veronika!

Das Verhalten unseres 8-jährigen Sohnes macht mir Angst und Sorgen, weshalb ich jetzt bei Dir Rat holen möchte. Neben unserem Sohn haben wir noch eine Tochter, zu der er ein sehr herzliches Verhältnis hat. Unsere Kinder sind wenig am Computer, da sie viel draussen spielen und sehr kreativ sind. Manchmal finden sie es lustig, in die Röcklein der Tochter zu schlüpfen und zu tanzen oder Rollenspiele zu machen (nicht mehr so oft noch, wie vor ein, zwei Jahren), was ich total ok. finde.

Als ich mich letzte Woche schminkte, wollte meine Tochter natürlich auch Lippenstift haben, so auch unser Sohn. Ich liess ihn dann sich schminken, aber mit einem komischen Gefühl. In den Ferien füllte die Tocher ihr Badehose voll mit Sand, worauf unser Sohn ebenfalls einen Badanzug seiner Schwester anzog und diesen mit Sand füllte. Es sind einfach immer wieder solche Situationen, die mich verunsichern und ich nicht weiss, wie ich reagieren soll oder was in meinem Sohn vorgeht. Ich denke, für sein Alter ist das doch nicht mehr so angebracht, oder? 

Er liegt manchmal im Bett und macht nichts... Als ich ihn einmal fragte, was er denn tue, sagte er, dies sei ein Geheimnis (für mich kein Problem). Letzte Woche waren die Kinder am Kneten. Ihr Thema war "Scheiden, Kinder produzieren etc." Diese Ideen kamen alle von unserem Sohn. Als ich ein wenig nachfragte, sagte er: "Das war mein Geheimnis. Ich träume manchmal eben von Scheiden, wenn ich im Bett liege und wach bin." Ich habe ihm zugehört und nichts weiter dazu gesagt, dann haben sie weiter gespielt. Ich habe sie machen lassen, da ich nichts unterdrücken will, was sie ausleben sollen. Und doch bin  recht unsicher, ob dies der "Normalität der Entwicklung" entspricht und weiss nicht wie ich reagieren soll....

Unser Sohn ist sonst sehr ein Bub. Er schiesst mit Pistolen, liebt sein Sackmesser, kann reinhauen, spielt Schlagzeug, experimentiert gerne und werkelt gerne im Keller mit Holz etc. Allerdings ist er auch sehr feinfühlig und sensibel. Fazit: Ist dieses Verhalten unseres Sohnes normal"? Wie soll ich reagieren, wie nicht?

Danke für Deine Antwort - Melea, 34 Jahre


Liebe Melea

Zuerst möchte ich Dir sagen, dass Euer Umgang mit Eurem Sohne genau richtig ist. Ihr solltet möglichst wenig Aufhebens (eigentlich gar keines) um diese Spiele machen. Wenn Ihr beginnt, Euch komisch zu verhalten, wird er denken, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Und er wird sich „falsch“ und schlecht fühlen. Würdet Ihr dagegen angehen, könnte es sein, dass Ihr das, was Euch Sorgen macht, entweder nur noch verstärkt oder ihn in die Heimlichkeit drängt.

Zu Deiner zwar nicht ausgesprochenen, aber vermutlichen Sorge: Es wird nicht gelingen, Transsexualität oder Homosexualität „ab-zu-erziehen“. Grundsätzlich einmal würde ich diese Sorge vorerst zur Seite legen. Denn in der Entwicklung des Kindes geschieht ganz viel, auch viel experimentieren und fantasieren. Es wäre unangemessen, in seinem Alter aus einer Phase heraus Rückschlüsse zu ziehen. Lasst Euren Sohn einfach sein, wie er sein möchte. Behandelt das Thema Sexualität offen, lasst entsprechende Bücher und Comics (Titeuf: Sex, Gott und Hosenträger)  rumliegen, seid ansprechbar und gebt Anworten. Nützt diese Zeit der Neugierde, denn in nicht allzu ferner Zeit könnte er sich auch vorübergehend nicht mehr für diese Themen interessieren.

Ca. nach dem 7. Lebensjahr kommt die "Latenzphase", in der alles Geschlechtliche in den Hintergrund rückt und Mädchen und Buben sich gegenseitig doof finden. Die kindliche Sexualität unterscheidet sich grundlegend von der Sexualität Erwachsener, dennoch sind Menschen schon von Geburt an empfindsame Wesen. Das heißt: Kindliche Sexualität hat nichts mit erotischem Begehren oder Verlangen zu tun, sondern ist auf das körperliche Empfinden von schönen Gefühlen bezogen. Das Zentrum dieser Lustempfindung verschieb sich in der jeweiligen Entwicklungsphase vom Mund (oral, alles in den Mund nehmen und mit dem Mund erforschen - Säugling) über die Kontrolle der Schliessmuskeln (anal - Kleinkind) bis zur Erkundung der Geschlechtsorgane (phallisch).

Der Begriff „Latenzphase“ leitet sich vom lateinischen Wort „latent“ ab und bedeutet so viel wie „verborgen sein“ (laut Duden: „vorhanden, aber [noch] nicht in Erscheinung tretend; nicht unmittelbar sichtbar oder zu erfassen“). In diesem Alter finden wichtige Veränderungen statt. Kinder entwickeln ihre psychosozialen, sensomotorischen und intellektuellen Kompetenzen. Bereits erworbene Fähigkeiten werden in der Latenzphase weiter ausgebaut, Werte und Normen gestärkt. Mit der Einschulung erlernen Kinder eine positive Leistungsorientierung und bekommen ein gutes Selbstwertgefühl. In der Latenzphase wird außerdem das soziale Verhalten ausgeformt – Freundschaften entstehen. Heimliche Schwärmereien sind jetzt tatsächlich "geheim". 

Anzeichen, dass die Latenzphase sich dem Ende zuneigt, sind Gefühlsäusserungen, Stimmungsschwankungen, das erste sexuelle Interesse und erotisches Verlangen. Das Kind steuert geradewegs auf die Pubertät zu. Zunehmend beginnen Kinder, sich für das andere Geschlecht zu interessieren, bis sie sich schließlich mitten in der genitalen Phase befinden. Bei sensiblen und emotionalen Kindern ist aber diese klare Abgrenzung oft nicht so ausgeprägt. Es scheint manchmal, als würden diese direkt von der Trotzphase in die Pubertät gleiten.

Liebe Melea, obwohl wir die kindliche Entwicklung in klare Abschnitte unterteilen, entwickelt sich jedes Kind ganz indivuell. Abweichungen davon sind normal. Und heute weiss man, dass, egal, ob wir Mann oder Frau sind, sich beispielsweise das Hirn trotzdem beim Mann mehr weiblich und bei der Frau mehr männlich, je nach entsprechender "Hormonzugabe" in verschiedenen embrionalen Entwicklungsphasen, entwickeln kann (Mann/Frau - Vera Birkenbihl) (siehe auch BLOG TRANSGENDER). 

So hoffe ich, Dir Gelassenheit in der Frage und liebevolles Verständnis für Deinen Sohn geben zu können . Herzlich - Veronika

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